"Meine Chancen sind recht gut"

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz im Interview über sein Konzept für die Zukunft, Postenbesetzungen, die Transformation zur Public Service Plattform, wie er auf der bestehenden Geschäftsführungsstruktur aufbauen will und ob das womöglich sein letztes Interview in dieser Position sein könnte.

Das Rennen um den ORF-Chefsessel geht in die finale Phase. Das Hearing und die Bestellung des künftigen "Oberhaupts" finden am Dienstag, dem 10. August 2021, im Rahmen der Plenarsitzung des Stiftungsrats statt. LEADERSNET hat den amtierenden Generaldirektor des ORF, Alexander Wrabetz, zum Interview gebeten.

LEADERSNET: Wird das ein letztes Interview als ORF-Generaldirektor?

Wrabetz: Sie meinen für heute? Das schon. (lacht)
In Zukunft werden aber noch viele folgen, da bin ich zuversichtlich.

LEADERSNET: Mit der nächsten Amtszeit wären Sie 20 Jahre lang in dieser Position gewesen. Was waren die größten Herausforderungen und Umbrüche?

Wrabetz: Wenn ich die letzten 15 Jahre revuepassieren lasse, so waren das insgesamt unruhige Zeiten: von der Finanz- und Wirtschaftskrise bis zur Corona-Pandemie, vom Siegeszug der Plattform-Giganten, über die Veränderungen der Mediennutzung, bis zur Digitalisierung und vieles mehr. Ich bin stolz darauf, dass es mir gelungen ist, den ORF gemeinsam mit seinen großartigen Mitarbeiter:innen sicher durch diese schwierigen Zeiten zu steuern. Denn eines steht ja außer Streit: Der ORF ist heute sehr gut aufgestellt. Wir sind Marktführer in Fernsehen, Radio und Online. Wir bilanzieren ausgeglichen, trotz der negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Und wir haben einen Plan für die Zukunft. Und das Wichtigste: Das Publikum vertraut dem ORF.
 
LEADERSNET: Sie zeigen sich siegesgewiss. Woher kommt Ihr Optimismus?

Wrabetz: Weil ich ein gutes Konzept für die nächsten Jahre habe. Wenn die Stiftungsräte nach bestem Wissen und Gewissen frei entscheiden können, dann meine ich, dass meine Chancen recht gut sind.

LEADERSNET: Wie laufen Ihre Gespräche mit den Stiftungsräten?

Wrabetz: Ich arbeite mit dem Stiftungsrat seit 15 Jahren gut und erfolgreich zusammen, nahezu alle wichtigen Beschlüsse wurden einstimmig gefasst. Es geht es jetzt darum, die Fragen und Erwartungen der Stiftungsrät:innen für das Unternehmen und seine Weiterentwicklung zu erkennen und meine strategischen Antworten darauf bestmöglich darzulegen. Ich wünsche mir, dass angesichts der laufenden Diskussionen im Land um Postenbesetzungen eine Sachentscheidung getroffen wird. Das wäre ein gutes Zeichen vonseiten der Politik.

LEADERSNET: Wie wollen Sie die starke Marke ORF weiter in die Zukunft führen?

Wrabetz: Der ORF muss und wird sich vom klassischen öffentlich-rechtlichen Broadcaster zur Public Service Plattform entwickeln. Daran arbeiten wir schon die ganze Zeit auf Hochtouren. Ich habe ein Strategiekonzept "ORF 2025" vorgelegt, das der Stiftungsrat beschlossen hat. Darin ist festgehalten, dass der ORF auf der einen Seite seine klassischen, linearen Sender stärkt. Auf der anderen Seite wird der ORF zum Plattformunternehmen. Nur so können wir die geänderten Nutzungsgewohnheiten vor allem der Jungen angemessen bedienen.

LEADERSNET: Planen Sie einen internen Umbau? Es soll ja auch neue Führungspositionen geben, oder?

Wrabetz: Die Details werde ich dem Stiftungsrat vorlegen. Aber soviel kann ich verraten: Wir werden auf der bestehenden Geschäftsführungsstruktur aufbauen, die sich gut bewährt hat. Dazu wird es weitere Schlüsselpositionen im Bereich Digitale Transformation und für das Management des damit verbundenen Change-Prozesses geben. Im Multimedialen Newsroom werden wir die Führungsstruktur so aufstellen, das größtmögliche Vielfalt, Unabhängigkeit und Ausgewogenheit garantiert sind, so wie ich das die letzten 15 Jahre sichergestellt habe. Das ist eine der zentralen Stärken des ORF, auf die ich großen Wert lege.   

LEADERSNET: Auch die bauliche Neuaufstellung des ORF schreitet fort. Ist der im 300-Millionen-Euro-Projekt beheimatete multimediale Newsroom auch jetzt noch – inmitten der Pandemie – eine gute Idee?

Wrabetz: Natürlich! Die Arbeiten am ORF-Mediencampus laufen wie geplant, sowohl, was den Zeitrahmen als auch was das Budget betrifft – und das trotz der Pandemie. Der Multimediale Newsroom ist ein essenzieller Teil unseres neuen Mediencampus und bald Herzstück der ORF-Information. Wir arbeiten seit vielen Jahren intensiv an neuen Organisationskonzepten, wir hatten dutzende Klausuren und Workshops zum neuen Arbeiten im Newsroom und es gab hunderte von Schulungen. Der ORF-Mediencampus mit dem Multimedialen Newsroom schafft die Rahmenbedingungen für unsere Medienproduktion in der digitalen Welt.

LEADERSNET: Wie ist der Status Quo in Sachen GIS, Gebührenerhöhung und GIS-freies Streaming?

Wrabetz: Ich denke nicht, dass es eine Gebühr für Smartphonenutzung geben soll, nur weil man sich einmal ein TikTok-Video reinzieht. Aber der ORF soll künftig auch GIS-Gebühren für Streamingangebote verlangen können. Das müsste man neu regeln. Und ich bin diesbezüglich optimistisch, weil sich mittlerweile das Bewusstsein dafür, dass Streaming etwas kostet, geschärft hat. Was die GIS und eine eventuelle Anpassung betrifft, so werden wir die gesetzlichen Erfordernisse im Herbst überprüfen und dann entscheiden. (jw)

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