"Es geht nicht mehr nur ums Handy"

| 20.02.2012

leadersnet.at im Interview mit Giesswein, General Manager Nokia Österreich, über die Aufholjagd am Smartphonemarkt, die Verschmelzung von Business und Freizeit und das Jahr des Comebacks.


Der Startschuss zur großen Aufholjagd am Smartphone-Sektor ist gefallen. Mit der neuen Lumia-Serie präsentierte Nokia das erste Gerät der Giganten-Allianz mit Microsoft. Ob das Ruder noch herumgerissen werden kann, wird sich noch zeigen. Die Geschäftszahlen am prestigeträchtigen Smartphone-Sektors haben am Ende des vergangenen Jahres einen positiven Trend nach oben aufgezeigt. Im vierten Quartal 2011 konnte der finnische Konzern in der Sparte "Smart Devices" seinen Umsatz gegenüber dem dritten Quartal um 25% auf 2,75 Milliarden Euro steigern. Dennoch verkaufte Nokia im Gesamtjahresvergleich zu 2010 rund 25% weniger Smartphones, insgesamt 77,3 Millionen Stück. Auch am Featurephone-Markt musste man Einbußen hinnehmen: Die Stückzahl der verkauften Geräte sank um drei Prozent auf 339,8 Millionen Geräte. Konzernweit nahmen die Finnen 2011 knapp 38,7 Milliarden Euro ein.

Im leadersnet.at Interview erklärt Martin Giesswein, General Manager Nokia Austria and Adriatics, warum es eigentlich nicht mehr nur um das Handy an sich geht, wieso Nokia sich in der Rolle des Herausforderers ganz gut gefällt und weshalb man ab jetzt nicht mehr vom Wohnzimmer über den Garten in die Küche gehen muss.

leadersnet.at: Lieber Herr Giesswein, mit dem "Lumia 800" hat das erste Machwerk der Nokia/Microsoft Allianz das Licht der Welt erblickt. Schaut man sich Tests und Reviews auf den verschiedensten Plattformen an, schneidet das Gerät generell gut ab, auch in punkto Design. Ein gelungener Startschuss zur Aufholjagd?

Giesswein: Was mir besonders Freude macht ist, dass ich von vielen Bekannten und Geschäftspartnern, die iPhone- oder Android-User sind, das Feedback bekommen "Wow, das ist schön" – das Design spricht irrsinnig an. Es liegt sehr gut in der Hand, was vor allem durch die Bauweise mit den abgerundeten Ecken unterstützt wird. Das Nokia Lumia 800 ist aus einem Stück Polycarbonat gemacht, was neben der Haptik natürlich auch positive Auswirkungen auf den GPS/GSM Empfang hat. Vor allem in Hinblick auf Social Media und Apps, beispielsweise Runtastic, ist Letzteres wichtig. Es ist – kurz gesagt –  ein richtiges Handwerksstück mit exzellentem Design, toller Hardware und optimalem Betriebssystem.

leadersnet.at: Bleiben wir gleich beim Betriebssystem. Was bietet das Windows Phone alles?

Giesswein: Mit mehr als 50.000 Apps und allen erdenklichen Anbindungen an die Microsoft-Welt bietet das Nokia Lumia 800 alles – für Business, Freizeit und Wochenende. Wir reden jetzt nicht nur über Office, Dokumente, Power Points und Excels. Hier geht es um den Exchange Server, Lync und die Einbindung des Sharepoint Portal-Server – alles Dinge, die heutzutage in Firmen eingesetzt werden. Nicht zuletzt auch die volle Unterstützung für Office 365, die Cloudlösung, mit der ich vollen Zugriff auf alle Business-Ressourcen für mobiles Arbeiten habe. Mit dem Gerät hat man quasi die "Cloud in the Pocket". Wir haben in Westeuropa rund 100 Millionen mobile Arbeiter, also Leute die mehr als zwei Tage ihre Tätigkeit nicht im Büro ausführen (Unternehmer, Außendienst- und Vertriebsmitarbeiter, Marketeers, Journalisten, etc.). Für diese Klientel braucht man eine adäquate Lösung. Früher war das RIM mit dem Blackberry und dem Email-Push Service. Heutzutage ist das eine "commodity". Email-Push ist im Exchange Server integriert und man kann es mit den verschiedensten Geräten ausführen. Ich darf natürlich behaupten, dass das mit einem Windows-Phone umso besser geht.

leadersnet.at: Ich gehe jetzt mal davon aus, dass Sie das Lumia als vollwertiges Business-Smartphone bezeichnen würden? Kommt dieses Jahr noch ein anderes Gerät mit einem dezidierten Business-Schwerpunkt auf den Markt?

