LEADERSNET: Können Sie uns die BIG und ihre Tochter ARE kurz vorstellen? Was sind die Aufgaben und wo liegen die jeweiligen Schwerpunkte?
Weiss: Die BIG ist Expertin für Bildungsbauten – Universitäten, Schulen und Sicherheitsimmobilien, da liegt unsere Kernkompetenz. Wir begleiten Immobilien von der ersten Idee, der Planung über die Errichtung bis hin zur Betriebsführung. Rund zwei Drittel der Portfolioflächen der BIG entfallen auf Schul- und Universitätsgebäude. Die Bandbreite reicht dabei von Gebäuden mit Grundmauern aus dem 12. Jahrhundert bis hin zu Neubauten aus dem 21. Jahrhundert. Dementsprechend haben wir uns im Umgang mit diesen unterschiedlichen Gebäuden und Gebäudestrukturen über die Jahre eine umfassende Expertise angeeignet. Mit unseren Gebäuden prägen wir ein gutes Stück österreichischer Baukultur. In der ARE Austrian Real Estate liegt der Fokus auf Bürogebäuden und in einem untergeordneten Ausmaß auch im freifinanzierten Wohnbau.
LEADERSNET: Was erwartet sich die Eigentümerin Republik Österreich von beiden Unternehmen?
Weiss: Eigentümerin der BIG ist die Österreichische Beteiligungs AG ÖBAG. Die Ziele und Erwartungen an den BIG Konzern sind ganz klar: Unser Auftrag ist es, unsere Liegenschaften bestmöglich zu bewirtschaften. Dabei haben wir ein kontinuierliches, nachhaltiges Wachstum zu erzielen.
LEADERSNET: Der Gebäudesektor gehört zu den stärksten CO2 Emittenten und der Handlungsdruck auf die Immobilienbranche erhöht sich zunehmend – wie geht die BIG damit um?
Weiss: Wir arbeiten als Konzern schon seit Jahren daran, aus den fossilen Brennstoffen Erdöl und Erdgas auszusteigen. Bis 2025 wollen wir diese Entwicklung abgeschlossen haben. In den wenigen Fällen, wo kein unmittelbarer Ausstieg möglich ist, bereiten wir ein Konzept für den Umstieg vor. Aktuell beträgt der Anteil der fossilen Brennstoffe im Konzern rund 19 Prozent, dabei handelt es sich größtenteils um Erdgas. Die Immobilienbranche hat einen großen Einfluss auf die global angestrebte Verringerung des Energieverbrauchs und klar ist auch, dass es neue Lösungen zur Energieoptimierung braucht. Deshalb haben wir uns im vergangenen Jahr am Start-up Ampeers Energy beteiligt und überprüfen systematisch das Optimierungspotenzial unseres Portfolios. Ampeers Energy ist ein Spin-off des deutschen Fraunhofer Instituts und entwickelt Softwarelösungen zur Dekarbonisierung von Immobilien.
LEADERSNET: Gibt es hier schon konkrete Projekte?
Weiss: Eines unser ersten konkreten Umsetzungsprojekte ist das "Village im Dritten". Ein Stadtentwicklungsprojekt der ARE, für das wir mit Technologien von Ampeers Energy und in Kooperation mit Wien Energie ein völlig neues Energiekonzept erarbeiten. Im Fokus steht die Nutzung von lokal vorhandenen, erneuerbaren und klimafreundlichen Ressourcen. So viel Energie wie möglich soll direkt vor Ort produziert werden. Im VILLAGE IM DRITTEN werden dafür sehr große Photovoltaikanlagen mit 1.900 Kilowatt-Peak-Leistung errichtet. Zusätzlich ermöglichen 500 Tiefensonden die Nutzung von Erdwärme und die Speicherung von Abwärme. Durch die Tiefensonden entsteht außerdem die Möglichkeit zur Temperierung, also zur moderaten Abkühlung sämtlicher Wohnungen, und sie beugen städtischen Hitzeinseln vor. Auch wenn es noch nicht möglich ist, zu 100 Prozent CO2-neutral zu sein – hier setzen ARE und Wien Energie jedenfalls einen bedeutenden Schritt in diese Richtung.
LEADERSNET: Wo werden Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei Ihren Immobilien sichtbar?
Weiss: Bei unseren Holzbauten, etwa jenen der Universität für Bodenkultur, erkennt man klimafreundliches Bauen schon von außen. Im Wohnbausegment der ARE haben wir im Stadtquartier "Wildgarten" 10 Holzhäuser, die 53 Wohneinheiten bieten, errichtet. Mittlerweile hat der BIG Konzern eines der größten Holzbau-Portfolios in Österreich und darüber hinaus. Bei den großen Stahlbetonbauten wie dem
Med Campus Graz spielt sich dafür oft viel unter der Erde ab – mit Geothermie-Sonden, die hundert Meter unter der Erde installiert wurden und die Erdwärme nutzbar machen. Die Palette an klimaschonenden Maßnahmen wird breiter aber es gilt auch, die vielfältigen Möglichkeiten so umzusetzen, dass wir die Balance halten zwischen dem Einsatz von modernen Technologien, die im Bau teilweise durchaus aufwendig sind, und Miet- und Kaufpreisen, die dem Markt entsprechen.
