In der Krise liegt die Kraft

Gastkommentar von Philipp Maderthaner, Gründer von Campaigning Bureau und Business Gladiators.

Krisen haben es so an sich, dass sie einen in der Regel mit voller Wucht treffen. Ob persönliche Schicksalsschläge, Naturkatastrophen oder ein Virus, das plötzlich um die Ecke biegt und die Welt zum Stillstand bringt. Es ist das Ohnmachtsgefühl, das uns in solchen Phasen am Meisten belastet. Das Gefühl Passagier zu sein, nichts tun zu können, wenn uns die Krise mit all ihrer Kraft herausfordert.

Wer in den USA ein Haus in der so genannten "Tornado Alley" bewohnt, einem Gebiet im Mittleren Westen mit der höchsten Tornado-Wahrscheinlichkeit, baut dieses entweder besonders stabil oder ist mit einem hohen Maß an Resilienz ausgestattet, um immer und immer wieder mit dem Wiederaufbau von vorne zu beginnen.

Denn das ist es letztlich, was wir tun können: Uns so gut wie möglich vorzubereiten, um dann gut damit umzugehen. Persönlich bedeutet das in Zeiten einer Virus-Krise, neben dem Einhalten der gebotenen Regeln, vor allem auch uns selbst zu stärken, unsere Gesundheit, unser Immunsystem. Und damit jenen Schutzwall, der jedem Virus die Stirn bieten soll, so widerstandsfähig wie möglich zu machen.

Das gilt gleichermaßen für jedes Unternehmen. Viele von ihnen wurden nicht nur unerwartet, sondern auch unverschuldet wie von einem Tornado getroffen. Wer da nicht auf festen finanziellen Beinen steht, kommt ins Wanken oder gar zu Fall. Rasche und unkomplizierte Hilfe, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu retten, ist der einzig richtige Weg. Hat die Krise erst einmal voll eingeschlagen, ist es müßig, darüber zu diskutieren, was Unternehmen hätten tun müssen, damit es gar nicht erst soweit kommt. Dafür ist es zu spät. Denn natürlich: Der beste Zeitpunkt, sich vorzubereiten, sich gut aufzustellen und zu stärken, ist immer rechtzeitig. Aber der zweitbeste, der ist immer jetzt!

In jeder Krise liegt auch die Kraft für notwendige Veränderung. Das zeigen viele Unternehmen derzeit auf beeindruckende Weise. Innerhalb von Tagen wurden Webshops gelauncht, Zustelldienste aktiviert, regionale Kooperationen initiiert und Kundenaktionen gestartet. Das ist Unternehmergeist vom Feinsten. Jetzt wird es darum gehen, wie sich Unternehmen nachhaltig stärken, damit sie dauerhaft jene Widerstandsfähigkeit aufbauen, die sie brauchen werden. Denn auch wenn diese Krise noch andauert – die nächste kommt bestimmt.

Fundament stärken

Die wichtigste Dimension dabei ist die Stärkung des unternehmerischen Immunsystems. Der entscheidende "Vitalwert" hierfür: Die finanzielle Reichweite. Wie lange kann ein Unternehmen ohne Umsätze überleben? Kommt es mit Ach und Krach ins nächste Monat? Oder ist die finanzielle Ausstattung für drei bis sechs Monate gesichert?

Dieser "Vitalwert" bestimmt mehr als alle anderen die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens in der Krise. Aber woher nehmen? Während in den Konzernen ganze Abteilungen voller Controller jeden Euro zweimal umdrehen, sind gerade viele kleine und mittlere Betrieb wirtschaftlich im "Sichtflug" unterwegs – oft trotz Nebel. Die Zahlen werden als unangenehme Begleiterscheinung der ach so geliebten Facharbeit gesehen, wegen der man ja eigentlich den Schritt ins Unternehmertum gewagt hat.

Dabei ist es eine der zentralen Unternehmeraufgaben ein "Cockpit" mit den wesentlichen "Instrumenten" einzurichten. Erst wer Klarheit über Zahlen und Kalkulation gewinnt, kann erkennen, ob der Flug ins Paradies oder ins Verderben führt. Ist mein Wareneinsatz zu hoch? Stehen Personaleinsatz und Umsatz im richtigen Verhältnis? Schlägt sich mein Lager schnell genug um? Werden Forderungen rasch beglichen? Wie entwickeln sich meine Zahlen im Vergleich zum Vorjahr, den Vergleichsmonaten oder der Branche?

