"Das meinen Eltern zu erklären, ist keine leichte Sache"

GroupM-Austria-CEO Andreas Vretscha erzählt im Interview über den Wettbewerb in der Branche, womit Henry Ford Recht hatte und womit nicht, was die Digialisierung alles verändert und was die hohe Kunst in der Mediaplanung ist.

LEADERSNET: Sie sind CEO der größten Mediaagentur Österreichs. Wie erklären Sie jemandem, der es nicht weiß, was eine Mediaagentur ist?

Vretscha: Das meinen Eltern zu erklären, ist keine leichte Sache (lacht). Aber lassen Sie es mich versuchen: Wir sind dafür verantwortlich, dass die ganze Werbung, die man sieht – auf den Plakaten, in den Tageszeitungen, im Fernsehen und vor allem im Online-Bereich – dort ist, wo sie ist. Einfach gesagt: Wir platzieren die Werbung.

LEADERSNET: Das heißt, es gibt keinen Spot, den Sie nicht kennen, bevor die Bevölkerung ihn sieht?

Vretscha: Also dass es keiner wäre, wäre es ja schön, denn dann würden alle Spots wir platzieren. Das tun wir natürlich nicht, da es sich um einen Bereich handelt, der einen starken Wettbewerbsgrad hat. Aber es gibt natürlich sehr viele Spots, die wir vorher kennen und dort platzieren, wo sie dann wirken sollen.

LEADERSNET: Wie viele Personen arbeiten im Moment bei der GroupM?

Vretscha: In Summe sind es um die 300 Leute. Wir haben sehr viele unterschiedliche Berufsbilder in der Agentur. Es gibt natürlich viele Personen, die Werbezeiten oder Werbeflächen einkaufen. Andere wiederum beraten unsere Kunden strategisch, wo sie die Werbung richtig platzieren sollten und vor allem, wie viel sie investieren sollten, um ihr Werbeziel zu erreichen.

LEADERSNET: Es gibt einen Spruch von Henry Ford, der gemeint hat, dass 50 Prozent der Werbung immer beim Fenster hinausgeworfen werden. Man weiß nur nicht, welche. Gilt das heute noch immer?

Vretscha: Sie wissen, wie alt Henry Ford jetzt wäre (lacht)? Man muss sich nur anschauen, wie das Auto damals war. Er hat zwar viel revolutioniert im Autobau, aber jetzt fahren Elektroautos durch die Gegend. Genauso wie es dort eine große Entwicklung hat, hat es sich auch bei uns entwickelt. Wir sind dermaßen präzise geworden, dass wahrscheinlich nur noch Nullkommairgendwas Prozent der Werbung nicht mehr dort ausgestrahlt oder platziert werden sollte, wo sie sein sollte. Das Zweite, was Henry Ford aber auch gesagt hat: "Wer aufhört zu werben, um Geld zu sparen, kann ebenso seine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen." Und der Spruch hat sicherlich mehr Beständigkeit als der andere Spruch (schmunzelt).

LEADERSNET: Ist die GroupM auch im kreativen Bereich tätig oder fungieren Sie ausschließlich als Mediaagentur?

Vretscha: Es geht in vermehrt in eine holistische, gesamtheitliche Richtung, dass man auch über das "Wie" redet. Das geschieht meistens mit Creative- und Content-Experten. Aber derzeit liegt der Hauptfokus noch eindeutig auf die Mediaplanung und je präziser die Zielvorgabe vom Kunden ist, desto genauer können wir sagen, was er investieren muss, damit er sein Ziel erreicht.

LEADERSNET: Was bedeutet für eine Agentur wie die GroupM die fortschreitende Digitalisierung?

Vretscha: Ich glaube, das lässt sich am besten mit Zahlen in Form von Anteilen deutlich machen: Vor zehn Jahren war der Anteil, der von uns ausgespielten Werbung im digitalen Bereich bei 20 Prozent. Mittlerweile sind wir bei einem Anteil von 60 Prozent angekommen.