LEADERSNET: Wie kann der Gebäudebestand nachhaltig gestaltet werden? Ist das bei alten Gebäuden technisch überhaupt möglich bzw. wirtschaftlich vertretbar?
Weiss: Im Portfolio des BIG Konzerns befinden sich über 350 denkmalgeschützte Gebäude, flächenmäßig entspricht das in etwa einem Viertel unserer vermietbaren Fläche. Allein an dieser Größenordnung erkennet man, dass historische Gebäude für die BIG einen besonders hohen Stellenwert haben. Alte Gebäude zu erhalten verhindert neue Bodenversiegelung, erhält bereits gebundene Rohstoffe und schont Ressourcen. Denkmalgeschützte Gebäude können mit gezielten Maßnahmen energieeffizienter gemacht werden. Der sommerlichen Überhitzung kann etwa mit automatisiertem Sonnenschutz, Isolierglas, Entlüftungssystemen und Dämmungen entgegengewirkt werden. Denkmalschutz ist ein ganz wesentlicher Faktor für den Klimaschutz.
LEADERSNET: Wo ist Ihnen dies bereits gelungen?
Weiss: Es ist uns wichtig, Verantwortung für die historischen Bauten in unserem Bestand und damit für die Baukultur des Landes zu übernehmen. Die Bedeutung von Sanierungen historischer Gebäude zur Unterbringung zeitgemäßer Nutzungsformen ist auch aus der Perspektive einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Immobilienportfolios von größter Bedeutung. Die möglichst lange Nutzung von Gebäuden ist gelebter, ressourcenschonender Umwelt- und Klimaschutz. Ein ganz aktuelles Beispiel ist der kürzlich eröffnete generalsanierte Campus Akademie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Hier wurde einer der ältesten Universitätsstandorte Österreichs in einen modernen Standort für Wissenschaft und Forschung transformiert und gleichzeitig für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Weitere Beispiele sind das Justizgebäude in Salzburg, die Akademie der bildenden Künste von Theophil Hansen oder das Hauptgebäude der Universität Wien von Heinrich Ferstel. Wir wollen, dass diese besonderen Objekte adäquat genutzt werden. Die Menschen, die dort ein- und ausgehen, sollen zeitgemäße Arbeitsplätze, Unterrichtsräume, Hörsäle und Lebensräume vorfinden.
LEADERSNET: Welche Bedeutung hat Holz in Ihren Bauwerken, bei Bestandsobjekten und bei Neubauten?
Weiss: Holz ist eine faszinierende Ressource und ein attraktiver Baustoff mit einer Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten. Hinzu kommt, dass Österreich eine jahrhundertelange Tradition im Holzbau hat und damit verbunden international für seine Expertise und sein Know-How in diesem Bereich anerkannt und geschätzt wird. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass fast die Hälfte der Staatsfläche von Österreich mit Wald bedeckt ist. Ich gehe soweit zu sagen, dass der Holzbau ein Teil der österreichischen Identität und Teil unserer reichen Baukultur ist. Im Portfolio der BIG befinden sich zahlreiche Holz- bzw. Holzhybridbauten. Holz mit seinen vielen positiven Eigenschaften wird sowohl von uns als Bauherrn als auch – und das ist noch viel wichtiger – mehr und mehr auch von den Nutzern der Gebäude nachgefragt und geschätzt.
Das Ilse Wallentin Haus © Hannes Buchinger
LEADERSNET: Wird der Holzbauanteil bei Ihnen in Zukunft eine größere Rolle spielen? Wenn ja, welchen Anteil könnten Sie sich vorstellen?
Weiss: In den vergangenen Jahren haben wir wegweisende Bauten, wie das Ilse Wallentin Haus an der BOKU aber auch ein Laborgebäude in Tulln und das Open Innovation Center in Linz an der Johannes-Kepler-Universität in Holzbauweise errichtet. Ganz aktuell hat sich im Rahmen eines Wettbewerbs für ein Unigebäude in Klagenfurt ebenfalls ein Holzbau durchgesetzt, der das Potenzial hat, ein architektonisches Highlight in unserem Portfolio zu werden. Außerdem haben wir in unserem Portfolio eine Vielzahl von Schulen in Holzbauweise umgesetzt, die ARE hat aktuell ein Wohnhausprojekt im Süden von Wien in Bau. Insgesamt haben wir ein Dutzend Projekte in Holzbau oder Holzhybridbau in Umsetzung oder Vorbereitung.
LEADERSNET: Wie stehen Sie generell zur Frage der Hochhäuser, könnte es auch von BIG oder ARE in absehbarer Zeit ein Hochhaus in Holzbauweise – Stichwort HoHo – geben?
Weiss: Unsere beiden Landmarks TrIIIple und Vienna TwentyTwo mit über hundert Metern Höhe und mehr als 30 Stockwerken haben wir bekanntlich – noch – nicht in Holzbau errichtet. Nein, im Ernst, der Vorteil von Hochhäusern im urbanen Bereich liegt im geringeren Flächenverbrauch. In den vergangenen Jahren hat sich einiges getan in Hinblick auf Genehmigungsfähigkeit von Holzbauprojekten. Die möglichen Geschosshöhen wurden beispielsweise nach oben angepasst, gleichzeitig gibt es sicher noch Potenzial. (ca)
www.big.at
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