Das ist der beste Krisenmanager in der Kategorie "Interessensvertretung"

Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, im Interview mit LEADERSNET über das Sichern von unternehmerischen Existenzen während der Pandemie, Digitalisierung des Handels und 24 Monate Krisenmodus. 

LEADERSNET: 30.000 Votes wurden Ende vergangenen Jahres bei der Wahl zu den LEADERSNET Krisenmanager:innen 2021 abgegeben. Sie belegen in der Kategorie "Interessenvertreter" den ersten Platz. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?

Will: Die Auszeichnung macht mich sehr stolz, da ich nicht damit gerechnet habe. Sie gilt auch meinem tollen Team. Krisenmanager 2021 zu sein, ist eine großartige Wertschätzung der Anstrengungen. Viele Menschen haben die Arbeit des Handelsverbandes – als freie, überparteiliche und unabhängige Interessenvertretung – in der Corona-Pandemie positiv wahrgenommen und offenbar haben viele Händler:innen fleißig abgestimmt, worüber ich mich persönlich sehr freue. Der Handelsverband ist die "Schlechtwetterversicherung" für die Branche und hat die Handelsbetriebe durch die harten Monate und mittlerweile Jahre begleitet. Viele Menschen haben den Unterschied zwischen Wirtschaftskammer und Handelsverband nicht gekannt, das hat sich massiv verändert. Herzlichen Dank an alle, die uns in den letzten Monaten ihr Vertrauen geschenkt haben und dann auch bei LEADERSNET für mich gevotet haben.

LEADERSNET: Nach wie vor stellt die Corona-Pandemie den Handel vor bisher ungeahnte Herausforderungen. Wie begegnen Sie diesen?

Will: Verständnis der Branche, gute Intuition und wissenschaftliches Fundament sind wichtige Begleiter, wenn es um den Umgang mit dem Unplanbaren geht. Als Geschäftsführer des Handelsverbandes ist der laufende Austausch mit den Händler:innen entscheidend, um zu verstehen, welche Schritte und Maßnahmen es sofort braucht, um "Feuer zu löschen", damit unternehmerische Existenzen gesichert und damit Arbeitsplätze gerettet werden können. Der Dialog mit der Politik ist ebenso wichtig, damit ein nachhaltiges Verständnis für die Branche hergestellt und auch kurzfristig Eingriffe abgewendet oder zumindest gelindere und verhältnismäßigere Mittel in der Pandemiebekämpfung ausverhandelt werden können. Es bringt nichts, nur zu jammern oder ausschließlich der Politik die Schuld zu geben. Wir setzen lieber auf konstruktive Lösungsvorschläge, auf Positivanreize statt Strafen und auf Tempo bei der Umsetzung. Jede:r Einzelne hat es selbst in der Hand, sich zu Wort zu melden und für unsere Kinder zu einer besseren Zukunft beizutragen.

LEADERSNET: Ist die Auszeichnung auch ein Ansporn für weitere Höchstleistungen?

Will: Der größte Ansporn ist das Vertrauen, die Loyalität und Dankbarkeit der Unternehmer:innen. Es wird weitere Höchstleistungen brauchen, denn die Nachwirkungen der bisherigen Verwerfungen werden uns noch lange begleiten. Denken wir nur an die Inflation, die Beschaffungsengpässe und den Arbeitskräftemangel. Als überparteiliche und politisch unabhängige Organisation werden wir weiterhin Klartext sprechen und Kritikpunkte benennen. Wir müssen eine strategische Reformagenda umsetzen, die den Kosten- und Bürokratiedruck auf die mutigen Unternehmen reduziert. Es braucht Lohnnebenkostensenkungen, denn nach Frankreich und Schweden zahlen Firmen in Österreich den höchsten Anteil an lohnbezogenen Abgaben, weshalb den Menschen im Land zu wenig Netto vom hart erarbeiteten Brutto bleibt. Jede dreiköpfige Familie finanziert quasi eine:n Funktionär:in mit, daher braucht es ein Ende des Postenschachers und eine Kostenbremse bei Kammern. Die Auszeichnung zum "Krisenmanager des Jahres" gibt mir Kraft, den Weg fortzusetzen. Wir werden auch 2022 volle Kraft für den österreichischen Handel und die Gesellschaft unseres Landes geben.

LEADERSNET: Wodurch hat sich das zweite Coronajahr vom ersten unterschieden?

Will: Wir befinden uns mittlerweile fast 24 Monate im Krisenmodus. Nachdem der Handelsverband im Frühsommer 2021 positive Anreize zur Steigerung der Durchimpfungsrate vorgeschlagen hat und eine mehrsprachige Bewusstseinskampagne ohne öffentliche Mittel in einer Zeit umgesetzt hat, in der kaum jemand mit einem Comeback des Virus gerechnet hat, finden wir mittlerweile noch stärker Gehör. Generell war die erste Welle von einem starken Regionalpatriotismus gekennzeichnet und auch aus virologischer Sicht mit unfassbar vielen unbekannten Variablen konfrontiert. Da ging es um die Absicherung der kritischen Infrastruktur "Lebensmittelhandel" durch den Soldateneinsatz in der Logistik und um die kurzfristige Erstausstattung der Bevölkerung mit Masken durch den Handel, die der Handelsverband koordiniert hat. Vieles ist auch gekommen, um zu bleiben. So wurden Zahlungslimits von 25 Euro auf 50 Euro erhöht, um den kontaktlosen Checkout an der Kasse zu erleichtern. Die weiteren Wellen im Herbst und Winter 2020 und auch in 2021 waren gleichermaßen verheerend für die stationären Händler:innen, da viele Kund:innen zu ausländischen Webshops abgewandert sind. Deshalb steht auch jeder fünfte Arbeitsplatz im Handel weiterhin unter Druck, da mehr als jeder zweite Euro, der online ausgegeben wird, nicht in Österreich bleibt. Noch im ersten Pandemiejahr hat der Handelsverband ein Motto ausgerufen, dem sich immer mehr internationale Staatsschef:innen angeschlossen haben: "Leben und Wirtschaften mit dem Virus". Wir hoffen, dass im nunmehrigen dritten Pandemiejahr besser differenziert wird, denn Kontakt ist nicht gleich Kontakt. Es kommt darauf an, Infektionen dort zu bekämpfen, wo sie tatsächlich entstehen. Und das ist nicht in unseren Geschäften! (ca)

www.handelsverband.at

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV