Öffentliche Schanigärten als neue Corona-Lösung für Wien?

Nach Vorbild des "Film Festivals am Rathausplatz" oder dem "Kultursommer"-Event – Stadtchef Ludwig will Öffnungen so auch bei hohen COVID-19-Infektionszahlen ermöglichen, doch die Gastronomie schlägt Alarm.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig hat am Dienstag im Rahmen eines Mediengesprächs die Einrichtung öffentlicher Schanigärten für Gastronomiebetriebe in der Bundeshauptstadt angekündigt. Mit der geplanten Schanigarten-Öffnung am 27. März im Zuge der Öffnungsschritte nach dem Corona-Lockdown und den Ausgangsbeschränkungen will Wien damit Kaffee, Spritzer oder Schnitzel im Freien ermöglichen. Konkrete Pläne werden aktuell ausgearbeitet, so Ludwig.

"Dem Bedürfnis nach sozialen Kontakten nachkommen"

Es gebe ein Bedürfnis der Wienerinnen und Wiener nach der Zeit des Lockdowns und der Ausgangsbeschränkungen nach sozialen Kontakten. "Es ist deshalb besser, dass sich Menschen reguliert und unter Einhaltung der Corona-Regeln treffen, als auf privaten Feiern oder unreguliert, wo die Ansteckungsgefahr höher ist", so Ludwig. "Also besser draußen als drinnen. Und unter kontrollierten und geordneten Rahmenbedingungen." Die Möglichkeit sicherer Treffen im Freien will die Stadt bei einer Öffnung der Gastronomie ab März mit öffentlichen Gastro-Flächen in den Grätzln der Stadt ermöglichen. Durch diese Gastro-Zonen sollen so auch jene Gastro-Stätten aufsperren können, die keinen Schanigarten haben.

Vorbilder für die Gastronomie im Freien auf öffentlichen Plätzen sollen das "Film Festival" am Rathausplatz oder der "Kultursommer" sein. "Wir haben im vergangenen Sommer gute Erfahrungen mit dem Film Festival und dem Kultursommer gesammelt. Beim Rathausplatz gab es ein System mit Anmeldung, begrenzter Teilnahmezahl und Kojen, bei denen der Abstand immer eingehalten werden konnte. Bei den Veranstaltungen ist es zu keiner einzigen Infektion gekommen", sagte Ludwig.

Gastronomie und Hotellerie "verzweifelt"

Die Schanigarten-Lösung für Wien wird seitens der Lokalbetreiber zwar nicht negativ, aber kritisch aufgenommen. Sowohl die Gastronomie als auch die Hotellerie hatte große Hoffnungen und viel Engagement in die Verwirklichung einer Öffnung mit Mitte März gesetzt und kämpft nun laut eigenen Aussagen mit "Perspektivlosigkeit", viele stehen vor dem Ruin. 

In einer ersten Reaktion auf die jüngsten Richtlinien seitens der Regierung zeigten die Wirtschaftskammer-Vertreter der Wiener Gastlichkeit sich "erschüttert":  Wie sie in einer Presseaussendung am Dienstag erklären, stellen die Schanigartenpläne der Regierung zwar einen netten Versuch, aber nur einen minimalen "Lichtblick" dar. Besonders die praktische Umsetzbarkeit wird hinterfragt, und für die Hotels, die teilweise schon seit fast einem Jahr geschlossen halten müssen, heißt es, dass bis zu 30 Prozent der (noch) bestehenden Betriebe "akut gefährdet" seien.

"Die Wiener Gastlichkeit steht auch langfristig vor dem Aus"

Die Branchenvertreter der Wiener Gastlichkeit, Dominic Schmid (Fachgruppenobmann der Hotellerie), Wolfgang Binder (Obmann der Kaffeehäuser) und Peter Dobcak (Gastronomie-Obmann) warnen davor, dass Wien nun "der Verlust eines wichtigen Teils seiner Identität" drohe: "Die Wiener Gastlichkeit steht auch langfristig vor dem Aus", so die Fachgruppenobmänner.

"Der Großteil der Wiener Hotellerie ist nun schon seit letztem März geschlossen, die Öffnungsperiode im letzten Sommer konnten nur wenige nutzen und auch die haben herbe Verluste erlitten. Und dass jetzt nicht einmal mehr erwähnt wird, wann die Hotels wieder öffnen dürfen, nimmt uns die letzte Hoffnung" zeigt sich Schmid bitter enttäuscht über die ausbleibenden Perspektiven für die Hotels. Er sieht viele Wiener Hotels schon jetzt vor dem Aus: "Wir müssen uns darauf einstellen, dass ein Drittel der Hotels nicht mehr aufsperren werden können. Und dass damit auch ein Drittel der Touristen langfristig nicht mehr kommen werden, weil es keine Betten für sie gibt".

"Wir wurden einmal mehr nicht gehört"

Ein ähnlich düsteres Bild zeichnet auch Kaffeehäuser-Vertreter Binder: "Der Großteil der Kaffeehäuser hat gar keinen oder nur einen kleinen Gastgarten – da ist es schlicht unmöglich, wirtschaftlich zu arbeiten. Wir haben konkrete Vorschläge gemacht, wie wir sicher für Gäste und Mitarbeiter öffnen können und wurden einmal mehr nicht gehört – dabei hätten wir auch einen wichtigen Beitrag geleistet, die Testmoral in der Bevölkerung weiter zu steigern".

Für Gastro-Obmann Peter Dobcak sind die nun vorgestellten Öffnungsschritte nicht nur schwer umzusetzen, sondern auch zu vage: "Wir wissen nicht wann und wie lange wir die Gastgärten öffnen dürfen und für wie viele Gäste. Dazu kommt dann noch der Einfluss des Wetters, das eine Öffnung natürlich auch verhindern kann – so ist es für uns unmöglich zu planen. Wenn das Wetter nicht mitspielt, entstehen hohe Kosten durch das Hochfahren der Betriebe, denen dann keinerlei Einnahmen gegenüber stehen. Will die Regierung, dass die Gastronomie überlebt, müssen schnell umfangreiche und anhaltende Hilfen angeboten werden", fordert er eine Ausweitung der bisherigen Förderungen.

"Der kleine Finger wird uns nicht halten"

Auf LEADERSNET-Anfrage ergänz der Gastro-Obmann sein Statement wie folgt: "Natürlich freuen wir uns über den Lösungsvorschlag der Stadt und verstehen auch den Spagat, der angesichts des hohen Drucks durch die neuen Virus-Mutationen und die hohen Infektionszahlen notwendig ist. Dennoch ist es mehr der kleine Finger, als die Hand, die uns gereicht wird, und wenn man daran denkt, wie viele Betriebe über dem Abgrund hängen, zeichnet das kein optimistisches Bild. Die praktische Umsetzung der Schanigartenlösung wirft einfach zu viele offene Fragen auf", so Dobcak, der gemeinsam mit seinen Kollegen und Experten bereits einen Termin zur Konkretisierung der Schanigartenlösung ausgemacht hat, wie er verrät. (rb)

www.wien.gv.at

www.wkw.at

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