Interview mit Theresa Mai
"Frauen in Führungspositionen denken oft vernetzter und sehen komplexe Zusammenhänge"

Im LEADERSNET-Interview spricht Theresa Mai, Geschäftsführerin von Wohnwagon, u. a. darüber, wo die Unterschiede zu anderen Unternehmen aus der Branche liegen, wie mit dem Thema ESG umgegangen wird, inwiefern weibliche Perspektiven dazu beitragen, die Bauindustrie nachhaltiger zu gestalten, und was eine gute Führungskraft ausmacht. Außerdem gewährt sie uns einen Ausblick auf die Zukunftspläne des Unternehmens und gibt Frauen Karrieretipps mit auf den Weg. 

LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Mai, Wohnwagon baut nachhaltige und autarke Vollholzhäuser in modularer Bauweise, die für eine kurze Baustelle sorgen sollen. Wo liegt der Unterschied zu anderen Unternehmen, die vielleicht ein ähnliches Konzept/Modell verfolgen?

Theresa Mai: Wohnwagon zeichnet seit Beginn der Firmengeschichte den konsequenten Fokus auf Naturbaustoffe aus. Für uns ist das Thema Nachhaltigkeit eine Selbstverständlichkeit. Wir arbeiten mit regionalen Lieferanten und Materialien, setzen auf kurze Transportwege und verwenden Baustoffe, die nicht nur umweltfreundlich, sondern auch gesund sind. Was uns zusätzlich auszeichnet, ist unsere Liebe zum guten Design. Wir achten sehr darauf, dass wir nicht nur effizient bauen, sondern auch, dass wir schöne Gebäude schaffen, die sich harmonisch in die Natur einfügen und optimal auf die Bedürfnisse unserer Kund:innen zugeschnitten sind. Wir ermöglichen hier bestimmt mehr Individualität, als dies bei anderen Herstellern der Fall ist. Wir sind überzeugt, dass jedes Zuhause auch seine eigene Seele haben sollte – maßgeschneidert für die Menschen, die darin leben.

LEADERSNET: Klimawandel, Umwelt, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sind immer wichtigere Themen. Welche Rolle nimmt das Thema ESG in Ihrem Unternehmen ein und inwiefern tragen weibliche Perspektiven Ihrer Meinung nach dazu bei, die Bauindustrie nachhaltiger zu gestalten?

Mai: ESG fasst im Grunde zusammen, was für uns seit jeher selbstverständlich ist: langfristiges, verantwortungsbewusstes Wirtschaften. Entscheidungen so zu treffen, dass sie der Umwelt, den Mitarbeitenden, der Gesundheit und dem sozialen Gefüge zugutekommen, war für mich schon immer eine grundlegende Haltung. Diese Werte habe ich von klein auf mitbekommen – das muss man nicht unbedingt extra in Nachhaltigkeitsreports festhalten. Trotzdem ist es erfreulich, dass dieses Denken zunehmend zum Standard wird.

Ergänzend dazu wird eine integrierte Gesamtperspektive auf diese Themen immer wichtiger. Unternehmen müssen sich als Teil eines größeren Ökosystems begreifen. Genau hier bringen weibliche Perspektiven wertvolle Impulse ins Team ein. Frauen in Führungspositionen denken oft vernetzter und sehen komplexe Zusammenhänge. Ich bin überzeugt: Wir müssen weg von singulären, rein technokratischen Lösungswegen – hin zu einem vernetzten Denken in Ökosystemen. Die Natur zeigt uns hier bereits, wie es geht!

LEADERSNET: Der Equal Pay Day markiert symbolisch, wie weit das Einkommen von Frauen und Männern auseinanderklafft. In Österreich beträgt der Einkommensunterschied laut aktueller Statistik immer noch 12,18 Prozent. Das bedeutet, Frauen arbeiteten im Vergleich zu Männern bis zum 13. Februar 2025 "gratis", während Männer ab Jahresbeginn bezahlt werden. Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, um diese Ungerechtigkeit in Zukunft zu minimieren bzw. letztendlich zu bekämpfen?

Mai: Für mich ist es logisch, dass gleiche Leistung gleich entlohnt werden muss, aber es fällt mir schwer, hier politische Empfehlungen abzugeben. Ein wichtiger Schritt könnte Transparenz sein. Wir legen beispielsweise offen, welche Verantwortungsbereiche mit welchem Gehaltsniveau verbunden sind. Dadurch verhindern wir, dass große Differenzen entstehen. Es braucht ein transparentes Gehaltsmodell – weg von einem System, in dem das Gehalt wie auf einem Basar ausgehandelt wird und der Stärkere gewinnt, hin zu einer nachvollziehbaren Struktur. Jede:r sollte sich entscheiden können, welche Funktionen, Rollen und Verantwortlichkeiten er oder sie bereit ist zu übernehmen. Dementsprechend ist dann auch die Bezahlung nachvollziehbar. Einige Unternehmen lassen bereits Teams ihre Gehaltsbudgets selbst verwalten. So mutig sind wir noch nicht, aber ich bin überzeugt, dass sich der Umgang mit Gehältern in den nächsten Jahren ändern wird.

LEADERSNET: Die Baubranche gilt als eine der letzten Männerdomänen, in der Frauen oft mit Vorurteilen und Widerständen konfrontiert sind. Welche persönlichen Hürden mussten Sie als Gründerin und Geschäftsführerin überwinden, welche Strategien haben Ihnen geholfen, sich durchzusetzen und was müsste sich ändern, damit sich in den nächsten Jahren mehr Frauen für Berufe in der Baubranche entscheiden?