LEADERSNET: Aufgabe einer Mediaagentur ist es, Werbung so zu verplanen, dass sie erfolgreich ausgespielt wird. Was ist in diesem Zusammenhang entscheidend, damit eine Kampagne zum Erfolg führt?

Vretscha: Ein ganz entscheidender Faktor ist der richtige Zeitpunkt. Es gibt Werbung, wo man zwar die richtige Person erreicht, aber im falschen Moment und sie sich dadurch vielleicht sogar gestört fühlt. Die richtigen Personen im richtigen Kontext zu erreichen, ist eigentlich die hohe Kunst. Deshalb orientieren wir uns auch zusätzlich Richtung Content-Produktion. Man muss aber gerade im digitalen Bereich nicht nur aufpassen, dass man die Person im richtigen Moment erreicht, sondern auch, dass die Umfelder passen. Es gibt im digitalen Bereich leider auch sehr viele Umfelder, in denen man mit seiner Werbung nicht vertreten sein möchte. Das gilt beispielsweise für den Bereich Betrug bzw. Fraud. Man spricht dabei von Klickfarmen, weil nur auf Ads geklickt wird, um Geld zu kassieren, das am Ende der Kunde zahlen muss. Es gibt also sehr viel Technologie im Hintergrund, die man wirklich im Griff haben muss.

LEADERSNET: Wie digital wird unsere Welt werden?

Vretscha: Komplett digital. Ich glaube, die große Herausforderung wird sein, wie wir damit umgehen. Meines Erachtens sollte man Dinge nicht nur machen, weil man weiß, dass es die Technologie kann. Man muss immer den Verstand mitwalten und -schalten lassen. Das ist die Herausforderung, vor der wir meiner Meinung nach stehen. Das alles komplett digital wird, ist aber gar keine Frage.

LEADERSNET: Wohin wird sich der Bewegtbildmarkt mit zunehmender Digitalisierung entwickeln?

Vretscha: Fernsehen hat sich in den letzten Jahren bereits massiv verändert und wird sich weiter massiv verändern. Diese Sender-Monumente wird es in Zukunft kaum mehr geben. Der Markt geht in viele Plattformen auf und es wird viel diversifizierter werden als bisher ist. Es wird noch mehr User-generated Content geben, als es jetzt schon gibt. Was bleiben wird, sind große Events. Die werden linear bleiben und werden Leuchttürme bleiben. Alles andere geht in Richtung Special Interest und viele Sparten usw.

LEADERSNET: Hat die Digitalisierung Auswirkungen auf die Berufsbilder in der Branche?

Vretscha: Ja, ich denke schon. Denken wir nur einmal an die Influencer. Mein Sohn ist beispielsweise ein Micro-Influencer auf TikTok. Er hat bei seinen Videos oft mehr Zuschauer als eine normale österreichische Fernsehsendung. Es werden viele neue Berufsbilder dazu kommen zusätzlich zu denen, die schon längst da sind. Ich glaube, das jedes zweite Berufsbild mittlerweile digital ist.

LEADERSNET: Dürfen wir uns als auf die Digitalisierung freuen oder müssen wir ihr mit Respekt begegnen?

Vretscha: Ich glaube, es ist eine Kombination von beidem. Die Digitalisierung ist in vielen Bereichen sehr convenient, erleichtert das Leben und darauf kann man sich auch wirklich freuen. Aber man muss das Ganze natürlich mit Respekt behandeln und ich glaube, es braucht auch die eine oder andere neue Rahmenbedingung. Weder Sie noch ich haben eine Ahnung, was beispielsweise alles mit unseren Daten gemacht wird. Das ist ein Thema, wo es meiner Meinung nach neue Rahmenbedingungen geben wird müssen. Teilweise gibt es die ja schon. Aber auf die Digitalisierung per se können wir uns freuen.

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