In diese heimischen Start-ups wurde 2023 am meisten investiert

| Redaktion 
| 03.01.2024

Mehr Jungunternehmen denn je zuvor haben frisches Kapital bekommen, insbesondere zwei Sektoren konnten viele Geldgeber:innen an Bord holen. Wien bleibt weiterhin der Start-up-Hotspot, gefolgt von der Steiermark und Oberösterreich.

Auch wenn die Boom-Jahre vorbei sind, verzeichnete die Start-up-Szene ein gutes Jahr 2023. Mit der Zinswende, der steigenden Inflation, einer Flaute bei Börsengängen und wachsenden geopolitischen Unsicherheiten hat sich das Marktumfeld im Vorjahr gedreht und weltweit gingen Bewertungen und damit auch Finanzierungsvolumina deutlich zurück. Zum Vergleich: In den Jahren 2021 und 2022 wurden weltweit Rekorde in Hinblick auf Start-up-Finanzierungen gebrochen. Insbesondere bei den Finanzierungsvolumina wurden in diesen beiden Boom-Jahren ziemlich beeindruckende Höhen aufgrund von starkem Wettbewerb auf Seite der Investor:innen und den dadurch sehr hohen Unternehmensbewertungen erreicht. Trotz des Rückgangs blickt die österreichische Start-up-Szene trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen ein gutes Jahr zurück.

Neue Bestmarke bei den Finanzierungsrunden

Laut den Ergebnissen des Start-up-Barometers Österreich von EY ist die Anzahl der Finanzierungsrunden für heimische Jungunternehme 2023 um 22 Prozent von 151 auf die neue Bestmarke von 184 gestiegen – damit hätten so viele heimische Start-ups wie noch nie innerhalb eines Jahres ein Investment lukriert, erläutert die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft. Der bisherige Höchstwert wurde 2020 markiert, als insgesamt 153 Abschlüsse gezählt worden waren. Gleichzeitig sank – wie weltweit überall zu beobachten – der Gesamtwert dieser Investitionen gegenüber 2022 deutlich um fast ein Drittel (32 Prozent) von rund einer Milliarde Euro auf ein Gesamtvolumen von 695 Millionen Euro. Gegenüber dem bisherigen Höchstwert aus 2021, als ein Gesamtvolumen von gut 1,23 Milliarden Euro realisiert worden war, bedeutet dies einen Rückgang um sogar 44 Prozent.

Dieser Rückgang sei allerdings vor allem auf die geringere Anzahl an Großdeals im Umfang von mehr als 100 Millionen Euro zurückzuführen: Diese trugen 2021 675 Millionen Euro bei und 2022 550 Millionen Euro. 2023 kam es zu keinem Abschluss in dieser Größenkategorie. Bei der Untersuchung von EY wurden Unternehmen mit Hauptsitz in Österreich, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt, berücksichtigt.

"Nach zwei Boom-Jahren mit neuen Bestmarken bei Finanzierungsvolumina und Bewertungen sieht man überall auf der Welt den Trend 'Back to the Old Normal'. Für die österreichische Start-up-Szene war 2023 trotz der schwierigen Rahmenbedingungen ein starkes Jahr, in dem mehr Unternehmen denn je zuvor frisches Kapital bekommen haben. Natürlich fallen darunter auch Überbrückungsfinanzierungen, um Liquidität zu sichern. Diese werden allerdings zumeist diskret mit Bestandsinvestor:innen durchgeführt, die Mehrheit der veröffentlichten Kapitalspritzen waren strategische Wachstumsrunden", sagt Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich.

