Markus Redl gehört wohl zu den interessantesten Künstlern der zeitgenössischen Kunst in Österreich. In seiner Kunst geht es um mehr als das einfache, sichtbare Narrativ. Es ist ein steter Versuch des Künstlers, sich mittels seines umfassenden Wissens über Literatur, Naturwissenschaften und Philosophie mit der Welt auseinanderzusetzen, zu reflektieren, fragend, staunend, suchend, und irgendwo eine Möglichkeit zu finden, diese zumindest ansatzweise zu verstehen. In seinem Atelier, weit draußen, nahezu schon am Stadtrand von Wien, entstehen seine Marmorskulpturen. Darüber hinaus umfasst sein Werk vor allem Zeichnungen und Textcollagen.

Markus Redl, Migrationszyklus, 2023 © Manuel Carreon Lopez
Mit seinen großformatigen Steinskulpturen bricht der 1977 in Klosterneuburg geborene Markus Redl radikal mit den ästhetisierenden Zuschreibungen an das Material. Er setzt künstlerische Konzepte in Stein um, die nicht den damit verbundenen Rezeptionsgewohnheiten entsprechen. Redl setzt dem Elitären des Materials stets etwas entgegen. "Ein subversiver Akt der Verweigerung, der Hinterfragung von Sinnzusammenhängen wird dabei evident", beschrieb es dereinst der Kunsthistoriker Günther Holler-Schuster. Und auch Redl selbst meint: "Der Geniekult, der gerade mit dem Marmorstein verbunden ist, geht mir eigentlich auf die Nerven. Er entspricht weder dem Umgang der Arbeiter im Steinbruch mit dem Material noch meiner Intention, dieses als selbstverständlich in der Gegenwartskunst zu verwenden. Natürlich ist der Stein teuer, und es braucht auch lange, ihn zu bearbeiten, etwas, das dem Betrieb der Kunstszene und den Erwartungshaltungen an die Produktivität eines Künstlers natürlich nicht entspricht." Und so übersetzt Redl Themen in Stein, die man vielleicht sonst in der Fotografie oder im Video vermuten würde. Es sind Darstellungen jenseits des Repräsentativen. Markus Redl arbeitet nicht ausschließlich, aber sehr gerne mit Marmor. Dabei verwendet er sowohl den Bianco Carrara Marmor als auch Laaser Marmor, Sölker Marmor und den Stein aus dem Krastaler Bruch.

Bildhauerwerkstatt der Stadt Wien, 2015 © Markus Redl
Die Präsenz seiner Steinskulpturen ist beeindruckend, ebenso wie die präzise Bearbeitung, in der auch das große Können und das Wissen des Künstlers um das massive Material zum Ausdruck kommen. Für die Sammlung Würth schuf Markus Redl 2010 /2011 die begehbare, aus einem zweigeteilten Marmorkubus bestehende Arbeit "Stein 125-126 [Obdach]" aus Bianca Carrara Marmor mit den Maßen 240 x 240 x 240. 20 Tonnen wiegt die gesamte Arbeit, die in der Umsetzung gewaltiger Logistik bedurfte, vom Transport des Steins aus Italien bis zur Entwicklung der fertigen Skulptur. Im Inneren des geometrischen Objekts sitzt, angelehnt an der Seitenwand, ein Mann, ein Obdachloser, ein Bein aufgestellt, das andere steht am Boden. Auf der Marmorbank ist in hoher technischer Präzision eine liegende Decke ausgeführt.
Nicht minder beeindruckend ist die 3,9 Tonnen schwere Skulptur "Stein 155 [Die Logik der Sorge / Von Ozean zu Ozean / Auf den Schultern von Riesen] 2019-2020" aus Carrara Marmor. Redl erweist sich dabei einmal mehr als sensibler und reflektierender Beobachter der Gegenwart.
Doch versteht er es, seine Beobachtungen stets weiter zu fassen und auf eine Meta-Ebene zu heben, und verbindet sie mit Sprache, Semiotik und der Auseinandersetzung mit Literatur und Philosophie, und in diesem Fall auch mit Mythenbildung und dem Geschichtenerzählen: das Erzählen von Geschichten als identitätsstiftende Kulturleistung über Religionen und Grenzen und die fortlaufende Zeit hinweg. Die Skulpturen haben stets Zusatztitel, die auf jene Literatur hinweisen, die thematisch mit der jeweiligen Arbeit verbunden sind. Einen Aufschluss gibt Redl in seiner "Bibliothek der Steine", die sein Œuvre begleitet.

Markus Redl, Stein 166 [Das Triebwerk] 2025, Krastaler Marmor, 60 x 45 x 35 cm, 51 kg © Markus Redl
Die künstlerische Arbeit am und mit dem Stein erweist sich dabei für Redl als "eine Wahrnehmungsform und Denkschule". Doch Markus Redl ist auch ein gekonnter Zeichner. Selbstredend überzeugen seine Papierarbeiten, ob Zeichnung, Collage oder raumfüllende Papierrolle, formal, doch geht es um mehr. Vor allem seine Bücher, die Trilogie "Flussrand", die zwischen 2021 und 2025 erschienen ist, geben einen Einblick in die komplexe künstlerische Praxis von Markus Redl, die nicht am Thema Kunst hängen bleibt. Denn Zeichnung bedeutet für Redl auch Schreiben, die Auseinandersetzung mit Sprache per se. Im Dialog von Schrift und Bild, Textcollagen, reflektiert er die Bedingungen des Lebens, die ihn beschäftigen: der Umgang mit natürlichen Ressourcen, gesellschaftlichen Hierarchien und Zwängen des Erfolgs. Dabei bezieht er sich auf verschiedene Autor:innen von Donna Haraway bis zu Arthur Schopenhauer und vermittelt uns eine atemberaubende und temporeiche Reise durch Literatur und Kunstgeschichte. Mittels durchaus auch persönlicher Texte tauchen wir in die Gedankenschleifen eines Künstlers ein.
Text: Silvie Aigner
www.smolkacontemporary.at
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