Giesswein: Ja, das ist es auf jeden Fall. Es ist momentan so, dass die Welten verschmelzen. Business und Privates wachsen immer mehr ineinander. Die Leute wollen nicht zwei oder drei Geräte, sondern eines, das alles kann. Bezüglich der Produktstrategie: Es werden weitere Geräte herauskommen, wie beispielsweise das Nokia Lumia 710, das seit 1. Februar in Österreich um 319 Euro erhältlich ist. In dieser Preisklasse ist es etwas unter dem Nokia Lumia 800 angesiedelt, im Gegensatz zum Nokia Lumia 900, das wir kürzlich für den US Markt angekündigt haben.

Generell stellt sich die Frage "Business oder Freizeit?" für uns nicht mehr. Es geht um die Ranges der Ausstattung, auf denen die gleiche Software, nämlich Windows Phone, läuft und auch immer mehr um das Ökosystem – das für den Privatnutzer Apps bedeutet.

leadersnet.at: Gutes Stichwort – bis dato haben wir stark ein Augenmerk auf die Business-Komponente gelegt. Wie schaut es denn am "Freizeit-Sektor" aus?

Giesswein: Mit den mehr als 50.000 Apps die momentan im Marketplace verfügbar sind, ist eine Abdeckung von ca. 98-99 % aller Anwendungen für den Privatnutzer (foursquare, IMDB, Tageszeitungen, Runtastic, etc) erreicht. Dazu kommt, dass der Windows Phone-Marketplace das am schnellsten wachsende Ökosystem ist. Im Spielebereich bleibt mit der nahtlosen Xbox-Integration über die Windows ID kein Auge trocken. Ich kann beispielsweise Spiele, die ich zu Hause auf meiner Xbox habe, am Handy weiterspielen. Natürlich geht es mit Zune auch ganz stark um die Welt der Musik und Filme, sei es jetzt Streaming oder Download. Man bewegt sich sozusagen in einem ganzen Ökosystem, aus dem man aber auch ausbrechen kann, um beispielsweise iTunes zu nützen. Es ist wie Stephen Elop gesagt hat: "Es geht nicht mehr nur ums Handy. Es geht um das ganze Ökosystem."

leadersnet.at: Verkaufszahlen wollen Sie bzw. dürfen Sie wohl keine verraten? Man liest ja von in etwa 800.000 bis zwei Millionen verkauften Geräten.

Giesswein: Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte (lachen). Bis dato haben wir weltweit bereits über 1 Mio Lumia Smartphones verkauft.

leadersnet.at: Wie viel Geld ist in die Entwicklung geflossen? Wie hoch kann man sich die Gewinnmarge vorstellen?

Giesswein: Allgemein kann man feststellen, dass es nicht von ungefähr kommt, dass sich große Firmen wie Nokia und Microsoft zusammenschließen, um Stärken einzubringen und Kosten- und Einsparungseffekte zu erzielen. Natürlich machen wir Produkte, um damit Geld zu verdienen. Es ist keine Subventionsgeschichte.

leadersnet.at: Exklusive Partnerschaften mit Providern gibt es keine?

Giesswein: Das stimmt, die gibt es nicht. Wir haben aber im Vorfeld sehr intensive Gespräche geführt, wie "commited" unsere Partner sind, um das Produkt gemeinsam zu einem Erfolg zu machen. Als Herausforderer geht es uns nicht mehr ausschließlich darum, überall vertreten zu sein, sondern unsere Message zu transportieren. Da wir Hersteller sind, gilt es dies in Gleichklang mit den Mobilfunkbetreibern und Retailern zu tun. Hierbei haben wir von allen Seiten das Commitment, das Rangeing und die Unterstützung bekommen. Wie man es in TV, Online, Social Media und Print sieht, ist von allen Seiten eine sehr starke Präsenz aufgebracht worden, um 2012 zum Jahr Nokias zu machen.

leadersnet.at: Nokia Maps wurde bei den Tests des Lumia 800 als eine Art Killer-Feature herausgehoben. Ist es vorstellbar, dass es hier zu einer noch tieferen Integration in die Windows Phone-Welt kommt? Sprich Windows-Phones nicht "Made by Nokia" aber mit Nokia Maps?

