"Der gesamte Wohnbau wird sich neu definieren"

EHL-Immobilien-Chef Michael Ehlmaier über die Folgen von Corona für die Immo-Branche, die Auswirkungen des Home-Office-Booms auf die Wohnsituation, welche Neuerungen die Digitalisierung gebracht hat und seine persönlichen Learnings aus der Krise.

LEADERSNET: Wie geht's in der Immobilienbranche – sowohl im privaten wie auch im gewerblichen Bereich – derzeit?

Ehlmaier: Global gesprochen kann man sagen, dass die Immobilienbranche per se einer der Stabilitätsanker in der österreichischen Volkswirtschaft ist. Natürlich kann ich nicht stellvertretend für alle österreichischen Unternehmen sprechen, aber die Immobilienbranche ist bis dato sicherlich mit einem blauen Auge davongekommen. Der Wohnbereich ist von der Krise relativ wenig betroffen. Wenn, dann liegen die Probleme eher in der Produktion, da es verzögerte Baubewilligungen gibt und sich Behördenverfahren eher in die Länge ziehen. In den nächsten zwei bis drei Jahren wird es dadurch weniger Fertigstellungen als geplant geben. Grundsätzlich sind Angebot und Nachfrage jedoch sehr konstant und stabil. Wir spüren auch keine preislichen Auswirkungen, weder auf Miet- noch auf Kaufpreise. Auch die Wohnimmobile per se ist nach wie vor ein äußerst beliebtes Anlageprodukt für Investoren.

LEADERSNET: Krisenbedingt ist das Home Office für viele seit Monaten eine Notwendigkeit. Vorher hatten viele Leute kein Büro zuhause, hat sich das private Wohnen dadurch verändert?

Ehlmaier: Ja, das hat es. Wir merken, dass es in unserem 200 Mitarbeiter großen Unternehmen einige Personen gibt, die wir gerne im Home Office sehen würden. Die haben aber nicht die Möglichkeit, dass sie zu Hause arbeiten, weil der Lebenspartner schon von dort aus arbeiten muss und weil die Kinder zum Teil auch zu Hause sind. Das heißt, dass es notwendig sein wird, dieses fürs Home Office notwendige Büro in der Wohnung zur Verfügung zu stellen. Das ist eine große Herausforderungen für die nächsten Monate und Jahre, da sich der gesamte Wohnbau neu definieren wird. Sprich man braucht in Zukunft zumindest ein Zimmer mehr. Ähnlich werden sich auch die Arbeitsplätze im Büro-Bereich neu definieren.

LEADERSNET: Mit dem Home Office ist auch gleichzeitig die Digitalisierung über uns hereingebrochen. Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Immobilienbranche?

Ehlmaier: Ja, selbstverständlich hat die Digitalisierung auch vor der Immobilienbranche nicht Halt gemacht. Es bleibt hier kein Stein auf dem anderen. Es gibt 3D-Visualisierungen und 3D-Rundgänge. Wohnungsbesichtigung finden anders als gewohnt statt. Das Thema Proptech hat an Bedeutung gewonnen. Es werden Immobilien-Transaktionen über Blockchain-Technologie abgewickelt. Es tut sich hier wirklich sehr, sehr viel und den Großteil sehen wir sehr positiv.

LEADERSNET: Welche Learnings können Sie – vielleicht auch stellvertretend für die ganze Branche – aus dieser Krise ziehen?

Ehlmaier: Auf der einen Seite gibt es die wirtschaftlichen Learnings und auf der anderen die persönlichen Learnings. Die Themen sozialer Zusammenhalt und Verlässlichkeit sind neu definiert worden. Wir wissen mehr denn je, auf wen man sich verlassen kann. Als Arbeitnehmer weiß ich, auf welchen Arbeitgeber ich mich verlassen kann und als Arbeitgeber auf welche Arbeitnehmer. Ich weiß auf welche Kunden   ich mich besonders verlassen kann und welche Kunden sich auf ihre Dienstleister verlassen können. Die Politik weiß auch, auf welche Pharmafirmen sie sich verlassen kann. Wir wissen, auf welche Ärzte und Spitäler – die wirklich Großartiges geleistet haben – wir uns noch mehr verlassen können. Als Unternehmen stellt sich natürlich auch die Frage, auf welche Banken ich mich verlassen kann. Wie werden Partnerschaften gelebt? Wie nachhaltig sind Partnerschaften? Hier trennt sich sicherlich die Spreu vom Weizen und es werden auch Geschäftsbeziehungen neu definiert werden.

LEADERSNET: Haben Sie einen persönlichen Tipp, wie man besonders gut durch diese Krise kommt?

Ehlmaier: Ein Patentrezept gibt es nicht. Grundsätzlich bin ich ein sehr positiv denkender Mensch. Aber ich glaube, es bringt nichts, alles schön zu reden, sich reich zu rechnen oder die Krise zu negieren. Aber ich glaube, wenn man das Glas ab und zu halb voll sehen kann, einen Funken Optimismus versprühen kann und versucht, sich mit Personen zu umgeben, die auch mit positiver Energie geladen sind, ist man auf dem richtigen Weg. Durchhaltevermögen, Mut, Zuversicht, Verantwortungsbewusstsein und natürlich ein Quäntchen Humor – gerade Letzteres ist besonders wichtig in Zeiten wie diesen – haben nie geschadet.

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