"Doomscrolling", ein zwanghaftes Binge-Lesen schlechter Nachrichten, gibt es wirklich und Männer sowie jüngere Menschen sind eher betroffen. Das geht aus einer Studie der University of Florida (UFL) hervor. Demnach dürften die Angst, etwas zu verpassen, und das ständige Online-Sein dank Smartphone ein solches Verhalten begünstigen. Medien sollte das aber nicht zu noch mehr Negativ-Schlagzeilen auf sozialen Medien verleiten. Denn wenn Betroffene ihr Problem bemerken, könnten sie Quellen mit einem Überhang an Katastrophen-Headlines abstrafen.
"Es ist eine Obsession, all unseren Krisen einen Sinn zu geben"
Das UFL-Team wollte zunächst feststellen, ob es Doomscrolling wirklich gibt oder ob es vielleicht doch nur eine neue Clickbait-Phrase ist. "Es ist eine Obsession, all unseren Krisen einen Sinn zu geben", sagt Benjamin K. Johnson, Professor für Werbung. "Zum Verhängnis wird Betroffenen die Kombination aus Krise und Smartphone mit nie endendem Newsfeed", so der Professor. Dieser gehe immer weiter, also scrolle der User weiter. Was genau so ein Verhalten auslöst, bleibt allerdings unklar. Die Angst, etwas zu verpassen, scheint jedenfalls oft eine Rolle zu spielen.
Ob jemand zum Doomscrolling neigt, hängt nicht von der politischen Gesinnung ab: Ein größeres Interesse an Politik begünstigt das Verhalten aber. Zudem sind es eher jüngere Menschen, die schlechte Nachrichten bingen. "Männer neigen stärker dazu, was eine überraschende Erkenntnis gewesen sei", sagt UFL-Forschungsassistentin Bhakti Sharma. "Ich dachte nicht, dass das Geschlecht eine Rolle spielt." Den Forschern zufolge scheinen Doomscrolling und Ängste sich gegenseitig zu verstärken. Es sei aber nicht klar gewesen, was dabei Ursache und was Wirkung ist. Das sei von weiterer Forschung zu klären.
Neue Gewohnheiten
Johnson zufolge merken Betroffene auf Dauer, dass sie zu viel Negativ-News konsumieren und reagieren auch darauf. "Ihnen wird bewusst: 'Dadurch fühle ich mich schlecht' und sie können daran arbeiten, neue Mediengewohnheiten zu entwickeln." Die Studie hat ergeben, dass solche Nutzer ein Misstrauen gegenüber Social-Media-Accounts entwicklen können, die unverhältnismäßig viel Negativ-Inhalte posten. Deshalb meiden sie letztlich Medien, die in sozialen Medien zu sehr auf Negativ-Schlagzeilen setzen.
Nachrichtenmedien sollten daher bei ihren Social-Media-Auftritten auf eine ausgewogene Mischung aus guten und schlechten Nachrichten setzen, erklärt Johnson und hofft, dass die Plattformen auf das Phänomen Doomscrolling reagieren, indem sie Nutzern mehr Kontrolle über den Newsfeed geben. Das würde es den Nutzern leichter machen, Negativ-Medien auszublenden. (pte/jw)
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