Regierung hat das neue ORF-Gesetz beschlossen

| Tobias Seifried 
| 05.07.2023

Bei den privaten Medien kommt die Novelle gar nicht gut an. Die Finanzierung erfolgt künftig über eine Haushaltsabgabe, die deutlich mehr Menschen betrifft als die bisherige GIS. Generaldirektor Weißmann kündigte deshalb einen "ORF für alle" an, der auch jenen ein passendes Angebot bieten soll, die dem Unternehmen kritisch gegenüberstehen.

Die Regierung hat am Mittwoch im Nationalrat ihr durchaus umstrittenes ORF-Reformpaket beschlossen. Das neue Gesetz beinhaltet u.a. die Umwandlung der GIS-Gebühr in eine Haushaltsabgabe sowie eine Ausweitung des digitalen Angebots des ORF. So darf der Sender künftig etwa reine Online-Angebote bereitstellen. Gleichzeitig wird die Abrufdauer von Sendungen in der Mediathek verlängert.

Einschränkungen

Im Gegenzug gibt es eine Reduktion der Textmeldungen auf der "blauen Seite" (orf.at) und stärkere Werbebeschränkungen im Radio- und im Online-Bereich. Außerdem wird das öffentlich rechtliche Medienunternehmen zu Sparmaßnahmen (rund 300 Millionen Euro), etwa beim Personal, und zu mehr Transparenz verpflichtet. Ebenso ist der ORF angehalten, stärker mit Privatsendern zu kooperieren, sofern diese das wünschen. Sowohl der Spartensender Sport+ als auch das Radiosymphonieorchester sollen bis zumindest Ende 2026 erhalten bleiben. Dafür schießt die Regierung einige Millionen an Steuergeld zu.

Haushaltsabgabe

Die Höhe der neuen neuen Haushaltsabgabe wird für die Jahre 2024 bis 2026 mit monatlich 15,30 Euro festgeschrieben. Damit liegt sie zwar unter der derzeitigen GIS-Gebühr von 18,59 Euro, dafür sind rund 400.000 Haushalte mehr von der Abgabe betroffen. Zudem kommt bei sechs von neun Bundesländern eine Landesabgabe hinzu. Pro Jahr macht die Haushaltsabgabe folgende Summen aus:

  • Kärnten: 244,80 Euro
  • Salzburg: 240 Euro
  • Steiermark: 240 Euro
  • Burgenland: 238,68 Euro
  • Wien: 236,52 Euro
  • Tirol: 220,32 Euro
  • Niederösterreich: 183,60 Euro
  • Oberösterreich: 183,60 Euro
  • Vorarlberg: 183,60 Euro

Laut dem Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) werden dem ORF somit in den ersten drei Jahren Beitragseinnahmen von 720 Millionen Euro jährlich plus Steuervorteile im Wert von 70 bis 90 Millionen Euro garantiert.

"ORF für alle"

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann sagte zur Umwandlung der GIS in eine Haushaltsabgabe im Rahmen der letzten Plenarsitzung des Stiftungsrates: "Ein 'ORF für alle' ist das Leitthema der ORF-Unternehmensstrategie der kommenden Jahre. Der ORF erreicht schon heute mehr als 90 Prozent des Publikums. Die nachhaltige Neuregelung der ORF-Finanzierung durch die Allgemeinheit ist für den ORF aber auch eine Verpflichtung, noch mehr Anstrengungen zu unternehmen, damit er tatsächlich auch allen Österreicher:innen ein relevantes Programmangebot machen kann. Auch jenen, die dem ORF gegenüber kritisch eingestellt sind. Dies müssen wir vor dem Hintergrund einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage leisten." 

Harsche Kritik von privaten Medienunternehmen

Bei den privaten Medienunternehmen kommt das neue ORF-Gesetz alles andere als gut an. Für Markus Mair, Vorstandsvorsitzender der Styria Media Group und Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ), setze es das heimische duale Mediensystem leichtfertig aufs Spiel. Laut Mair sei es bedauerlich, dass die politisch Verantwortlichen nicht dazu bereit waren, die gesamte österreichische Medienlandschaft im Auge zu behalten und für einen fairen Interessenausgleich zu sorgen. "Dieses ORF-Maßnahmenpaket erscheint uns völlig unverhältnismäßig: Der Gestaltungs- und Finanzierungsrahmen des Marktführers wird sogar noch erweitert, während die Situation der anderen Marktteilnehmer außer Acht gelassen wird." Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Beschränkung der Zeitungsähnlichkeit des ORF-Digitalangebots seien nicht ausreichend, so der VÖZ-Präsident.

Ähnlich sieht es der Verband Österreichischer Privatsender (VÖP), der sich kurz nach dem Beschluss des ORF-Gesetzes äußerte: "Die Beschlussfassung schädigt in erster Linie österreichische TV- und Radioanbieter, aber auch Zeitungen und Online-Medienangebote, die ihre Inhalte – trotz des Drucks von Google, Facebook und Co – in Zukunft nun auch gegen den verstärkten Angebotsdruck des ORF online refinanzieren sollen. Es ist zu befürchten, dass private Medienanbieter wirtschaftliche Einschnitte vornehmen werden müssen", heißt es in einer Aussendung.

Besonders enttäuschend sei, dass die öffentliche Zusage der Bundesregierung, die Werbeflächen in den ORF-Kanälen im Werbegegenwert von 25 bis 30 Millionen Euro einzuschränken, nicht halten werde. Diese Maßnahme sei als kleiner, wirtschaftlich spürbarer Ausgleich für Privatsender gedacht gewesen, um den zusätzlichen Druck durch die neuen und erweiterten ORF-Angebote am österreichischen Markt etwas abzufedern. Die nun vorgesehenen Werbebeschränkungen würden dieses Ziel jedoch weit verfehlen, so der VÖP.

Opposition schäumt

Von der Opposition gibt es ebenfalls wenig bis keine Zustimmung. Sie kritisierte unter anderem, dass die Reform nicht für eine Stärkung der Unabhängigkeit des ORF genutzt werde. 

Die beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne ließen sich von der Kritik nicht beeinflussen, und haben das neue ORF-Gesetz am Mittwoch in einer der letzten Parlamentssitzungen vor der Sommerpause beschlossen.

www.parlament.gv.at

www.orf.at

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