ORF-Gesetz teils verfassungswidrig: So reagieren Politik und Medienbranche

| Christoph Aufreiter 
| 10.10.2023

Der VfGH hat am Dienstag über die Zusammensetzung der höchsten Gremien des Öffentlich-Rechtlichen entschieden und die Regelung für verfassungswidrig befunden. Als problematisch wird vor allem der übermäßige Einfluss der Regierung auf die Besetzung bewertet.

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann hatte zuletzt bei der Programmpräsentation im Rahmen der ORF-Awards (LEADERSNET berichtete) vermutlich bessere Laune. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ortet "Verstöße gegen das Unabhängigkeits- und Pluralismusgebot" nach dem Bundesverfassungsgesetz (BVG) Rundfunk. Das geht aus einem Spruch des Höchstgerichts hervor, der am Dienstag veröffentlicht wurde, nachdem vor einigen Wochen eine Verfassungsklage eingereicht wurde (LEADERSNET berichtete).

"Übermäßiger Einfluss"

Der VfGH hat demnach einzelne Bestimmungen des ORF-Gesetzes (LEADERSNET berichtete) über die Bestellung und die Zusammensetzung des Stiftungsrats und des Publikumsrats als verfassungswidrig aufgehoben.

Als problematisch bewertet er vor allem den übermäßigen Einfluss der Regierung auf die Besetzung der ORF-Gremien. Denn die Unabhängigkeitsgarantie im BVG Rundfunk beziehe sich nicht nur auf die Arbeit der Organe, sondern auch auf das Organ selbst, wie die Höchstrichter:innen in ihrer Erkenntnis festhalten.

Die verfassungswidrigen Bestimmungen treten mit Ablauf des 31. März 2025 außer Kraft. Bis dahin hat der Gesetzgeber Zeit, eine Neuregelung zu treffen. 

"Unverzüglich Arbeit aufnehmen"

Die erste politische Reaktion aus der Koalition kam von den Grünen. Mediensprecherin Eva Blimlinger kündigte an, dass sie das Erkenntnis des VfGH als Auftrag an die aktuelle Bundesregierung verstehe "unverzüglich die Arbeit an einer Gremienreform im ORF aufzunehmen". Die Umsetzungsfrist bis März 2025 bedeute, "dass noch die aktuelle Regierung dieses Vorhaben umsetzen muss, damit es zeitgerecht dem Parlament zugeleitet werden kann". Auch Klubobfrau Sigi Maurer meldete sich auf der Kurznachrichtenplattform X (vormals Twitter) zu Wort.

Für die Neos ist klar, dass die Arbeit sofort beginnen müsse. "Wie können wir sicherstellen, dass der ORF wirklich vom parteipolitische Gängelband befreit wird? Durch eine Gremienreform. Und dann müssen wir uns der Frage stellen, wie man das nachhaltig Finanzieren kann", so Beate Meinl-Reisinger, Vorsitzende der Neos.

FPÖ-Chef Herbert Kickl fordert angesichts des Urteils einmal mehr die Abschaffung der Haushaltsabgabe und eine Totalreform des ORF.

Reaktionen aus der Medienbranche

"Der ORF gehört allen Österreicher:innen und nicht einer Regierungspartei", heißt es aus der SPÖ. Es brauche eine rasche Reform der Gremien hin zu mehr Vielfalt.

Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) sieht im heutigen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) eine eindeutige Bestätigung seines Fünf-Punkte-Programms zum ORF. "Eine Gremienreform sowie die Entpolitisierung und Verkleinerung des Stiftungsrates ist eine der Kernforderungen unseres Fünf-Punkte-Programms, das wir bereits im Mai vorgelegt haben", sagt VÖZ-Präsident Markus Mair in einer ersten Reaktion auf das VfGH-Erkenntnis.

In dasselbe Horn bläst auch der Presseclub Concordia: "Die erforderliche Neuregelung des ORF-Gesetzes sollte zur umfassenden Sicherung der Unabhängigkeit des ORF genutzt werden", heißt es in einer Aussendung.

 Auch der ehemalige Generaldirektor des ORF und Weißmann-Vorgänger, Alexander Wrabetz, nutzte X um sich zu Wort zu melden.

Der Initiator der Klage war übrigens der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Dieser sieht einen Sieg der Demokratie und eine Chance für die Medienlandschaft. Er sieht sich in seiner Forderung nach einer deutlichen Entpolitisierung des Unternehmens gestärkt. 

www.orf.at

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