Warum Sie mit Purpose allein den "War for Talent" nicht gewinnen

Gastkommentar von Petra Hauser, Geschäftsführerin von Brainbirds Österreich.

Der Fachkräftemangel in Österreich belastet die Großen genauso wie den Mittelstand: Neben Lieferkettenproblemen und stark steigenden Energiepreisen stellt er aktuell die größte Sorge von Führungskräften dar. In vielen Branchen führt er österreichweit bereits zu teils enormen Umsatzeinbußen und hindert das Heben von Wachstumspotenzialen. Laut einer aktuellen Studie von EY geben 83 Prozent der 600 österreichweit befragten Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeitenden an, bei der Suche nach Fachkräften Schwierigkeiten zu haben. Sie können sich im regelrechten "War for Talent" auf dem Markt immer schlechter behaupten.

 Als Antwort auf diese Schwierigkeiten begeben sich Unternehmen heute oft auf die Sinnsuche: "Purpose-Workshops" stehen hoch im Kurs. Der Begriff "Purpose" hat sich in der Wirtschaftswelt zu dem Buzzword schlechthin entwickelt. Junge Talente, so das vielfach formulierte Argument, möchten heute mit ihrer Arbeit einen echten Wertbeitrag leisten. Sie suchen einen höheren Sinn in ihrer Arbeit. Wollen wir also attraktiver für Fachkräfte werden, so führt kein Weg vorbei an der Definition eines authentischen Unternehmenszwecks, einer echten "Daseinsberechtigung".  In unserer von Komplexität und ständigem Wandel geprägten Welt gilt es zu bestimmen, für welche Werte wir weiterhin stehen. Dabei müssen Unternehmen den Talenten nicht zuletzt zeigen und kommunizieren, dass ihr Geschäftsmodell nachhaltig zukunftsfähig bleiben kann. Und genau hier geht es ans Eingemachte. Bunte Folien, so inhaltsreich sie auch sein mögen, reichen bei weitem nicht aus.

 Die große Frage, die sich stellt, lautet: Wie setze ich meinen Purpose nachvollziehbar für Talente, die ich gewinnen will, und natürlich für alle bestehenden Mitarbeitenden in Strategien und Ziele um? Wie mache ich Purpose messbar und gebe damit Talenten auch die Möglichkeit, ihre Wirksamkeit zu erfahren und zu beweisen?

Die Steuerung des Unternehmens zieht nicht nach

Eine Antwort auf diese Frage fehlt vielerorts. Der Purpose ist geklärt, doch die Steuerung des Unternehmens zieht nicht nach.

Warum? Zum einen lassen es die klassisch aufgesetzten Wasserfallstrukturen und -prozesse kaum zu, dass strategische und Planungsprozesse des Unternehmens an den Purpose gekoppelt werden können. Auch fehlen in den Teams oft das Verständnis und/oder die Methoden, um sich über den eigenen Beitrag zum Unternehmenszweck klar zu werden. Umsetzungsprojekte versanden, da Einzelne diesen vielleicht gar nicht genau kennen oder aufgrund rigider Hierarchien kaum selbstständig Entscheidungen treffen können. Die Steuerung läuft ab wie früher: von oben herab werden Strategien mit großem Vorlauf vorgegeben, die Ergebnisse auf Basis von Fünfjahresplänen quartalsweise überprüft. In Zeiten teils radikaler Umschwünge besitzen solche Pläne immer weniger Aussagefähigkeit, als unterjähriges Steuerungsinstrument haben sie nie gedient.

 Doch genau die ist gefragt, wenn der Unternehmenserfolg von einem schnellen Reagieren auf Faktoren der Außenwelt und sich ändernde Bedürfnisse und Ansprüche von Kund:innen und Nutzer:innen abhängt. Performance-Orientierung in der Welt von heute bedeutet daher die Notwendigkeit einer agileren Steuerung. Diese muss an Purpose, Mission, Vision und Mittelfristzielen ausgerichtet und dabei für die einzelnen Teams konkret und partizipativ sein.