Schwierige Situation für Start-ups auf Wachstumskurs hält an

Die Entwicklung des österreichischen Start-up-Ökosystems sei in Anbetracht der Rahmenbedingungen umso höher einzuschätzen, so Haas: "Österreich hat prinzipiell gute Voraussetzungen, um auch im internationalen Vergleich ein starker Start-up-Standort zu werden. Damit wir dort auch wirklich ankommen, muss vor allem an drei Hebeln gezogen werden: Unternehmer- und Gründertum fördern, bürokratische Hürden noch stärker abbauen und vor allem bessere Rahmenbedingungen für Investments von institutionellen und privaten Anleger:innen schaffen, beispielsweise über die Etablierung eines Dach-Fonds. So könnte auch das strukturelle Problem der Wachstumsfinanzierungen für Scale-ups made in Austria angegangen werden", erklärt Haas.

Gerade für Scale-ups sei die Zurückhaltung der Investor:innen in Kombination mit sinkenden Bewertungen, hoher Inflation und der Zinswende ein gefährlicher Cocktail, der sich 2024 fortsetzen werde. Österreich werde diesbezüglich heuer eine weitere Konsolidierung erleben, dazu gehörten auch Downrounds – also Finanzierungsrunden mit niedrigen Bewertungen als bei der letzten Runde –, Insolvenzen und Mergers bzw Asset Deals, bei denen Mitbewerber in Schieflage übernommen werden, so der EY Experte.

Wie sich das gesamte Start-up-Jahr 2024 wird, hänge demnach wesentlich von drei Fragen ab: Wird es wieder eine Zinswende geben? Öffnet sich das IPO-Fenster wieder nachhaltig? Und wie entwickelt sich die Stimmung der Investor:innen? Haas dazu: "Klar ist: Starke Founding Teams mit nachhaltigen Geschäftsmodellen und einem klaren Plan, wie Markt-Traction und Profitabilität erreicht werden können, werden auch in diesem Umfeld nach wie vor Finanzierungen bekommen."

Mehr Fokus auf Due Diligence und Performance

Für Start-ups sei in der aktuellen Finanzierungssituation laut Haas folgendes besonders wichtig: "Wir sehen aufgrund der veränderten Marktbedingungen wieder mehr Vorsicht auf Seiten der Investor:innen und deutlich mehr Fokus auf Due Diligence und genaue Prüfung der Geschäftsmodelle und Zahlen, auch weil der Wettbewerbsdruck um den Zuschlag bei Finanzierungsrunden zurückgegangen ist. Das ist gerade für Start-ups mit guter, durch Zahlen belegbarer Marktperformance und nachhaltigen Geschäftsmodellen und Skalierungs-Plänen eine Chance." Bei Investments seien die Themen Potenzial sowie 'Path to Profitability' weiterhin ausschlaggebend.

Mega-Runden blieben aus

Die Finanzierungsrunden wurden 2023 im Vergleich zu den beiden Vorjahren bedeutend kleiner. Das durchschnittliche Volumen der Deals, bei denen eine Summe veröffentlicht wurde, ging deutlich um rund die Hälfte (51 Prozent) von 8,92 Millionen Euro (2022) auf 4,35 Millionen Euro zurück. Im Rekordjahr 2021 lag das durchschnittliche Volumen getrieben von wenigen Mega-Runden bei rund zwölf Millionen Euro. Trotz mehr abgeschlossener Runden befinde man sich aktuell wieder auf dem Vor-Boom-Niveau im Jahr 2020 (4,5 Millionen Euro). Zurückzuführen sei das insbesondere auf einen deutlichen Anstieg bei Finanzierungen in der Frühphase bei gleichzeitigem Ausbleiben von Mega-Runden. Kein einziger Deal im Umfang von mehr als 100 Millionen Euro verzeichnet, 2022 gelang das GoStudent und TTTech Auto.

In allen Größenklassen von bis zu 50 Millionen Euro übertraf die Anzahl der Abschlüsse in 2023 jeweils deutlich die Deal-Anzahl des Vorjahres: Die Anzahl der Frühphasen-Finanzierungen bis zu einer Million Euro stieg deutlich um ein Fünftel von 84 auf 102. Bei den ersten Wachstumsrunden zwischen ein und zehn Millionen Euro gab es einen leichten Zuwachs um rund zwölf Prozent von 39 auf 44 und bei Runden zwischen zehn und 50 Millionen Euro gab es eine Verdoppelung von fünf auf zehn Runden. "Die Zeit des großen Risikos ist vorübergehend zu Ende, Investorengruppen finanzieren deutlich selektiver und mit weniger Kapitaleinsatz", deutet der Experte die Zahlen.

