In Arizona
KI-Klon eines Getöteten machte Aussage vor Gericht

| Larissa Bilovits 
| 07.05.2025

Im Zuge eines Totschlag-Prozesses in den USA kam eine digitale Version des Opfers zu Wort, die die Angehörigen mittels Künstlicher Intelligenz generiert hatten – und richtete versöhnliche Worte an den Täter. 

Mittlerweile ist es keine Hexerei mehr, mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) realistische, teils gar täuschend echte "Klone" von realen Menschen zu schaffen, die nicht nur so aussehen wie das Original, sondern auch so sprechen. Und das gilt nicht nur für Lebende: Verfügt man über genügend Bild-, Video- und Tonmaterial, mit dem man die KI füttern kann, lassen sich auch problemlos Verstorbene digital "wiederbeleben". Solche KI-Repliken ermöglichen etwa Angehörigen, ein letztes Gespräch zu führen – sei es zur Trauerbewältigung oder zum Abschiednehmen. Ob das tatsächlich hilft oder eher neue emotionale Herausforderungen schafft, darüber wird unter Expert:innen heftig diskutiert. Dass die Anwendungsmöglichkeiten aber weit über persönliche Gespräche hinausgehen, zeigt ein aktueller Fall aus den USA.

Virtuelle Wiederauferstehung

Im November 2021 ist Chris Pelkey aus der Stadt Chandler im US-Bundesstaat Arizona auf tragische Weise ums Leben gekommen. Grund dafür war sogenannter "Road Rage": Wie der Lokalsender ABC15 berichtete, waren der Militärveteran und ein anderer Autofahrer in einen Streit geraten. Daraufhin stieg Pelkey an einer Ampel aus und lief auf das Fahrzeug seines Streitgegners zu, der schließlich mehrmals mit einer Pistole auf ihn schoss. Nur wenig später erlag Pelkey im Krankenhaus seinen Verletzungen und verstarb. 

Nun, rund vier Jahre später, musste sich der Täter vor Gericht verantworten, wo über sein Strafmaß entschieden wurde. Mit dabei war natürlich auch die Familie von Pelkey – sowie eine KI-Version des Verstorbenen. Seine Angehörigen hatten nämlich mittels Künstlicher Intelligenz ein knapp vier Minuten langes Video erzeugt, in dem sich der Getötete "selbst" an den Täter wendet. Und zwar mit durchaus versöhnlichen Worten: "Ich glaube an Vergebung und an Gott, der vergibt. Das habe ich immer getan und tue es immer noch. [...] In einem anderen Leben hätten wir wahrscheinlich Freunde sein können."

Zusätzlich dazu bauten die Angehörigen Fotos und Videos des echten Chris Pelkey in den Clip ein, ebenso wie eine Simulation, die demonstrieren soll, wie der Verstorbene als alter Mann hätte aussehen können. "Das ist das beste Bild davon, wie ich hätte aussehen können, wenn ich die Chance gehabt hätte, alt zu werden", kommentierte der KI-Klon dazu.

"Frankenstein der Liebe"

Natürlich stammen all diese Worte im Video, das von Pelkeys Schwester auch auf YouTube veröffentlicht wurde, nicht wirklich vom Verstorbenen – vielmehr wurden sie ihm mithilfe der KI in den Mund gelegt. Allerdings betonte die Schwester gegenüber ABC15, dass sie das Video zuvor zahlreichen Menschen, die ihren verstorbenen Bruder gekannt hatten, gezeigt habe. Diese wären sich unisono einig gewesen, dass das Video Pelkeys mutmaßlichen Standpunkt zur Verurteilung des Täters korrekt wiedergeben würde. 

Mit welchen KI-Programmen sie und ihr Mann sowie ein Freund des Ehepaars den KI-Klon genau erstellt haben, ist unklar – es sei jedenfalls "mühsam" gewesen, erklärte sie dem TV-Sender Fox 10. Um ein möglichst realistisches Abbild zu schaffen, hätten sie verschiedene Tools mit Foto- und Videomaterial des Verstorbenen gefüttert. Was dabei herauskam, bezeichnete die Schwester als "Frankenstein der Liebe".

Zehneinhalb Jahre Haft für Täter

Der Richter zeigte sich Berichten zufolge begeistert von der Idee sowie der Umsetzung des digitalen Klons. "Ich liebe diese KI", meinte er und habe das Gefühl gehabt, "dass das echt war".

Der Angeklagte hingegen durfte sich zwar über die versöhnlichen Worte seines Opfers freuen – im Hinblick auf das Urteil dürfte ihm das allerdings wenig geholfen haben. Obwohl die Staatsanwaltschaft ursprünglich "nur" neuneinhalb Jahre Haft gefordert hatte, wurde der Täter letztlich gar zu zehneinhalb Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt.

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