LEADERSNET veröffentlicht nun regelmäßig Interviews, Porträts und Servicegeschichten von aehre. Dabei befasst sich das Nachhaltigkeits-Businessmagazin stets mit einem der zentralen Themen der Gegenwart: Nachhaltigkeit, in allen ihren Facetten von Environment über Social bis Governance.
Nachdem es in der vergangenen Woche um Erneuerbare Energien gegangen war, geht es bei diesem Beitrag um Luxus. Schlechte Arbeitsbedingungen, hoher Wasserverbrauch, CO₂-Emissionen – die Modebranche gilt als Umweltverschmutzer. Um Gutes zu tun, haben große Marken, Stiftungen und Initiativen gegründet. Sie investieren in neue Materialien, erforschen die Ozeane und fördern Benachteiligte. Einblicke in ihre Arbeit.
Text: Anna Ostrowski
New York City, September, während der Fashion Week: Die Stiftung des französischen Luxuskonzerns Kering, die Kering Foundation, lädt illustre Gäste anlässlich des 15. Jubiläums ihres Bestehens zum jährlich stattfindenden "Caring for Women"-Dinner ins Four Seasons Hotel. Ziel der Charity ist es, sich gegen Gewalt gegen Frauen stark zu machen. An diesem Abend sind prominente Persönlichkeiten wie Kim Kardashian, Isabelle Huppert, Oprah Winfrey und Linda Evangelista geladen. Sie tragen glamouröse Designerroben von zu Kering gehörenden Marken, von Gucci über Balenciaga bis Yves Saint Laurent. Nicole Kidman zeigt sich in einem fedrigen, eisblauen Schlauchkleid mit oberarmhohen Handschuhen. Kardashian und Huppert erscheinen in hochgeschlossenen, langärmeligen Paillettenkleidern, die bis zum Boden reichen. An diesem Abend ist den Damen in den schillernden Kreationen vor allem eins: ganz schön heiß! Der Grund: Wenn die Raumtemperaturen zwischen 19 und 26 Grad liegen, wird bei Kering nichts an der Temperatur verändert. Eine Klimaanlage nicht zu betätigen, mag wie eine Kleinigkeit wirken, sagte Marie-Claire Daveu, Kerings Chief Sustainability Officer, einmal einer Journalistin der BBC. Aber wenn es um Nachhaltigkeit gehe, müsse man lokal agieren, auch im eigenen Büro.
Der schleppende Wandel der Luxusbranche
In Zeiten, in denen die Luxusbranche immer stärker in Verruf gerät und in der Kritik steht, ihre Nachhaltigkeitsziele nicht stringent genug zu verfolgen, ist Kering nur einer der Konzerne, die dennoch versuchen, sich für die Umwelt – auch mithilfe eigener Stiftungen – zu engagieren. Handlungsbedarf ist vorhanden. Das Image der Industrie bröckelt. Im Sommer dieses Jahres entdeckte die italienische Polizei während einer Razzia eine Fabrik in der Nähe von Mailand, in der Migrant:innen unter Sweatshop-ähnlichen Bedingungen arbeiteten. Arbeiter:innen berichteten von extrem niedrigen Löhnen und überlangen Arbeitszeiten. Solche Vorfälle werfen ein Licht auf die Missstände in der Lieferkette der Luxusbranche, die den hohen ethischen Standards, die in den Werbebotschaften der Marken betont werden, oft widersprechen.

Gucci. Will ab 2025 nur noch metallfrei gegerbtes Leder verwenden © Gucci
Philanthropische Zwecke und Purpose-Washing
Die meisten großen Luxuskonzerne betreiben Stiftungen, um sich für die Umwelt und philanthropische Zwecke einzusetzen. Interessant ist, dass dieses Engagement selten groß publik gemacht wird. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Firmen kein Interesse haben, des Purpose-Washings beschuldigt zu werden, also den Verdacht zu erwecken, dass sie Gutes tun, um ihr Image aufzupolieren. Das dänische Modelabel Ganni gehört – wie Stella McCartney – zu den nachhaltigsten der Branche. Dennoch würde sich Ganni selbst nie so bezeichnen, schreibt CEO Nicolas Reffstrup in seinem Buch "The Ganni Playbook: How to Get Started Creating a Responsible Business". "In der Vergangenheit waren wir sehr vorsichtig, wenn wir unsere Bemühungen im Bereich Nachhaltigkeit kommuniziert haben." Es sollte nicht heißen, dass sie Greenwashing betreiben.

Ganni. Arbeitet mit Eco-Material-Innovationen © Ganni
Alles sauber: Chopards ethisches Gold
Ein weiterer Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit ist Chopard. Das traditionsreiche Schmuckunternehmen arbeitet seit 2018 für seine gesamte Uhren- und Schmuckproduktion nur mit ethischem Gold. Dieses Gold stammt zu 100 Prozent aus verantwortungsvollen Quellen. Goldabbau ist oft nicht nachhaltig, Menschen arbeiten unter unwürdigen Bedingungen, und sogar Kinderarbeit ist noch gang und gäbe.
»Das traditionsreiche Schmuckunternehmen Chopard arbeitet seit 2018 für seine gesamte Uhren- und Schmuckproduktion nur mit ethischem Gold.«
Als das französische Unternehmen ankündigte, von nun an nur noch mit ethischem Gold zu arbeiten, veranstaltete es eine Podiumsdiskussion zum Thema Nachhaltigkeit. Geladene Gäste wie Menschenrechtsanwältin Cherie Blair und Schauspielerin Julianne Moore diskutierten, wie Unternehmen die Ziele der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals) in ihre Geschäftsstrategien implementieren können.

