Universalmuseum Joanneum
Simon Baptist – Archiv Franz Göttfried in der Hofgalerie des Museums für Geschichte

| Gerhard Krispl / LEADERSNET-ART Herausgeber 
| 02.07.2025

Die neue Ausstellung "Von oben im Tal" verbindet historische Fotos von Franz Göttfried mit Videoarbeiten von Simon Baptist

Die Ausstellung "Von oben im Tal", die in der Hofgalerie des Museums für Geschichte gezeigt wird, eröffnet einen einzigartigen Blick auf das fotografische Werk von Franz Göttfried, der das ländliche Leben in St. Lambrecht in den 1920er- bis 1940er-Jahren dokumentierte. Rund 500 erhaltene Glasnegative bilden das Herzstück einer vielschichtigen Auseinandersetzung mit Erinnerungen und kollektiver Identität: Unter Einbeziehung der Menschen vor Ort begibt sich der Künstler Simon Baptist in das Gefüge der Bilder und deren Zwischenräume, sucht Orte und Menschen auf und nimmt dies als Ausgangspunkt für seine filmische Arbeit.

Die Ausstellung ist seit dem 13. Juni 2025 für Besucher:innen geöffnet. Aufgrund der Staatstrauer wurde die offizielle Eröffnung verschoben und findet nun am 24. Juni 2025 um 17 Uhr im Museum für Geschichte statt.

Von oben im Tal beginnt der Bauer Franz Göttfried (1903–1980) die Menschen an seinem Wohnort, der obersteirischen Marktgemeinde St. Lambrecht, zu fotografieren. Als Chronist in eigener Sache führt ihn sein Interesse an die umliegenden Höfe, wo er die Menschen an Festtagen, während ihrer Arbeit und in alltäglichen Situationen porträtiert. Der Großteil seiner Aufnahmen, die er in der eigenen Dunkelkammer entwickelte und als Abzüge im Postkartenformat anfertigte, entstand beginnend in den 1920er-Jahren bis in die frühen 1940er-Jahre. Ein Schicksalsschlag führte allerdings dazu, dass er die meisten seiner Positive verbrannte. Überdauert haben rund 500 Glasnegative im Format 9 x 12 cm auf dem Dachboden des Vollanthofs, seinem Heimathaus. Aufgefunden wurden diese Mitte der 1990er-Jahre von den Großeltern des Filmemachers und Fotokünstlers Simon Baptist, die heute den Hof bewohnen. Baptist überführte den fotografischen Nachlass durch seine filmische Arbeit in die Gegenwart.

2019 wurde der fotografische Bestand Franz Göttfrieds – 72 Kartons mit Glasplatten-Negativen – in das Fotohof>Archiv eingegliedert, digitalisiert, systematisch katalogisiert und ausgewertet. Diese Anbindung des privaten Fundes an die Salzburger Foto-Institution stellt eine konservatorisch optimale Lagerung der Original-Abzüge wie auch der Glasplatten-Negative in klimatisierten Depoträumen sicher.

Davon ausgehend baut Simon Baptist mit den Angehörigen der Porträtierten und den Personen aus St. Lambrecht auch ein Archiv mit Oral Histories auf, das nicht nur die Person Franz Göttfried nachzuzeichnen versucht, sondern auch den Ort in jenem Zeitraum, in dem die Aufnahmen entstanden sind: Baptist hält Erzähltes, Erinnertes und Überliefertes fest und stellt es dem fotografischen Nachlass zur Seite. Somit ist dieses Archiv einer jener Plätze, der Fotografien nicht nur versammelt, sondern auch einen Handlungsraum öffnet.

Von oben im Tal
Die Ausstellung im Museum für Geschichte eröffnet einen vielschichtigen Blick auf das fotografische Werk des obersteirischen Amateurfotografen Franz Göttfried © Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Die fotografische Praxis Franz Göttfrieds im historischen Kontext

An die Fotografie hat sich Franz Göttfried mit seiner Laufbodenkamera als Amateur angenähert. Sein Werk ist abseits fotografischer Diskurse entstanden, seine Porträts sind eben nicht von kulturhistorischen, künstlerischen oder typologischen Fragen geleitet. In Baptists transkribierten Aufzeichnungen ist zu lesen: "Der Franz hat ja alle fotografiert, vom blutigsten Nazi bis zum Heimatschutzler, bis zu den Arbeitern."

Eine vertiefende Betrachtung des fotografischen Bestandes nimmt die Bildwissenschaftlerin Christina Natlacen in der die Ausstellung begleitenden Publikation vor. Sie grenzt Göttfrieds Fotografien von konzeptionellen künstlerischen und von jenen, die in kommerziellen Zusammenhängen entstanden sind, ab und fasst seine Aufnahmen mit dem Ausdruck "Porträts der Nähe": ein Gemenge aus Privatem und Vertrautem, das einen freien fotografischen Zugang abseits gängiger Bildtraditionen ermöglicht und das diesen historischen Bestand auszeichnet.

Baptists filmische Annäherungen an das fotografische Archiv

Der historische Bestand Göttfrieds wird von drei installativen Videoarbeiten Baptists begleitet, die seinen künstlerischen Zugang zur Arbeit am Archiv darlegen. Das Museum für Geschichte stellt das Archiv Franz Göttfried und Simon Baptists Arbeit daran erstmalig in Österreich umfassend vor und gibt somit auch einen Einblick in seine künstlerischen Herangehensweisen an archivarische Arbeit, die er dem Bestand entgegenbringt.

In der 2025 entstandenen Arbeit Gebiet von Simon Baptist zeichnen Bewohner:innen ihre Wege und die sie umgebenden Orte mit Kohle auf Papier nach und benennen diese; hier hallt im kollektiven Zeichnen der Marktgemeinde die gemeinschaftliche Archivarbeit nach.

Kammerspiel (2023) hingegen bringt das Dorf referierend auf Göttfrieds Bilder zur Aufführung: Trachtengruppen, eine Schafherde, Kühe, eine Musikkapelle, der Klerus, Nonnen und unterschiedliche Fahrzeuge fahren oder marschieren buchstäblich durch die einzelnen Frames der 5-Kanal-Videoinstsallation. Im gleichen Format kommt im abschließenden Raum in Kammerspiel (2021) die Dorfgemeinschaft zu Wort und teilt in der 33-minütigen Projektion ihre Erinnerungen an Göttfried und damalige Ereignisse; die Gleichzeitigkeit der Projektionen hält die Zeit in Schwebe.

Von oben im Tal
Der Künstler Simon Baptist überführte den fotografischen Nachlass durch seine filmische Arbeit in die Gegenwart. Drei dieser Filme sind in der Ausstellung zu sehen, ©Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Von oben im Tal.
Simon Baptist – Archiv Franz Göttfried
Laufzeit: 13.06.2025–06.01.2026
Kuratiert von Margit Neuhold
In Kooperation mit Fotohof Salzburg
Hofgalerie, Museum für Geschichte, Sackstraße 16, 8010 Graz
www.museumfürgeschichte.at

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Herausgeber von LEADERSNET-ART ist Gerhard Krispl.

 

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