Die größten Finanzierungsrunden des Jahres

Die größte Finanzierungsrunde 2023 schloss das österreichisch-deutsche PropTech Gropyus mit rund 100 Millionen Euro ab. Dahinter folgen das Salzburger Logistik-Scale-up Myflexbox mit rund 75 Millionen Euro, die nachhaltige Online-Plattform Refurbed mit rund 54 Millionen Euro, das oberösterreichische CleanTech-Unternehmen neoom (zwei Runden mit insgesamt 41 Millionen Euro), sowie der Lieferketten-Spezialist Prewave. 

Die Start-up-Hotspots Österreichs

Von den Start-ups mit den zehn größten Finanzierungsrunden des Jahres haben sechs ihren Sitz in Wien, zwei in der Steiermark und je eines in Oberösterreich und Salzburg. Mit 104 Finanzierungsrunden vereinigten die Hauptstadt-Start-ups mehr als jede zweite hierzulande gezählte Finanzierungsrunde. Auf Rang zwei folgt in diesem Jahr die Steiermark, die mit 23 Finanzierungsrunden Oberösterreich überholt – dort gab es 17 Finanzierungsrunden.

Tech-Start-ups verzeichnen die meisten Deals

Auch heuer fiel der Löwenanteil der Finanzierungsrunden auf den Softwarebereich. Mit SaaS, Artificial Intelligence, Virtual Reality, Blockchain, Cloud, Cyber Security sowie Data Analytics umfasst dieser Bereich Start-ups mit neuen Technologien. Auch die Bereiche E-Commerce und Health auf den Rängen 2 und 3 verzeichneten jeweils deutlich mehr Finanzierungsrunden als im Vorjahr. Mit 64 Finanzierungsrunden liegt die Software-Branche deutlich vor E-Commerce-Unternehmen und Health-Start-ups.

Zwei Branchen brachten es 2023 auf Risikokapitalzuflüsse von jeweils mehr als 100 Millionen Euro: Start-ups aus dem Bereich Software & Analytics sammelten insgesamt 144 Millionen Euro ein, der Bereich ConstructionTech/Green Building konnte aufgrund der 100-Millionen-Euro-Runde für Gropyus 101 Millionen Euro auf sich vereinen. Darüber hinaus erhielten drei Sektoren jeweils mehr als 90 Millionen Euro: Mobility, E-Commerce und Education.

Mehr Geld für Start-ups im Bereich Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen, was sich nun auch in den Zahlen widerspiegelt. 2023 gingen immerhin 36 der insgesamt 184 registrierten Finanzierungsrunden an Start-ups, deren Geschäftsmodell unmittelbar auf Lösungen zum Thema Nachhaltigkeit und Kampf gegen den Klimawandel ausgerichtet ist, was einer Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Das Gesamtvolumen der Finanzierungsrunden im Jahr 2023, an denen Start-ups mit Nachhaltigkeits-Fokus beteiligt waren, belief sich auf 175 Millionen Euro – das ist ein Zuwachs von 465 Prozent gegenüber dem Vorjahr. "In Österreich will nach eigenen Angaben knapp ein Drittel der Start-ups Lösungen für die ökologische Transformation, den Kampf gegen den Klimawandel, die Dekarbonisierung oder Kreislaufwirtschaft bieten. Der Nährboden in Österreich für Green-Innovation-Start-ups ist sehr gut. 2023 schlägt sich das erstmals auch deutlich in den Zahlen nieder", so Haas. Er geht von einer Fortsetzung dieser Entwicklung in den kommenden Jahren aus. 

www.ey.com

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