Chopard. Nachhaltige Diamanten für verantwortungsvollen Luxus © Chopard
Luxusuhrenhersteller und ihre Stiftungen
Auch Cartier engagiert sich mit der Initiative „Cartier for Nature“ für den Schutz der Umwelt und ist aktives Mitglied im Responsible Jewellery Council, einem Gremium, das sich weltweit für die nachhaltige Beschaffung von Edelsteinen und -metallen einsetzt. Zudem arbeitet das Unternehmen mit Umwelt-NGOs zusammen, die sich auf den Erhalt von Wäldern und Meeren konzentrieren. Die Cartier-Philanthropy-Stiftung fördert soziale Gerechtigkeit, zum Beispiel durch den Aufbau von Wasserkiosken in Gemeinden in Kambodscha.
Umweltschonender Umgang mit Materialien hat Priorität
Auch der Luxusuhrenhersteller IWC Schaffhausen legt großen Wert auf nachhaltiges Handeln. Das Schweizer Unternehmen ist seit 2022 klimaneutral und verwendet Fairmined Gold sowie recycelte Materialien für Armbänder und Verpackungen. IWC Schaffhausen setzt sich für den Schutz der Umwelt ein und arbeitet eng mit Organisationen wie den Cousteau Divers zusammen, einer Non-Profit-Organisation, die von Pierre-Yves Cousteau, dem Sohn des berühmten Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau, gegründet wurde. Die Partnerschaft zielt auf den Schutz und die Erforschung der Ozeane ab.
Transparenz und Materialien der Zukunft
Trotz aller Bemühungen scheint es aktuell so, als seien die Bestrebungen in Richtung Nachhaltigkeit der Luxusbranche in den letzten Jahren ins Stocken geraten. Die Auswirkungen von COVID-19, politischen Unruhen und der Lebenshaltungskostenkrise haben dafür gesorgt, dass Nachhaltigkeitsziele bei manchen Unternehmen nicht mehr an erster Stelle stehen.
Der renommierte „What Fuels Fashion“-Report der Non-Profit-Bewegung Fashion Revolution hat 2024 die 250 größten Modefirmen hinsichtlich klimabezogener und energierelevanter Daten bewertet. Der Bericht kommt insgesamt zu ernüchternden Ergebnissen. Positiv wird allerdings Gucci bewertet, das zu den Marken gehört, die die meisten Fortschritte hinsichtlich ihrer Klimaziele gemacht haben. Gucci ist eines der wenigen Unternehmen, das den CO₂-Fußabdruck der eingesetzten Rohstoffe entlang der gesamten Lieferkette transparent auflistet und mit seiner Nachhaltigkeitsplattform Gucci Equilibrium neue Maßstäbe setzt. So experimentiert die Marke beispielsweise mit im Labor hergestelltem Leder, um den Einsatz tierischer Rohstoffe zu minimieren und umweltfreundliche Alternativen voranzubringen.
Pilzleder von Hermès, 3D-Druck bei Ganni
Auch Hermès, bekannt für luxuriöse Lederwaren und Pariser Savoir-faire, wird in diesem Zusammenhang gelobt. Denn auch Hermès engagiert sich für zukunftsweisende Materialien. Die Fondation d'entreprise Hermès setzt sich für den Schutz natürlicher Ressourcen und die Förderung nachhaltiger Handwerkskunst ein. Ein Beispiel ist eine Tasche aus laborgezüchtetem Mycelium, besser bekannt als Pilzleder, die 2021 in Zusammenarbeit mit dem Start-up MycoWorks entwickelt wurde.
Auch Ganni blickt in die Zukunft und hat 2019 die Initiative Fabrics of the Future ins Leben gerufen, die sich auf die Erforschung innovativer Materialien fokussiert. Auf der jüngsten Modenschau von Ganni in Paris wurden Kleidungsstücke aus sechs verschiedenen Materialinnovationen präsentiert. Dazu gehört auch Simplifyber™, ein Material aus natürlichen Quellen wie Holz und Papier, das durch den Einsatz von 3D-Druck geformt wird, was traditionelle Produktionsprozesse überflüssig macht.
Nur die Großen haben die Kraft zu transformieren
Nach Ganni folgte im Fashion-Week-Kalender Chanel. Das Modehaus setzt ebenfalls auf umweltfreundlichere Materialien und hat beispielsweise einen Hut aus Ananas-Leder in der Kollektion. Zudem arbeitet das Haus mit nachhaltigen Tweeds. Besonders innovativ ist Chanel im Beauty-Bereich, wo es seine erste umweltbewusste Make-up-Linie „N°1 de Chanel“ lanciert hat, mit Produkten, die zu 97 Prozent aus natürlichen Inhaltsstoffen bestehen.
Pierre-Yves Cousteau, Sohn des französischen Forschers Jacques-Yves Cousteau, will mit speziellen Sensoren und der Hilfe von IWC Schaffhausen die Ozeane schützen © IWC Schaffhausen
Zurück zur jüngsten Modenschau: Schwitzende Promis wie auf der Kering-Gala wurden beim Defilee für Frühjahr/Sommer 2025 von Chanel nicht gesichtet. Dafür aber Elvis-Presley-Enkelin Riley Keough auf einer gigantischen Schaukel in einem riesengroßen Vogelkäfig – in den Augen der Gründerin Coco Chanel ein Symbol für den Kampf um die Freiheit. Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden, sich für unseren Planeten zu engagieren. Doch eines ist auch klar: Nur die großen Konzerne haben die Macht, die Branche zu verändern. Die Stiftungen und Initiativen der Big Player sind ein Anfang. –
Mehr zum Thema Nachhaltigkeit finden Sie im neuen Nachhaltigkeits-Businessmagazin aehre auf www.aehre.media und in der neuen Ausgabe.
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