Giesswein: Hier kann man eine ganz grundlegende Aussage treffen. Stephen Elop meinte, und das hat anfänglich vielleicht einige verstört, "Ich freue mich über jedes Windows Phone, sei es jetzt Samsung, LG oder ähnliches, das verkauft wird". Warum? Das Ökosystem muss zunächst einmal wachsen. Das ist ein grundlegender Gedanke, den wir verfolgen und auch unsere Developer-Community hierbei sehr unterstützen.  Nokia Maps war natürlich ein Asset in der Partnerschaft. Was in Zukunft sein wird und wo man Nokia Maps findet, kann man noch nicht sagen. Eines ist aber ganz klar, 2012 ist das Jahr von Nokias Comeback im Smartphone-Bereich.

leadersnet.at: Zwischen 30 und 40% aller Handy-Neukäufe sind Smartphones. Will man mit dem Lumia 800 den "versierten" Smartphonenutzer ansprechen oder eher Leute, die diesen Sprung bis jetzt noch nicht getätigt haben?

Giesswein: Wir freuen uns über jeden Kunden. Jene, die noch kein Smartphone gehabt haben und mit der Marke Nokia vertraut sind, können wir gut über die Einfachheit der Bedienung abholen. Außerdem glaube ich, dass sich viele iPhone-User sehr wohl ein Nokia Lumia 800 nehmen werden. Auch für Android-Nutzer haben wir viele überzeugende Argumente. Vor allem in Bezug auf Updates und der verschiedensten Versionen höre ich immer wieder, dass viele Leute frustriert sind. Das gibt es bei unserem Ökosystem nicht. Hochachtung vor dem tollen Markterfolg von Android, aber ich glaube, dass es auch dort immer mehr Stimmen gibt, die es uns ermöglichen, ein Gegenangebot an diese Kunden zu erstellen.

Bezüglich der Zielgruppe gehen wir gar nicht so sehr darauf ein, welches Gerät die Person vorher gehabt hat. Das deckt sich eher mit unserem Marketing-Claim "Täglich neue Abenteuer erleben" bzw. "The Amazing Everyday“. Was heißt das? Einerseits kann ich das Gerät extrem einfach bedienen, was uns von vielen Seiten auch schon bestätigt wurde. Hier gibt es vielleicht eine Parität zum iPhone. Apple hat diesbezüglich die Industrie seit 2007 sehr weitergebracht, wir haben mit Windows Phone noch eines draufgesetzt.

leadersnet.at: Zum Beispiel?

Giesswein: Ein gutes Beispiel ist Social Media. Auf meinem Social Media Hub habe ich alle meine Nachrichten, Chats, Instant Messages Services – Windows Live, Facebook, Twitter, LinkedIn – integriert und sehe sofort, was in allen Bereichen zu mir geschrieben oder retweeted worden ist. Es ist nicht mehr App rein & raus und dann das gleiche wieder. Wenn ich ein Haus hab, will ich auch nicht vom Wohnzimmer über den Garten in die Küche. Mit den Kacheln bewege ich mich immer innerhalb des Hauses. Durch zahlreiche Optimierungen ist das Nokia Lumia 800 ein "Kopf-hinauf-Gerät". D.h. ich will interagieren und meine "Adventures", die ich erlebe, schnell teilen.

leadersnet.at: Vielen Dank!

www.nokia.at

Martin Giesswein

  • 1992 - 1998 Studium der Rechtswissenschaften, Universität Wien
  • 1997 - 1997 Diploma European Law, Universität Leiden
  • 1998 - 2000 WKÖ, Legal Advisor
  • 2000 - 2004 ai informatics, Business Unit Manager
  • 2004 - 2005 Nokia Enterprise Solutions, Sales & Marketing Manager AT & CH
  • 2006 - 2008 Nokia Enterprise Solutions, Head of Sales
  • 2008 - 2009 Nokia, Head of Go-to-Market, Alps/Adriatic
  • 2009 - 2010 Nokia Alps South East Europe, Head of Retail & Services
  • 2010 - 2011 Nokia, Country Manager Österreich
  • 2012 - dato  Nokia, General Manager Austria and Adriatics

Martin Giesswein

  • 1992 - 1998 Studium der Rechtswissenschaften, Universität Wien
  • 1997 - 1997 Diploma European Law, Universität Leiden
  • 1998 - 2000 WKÖ, Legal Advisor
  • 2000 - 2004 ai informatics, Business Unit Manager
  • 2004 - 2005 Nokia Enterprise Solutions, Sales & Marketing Manager AT & CH
  • 2006 - 2008 Nokia Enterprise Solutions, Head of Sales
  • 2008 - 2009 Nokia, Head of Go-to-Market, Alps/Adriatic
  • 2009 - 2010 Nokia Alps South East Europe, Head of Retail & Services
  • 2010 - 2011 Nokia, Country Manager Österreich
  • 2012 - dato  Nokia, General Manager Austria and Adriatics

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