Mai: Es gibt Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Qualitäten und das ist gut so. Manchmal sind die weiblichen Qualitäten bei Männern sehr gut ausgeprägt und umgekehrt. Der Schlüssel liegt darin, diese Vielfalt bewusst ins Team einzubringen, anstatt krampfhaft zu versuchen, sich einer bestimmten Norm anzupassen. Auch mir ist es natürlich passiert, dass man mich als junge Frau nicht ernst genommen oder bevormundet hat. Man ist dann versucht, sich an die "Männerwelt" anzupassen und sich vielleicht zu verbiegen. Mein Rat an Frauen in der Baubranche: Bleibt authentisch und vertraut darauf, dass eure individuellen Stärken einen Mehrwert schaffen. Es geht nicht darum, sich an vielleicht männlich dominierte Verhaltensweisen anzupassen, sondern sich der eigenen individuellen Stärken bewusst zu werden und diese selbstbewusst einzubringen.

LEADERSNET: Welche Karrieretipps können Sie Frauen auf dem Weg geben und was macht eine gute Führungskraft aus?

Mai: Dranbleiben an den eigenen Träumen – dort, wo es glitzert und Begeisterung zu spüren ist. Genau in diesen Bereichen lernt man leichter, was man braucht, um wirklich exzellent zu werden. Dort verkauft man am besten, dort agiert man am selbstbewusstesten! Genau das braucht es für eine Karriere in der Baubranche: Wer in seinem Fach wirklich gut ist, wird als Expert:in wahrgenommen – das Geschlecht ist dann gar nicht mehr zentral. Mein Tipp: den Mut zu haben, an den eigenen Talenten dranzubleiben und diese weiterzuentwickeln.

Gute Führung bedeutet, die Potenziale der Mitarbeitenden zu erkennen, auch wenn sie diese selbst noch nicht sehen. Es braucht eine gute Mischung aus einem unterstützenden Umfeld und herausfordernden Zielen, die es ermöglichen, gemeinsam zu wachsen. Auch Flexibilität ist wichtig: Menschen entwickeln sich weiter, genauso wie sich Rollen und Rahmenbedingungen in einem Unternehmen wandeln. Ein Beispiel aus unserem Team ist Johannes: Er startete bei uns als Tischler in der Werkstatt, entwickelte später ein IT-Projektmanagement-System für uns, weil er sich für das Thema total begeisterte und ist mittlerweile Teil des Führungsteams. Gute Führung bedeutet, Vertrauen in diesen Entwicklungsprozess zu haben.

LEADERSNET: Wie schauen die Pläne von Wohnwagon für 2025 und die (noch) weitere Zukunft aus?

Mai: Unser Fokus liegt 2025 auf der weiteren Digitalisierung und Modularisierung unserer Bauweise – auch für größere Projekte. Gerade mit den neuen Beteiligungen von Epoona und der Raiffeisen Beteiligungsholding haben wir starke Partner als Gesellschafter mit an Bord, um uns auch an größere Projekte zu wagen! Wir entwickeln gerade neue Entwürfe, um autarkes Wohnen noch besser für Familien zu ermöglichen. Zudem planen wir die ersten autarken Mehrfamilienhäuser mit sechs bis zehn Wohneinheiten. Sie kombinieren individuelle Wohnfläche mit Gemeinschaftsbereichen und einer gemeinsamen autarken Versorgung. Erste Projekte sind bereits in Vorbereitung. Wir freuen uns über Partnerschaften mit Immobilienentwickler:innen, Grundstückbesitzer:innen und Investor:innen, um diesen Bereich weiter voranzubringen! Vor allem im ländlichen Raum sehen wir großes Potenzial für diese zukunftsweisende Wohnform.

LEADERSNET: Was kann die Geschäftsführerin Mai von der Privatperson Mai lernen?

Mai: Schöne Abschlussfrage! Die Privatperson Mai ist gerade Mama geworden und darf täglich lernen, neugierig zu bleiben, sich auf neue Situationen einzustellen und vor allem stets in Verbindung mit dem Gegenüber zu sein. Genau diese Haltung hilft auch in der Unternehmensführung: nicht in eingefahrenen Wegen verharren, sondern offenzubleiben für Veränderungen, neue Perspektiven und kontinuierliches Lernen. Mit dem Gegenüber menschlich in Verbindung zu sein, sodass man gemeinsam Lösungen entwickeln kann – sowohl im Team als auch mit Kund:innen. Diese Denkweise hat uns in den letzten Jahren stark durch die Krise gebracht.

Zudem habe ich gelernt, dass Führung im Inneren bei einem selbst beginnen muss. Wenn etwa Ressourcen knapp sind – weil zum Beispiel die Nächte gerade sehr kurz sind – kann man nur dann eine gute Führungskraft sein, wenn man auf die eigene Kraft schaut. Meine Klarheit im Inneren sorgt auch für Ruhe und Klarheit im Unternehmen. Daher: Nicht bis zum Umfallen arbeiten, sondern sich bewusst die Zeit zu nehmen, auch auf sich selbst zu achten!

www.wohnwagon.at

Weltfrauentag bei LEADERSNET

LEADERSNET bringt anlässlich des Weltfrauentags am Samstag, dem 8. März, die ganze Woche über einen weiblichen Themenschwerpunkt. Unter anderem stellen wir Frauen in Führungspositionen verschiedenster Branchen vor und bitten Sie zum Interview.

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