 Gerade auch mit Blick auf das Gewinnen und Halten von Fachkräften ist dies enorm wichtig. Denn um motiviert zu bleiben, brauchen Talente das Erlebnis von Transparenz, Mitsprache und Mitgestaltung. Nichts ist für qualifizierte Mitarbeitende und Teams frustrierender, als eine klaffende Diskrepanz zu erleben – zwischen Idealen, Werten und Zielen auf der einen Seite und einer davon entkoppelten Realität des Unternehmens auf der anderen, oft geprägt von fehlender Anpassung an veränderte Marktbedingungen und daraus resultierend einem drohenden Verlust der Marktposition.

Das Schlimmste daran? Diese Situation selbst nicht beeinflussen zu können. Es ist klar, dass auch für das Unternehmen auf diese Weise enormes Potenzial verloren geht, da es die individuellen Fähigkeiten und Talente der Mitarbeitenden nicht richtig einbindet und nutzt.

Die gute Nachricht

Was ist nun aber eine moderne und adäquate Form der Unternehmenssteuerung? Die gute Nachricht: Sie muss nicht erfunden werden, es gibt sie schon. Und immer mehr Unternehmen machen sich dafür fit, nicht nur in den USA oder beim großen Nachbarn, auch in Österreich werden es täglich mehr. OKR nennt sie sich, das steht für Objectives & Key Results.

Ein großer Unterschied der OKR-Methode zur klassischen Steuerung ist, dass sie zwar die Richtung vorgibt, dann jedoch bereit ist, Autorität an die ausführenden Einheiten wie z.B. funktionale oder regionale Units oder auch crossfunktional arbeitende Projektteams abzugeben. Diese können entsprechend des OKR-Frameworks auf Basis ihrer eigenen Expertise und Einschätzung, d.h. "bottom-up", und abgestimmt mit der Führung Objectives (Quartalsziele) mit handfesten Key Results (quantitativ messbaren Ergebnissen) definieren. So legen sie selbst jedes Quartal die konkreten Teilziele und Maßnahmen fest, die auf die mittelfristigen Ziele des Unternehmens, die sogenannten MOALS (Mid-term Goals) einzahlen. Damit wird die Arbeit für die Mitarbeitenden spannend und erfüllend, denn sie übernehmen Eigenverantwortung und können ihre Fähigkeiten aktiv einbringen. Dies bindet sie langfristiger an das Unternehmen.

Mit kollaborativen Tools wie Miro erfolgt das Herunterbrechen vom Purpose über MOALS hin zu Objectives und Key Results auch visuell, transparent und jederzeit nachvollziehbar.

Selbstverständlich obliegt der Führung im Unternehmen in diesem Rahmen auch die Aufgabe, sich selbst und die Mitarbeitenden entsprechend zu empowern und durch Schulung auf dieses andere Arbeiten und Steuern vorzubereiten. Dass dies mehr und mehr Unternehmen verstehen, sehen wir bei Brainbirds im Rahmen der steigenden Nachfrage an Fortbildungen zu OKR als Methode und Framework sowie zu anderen agilen Arbeitsmethoden.

Veränderung im Mindset
 
Unsere Erfahrung über viele Branchen hinweg zeigt: Ohne eine Veränderung im Mindset weg von hierarchischem Denken und Agieren hin zu mehr Empowerment der Mitarbeitenden kann und wird die Einführung der Methode ihre agile, steuernde Wirkung nicht entfalten.

Sie nicht oder nicht nachhaltig anzuwenden, in starren Führungsprinzipien zu verharren heißt, ein Unternehmen in unserer heutigen Zeit nicht angemessen zu steuern, was gleichzeitig bedeutet, den Erfolg nicht aktiv zu beeinflussen. Erfolg ist dann im besten Falle Zufall – im schlechtesten Falle unmöglich!

www.brainbirds.com


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