Diese Fragen werden für jemanden, der sein Handwerk liebt, vermutlich keine emotionalen Höhenflüge auslösen. Sich nicht damit zu beschäftigen führt dennoch zur Bruchlandung. Auch wenn es politische Bewegungen gibt, für die Unternehmen mit Gewinnen die Ausgeburt des Bösen sind: Unternehmen, die dauerhaft keine Gewinne schreiben, sind die Arbeitslosen von morgen. Starke, finanziell gesunde Betriebe sollten also nicht nur im Interesse der Unternehmerinnen und Unternehmer selbst sein, sondern auch von uns als Gesellschaft und aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Unternehmenskultur stärken

Zweifelsfrei rückt die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes in unsicheren Zeiten an die oberste Stelle der wichtigsten Bedürfnisse. Doch auch auf diese Krise wird ein neuer Aufbruch folgen. So wie nach jedem Winter der Frühling kommt. Und dann wird "sicher" allein zu wenig sein. "New Work" ist dabei mehr als Tischtennis-Tische, Bälle-Bäder und Essensgutscheine. Die Stärke einer Unternehmenskultur bemisst sich an der Stärke ihres Zusammenhalts, ihres Teamspirits und dem damit verbundenen wertschätzenden und respektvollen Miteinander.

Krisenzeiten wirken dabei wie Lupen. Sie machen das Beste und das Schlechteste an Menschen und Unternehmen sichtbar. Während in den einen Betrieben nach wochenlangem Home Office die Videokonferenz-Bildschirme längst alle schwarz sind und auf der Tonspur mit gar nicht mehr so verdeckter Aggression die Fetzen fliegen, hat sich in anderen das Ausmaß des Zusammenhalts auf das nächste Level katapultiert. Man ist noch enger zusammen gewachsen. Das Vertrauen und Zutrauen in die Führung und ins Team sind gestiegen. Und die Bindung zum Arbeitgeber ist im All-Time-High. Ganz ohne Employer Branding Kampagne.

Es sind jene Betriebe die früher als andere erkannt haben, dass Unternehmenskultur nicht an der Oberfläche entsteht, sondern im innersten Kern von Unternehmen. Mit Führungskräften, die verstanden haben, dass Führung immer Ergebnis- und (!) Menschen-orientiert sein muss – und die ihr Führungshandwerk als solches verstehen und auch stetig weiter entwickeln. Mit starken Werten, die auch tatsächlich im Alltag spürbar und erlebbar sind, anstatt gerahmt an der Wand zu hängen. Und mit Unternehmerinnen und Unternehmern an der Spitze, die ihre Aufgabe darin sehen ein wertschätzendes und respektvolles Umfeld zu schaffen, in dem Menschen ihr volles Potenzial ausschöpfen und damit neben ihrem eigenen Erfolg auch zu dem des Unternehmens beitragen. Das schafft Anziehungskraft für die Besten der Besten.

Kundenbeziehung stärken

Bindung in einer digitalisierten, globalisierten Welt zu schaffen, wo wir jeden Tag mit Millionen Angeboten geflutet werden und wo Algorithmen von Google und Facebook entscheiden, was heute gut für uns ist, wird zur Königsdisziplin. Wer heute glaubt, der Wettbewerb sei mit "schneller, billiger, lauter" zu gewinnen, wird dabei bitter enttäuscht. Nach diesen Regeln gewinnen stets die großen Player.

Vielmehr geht es darum, das Spielfeld zu wechseln. Mehr denn je suchen Menschen in einer Welt, die sich gefühlt immer schneller dreht und in der Produkte und Dienstleistungen immer austauschbarer werden, vor allem eins: Nähe, Zugehörigkeit und Verwirklichung. Wer als Unternehmen in der Lage ist, diesen Durst zu stillen, wird loyale Wegbegleiter in seinen Kundinnen und Kunden finden. Voraussetzung dafür ist, dass Angebote neben ihrem rationalen Nutzen vor allem auch emotionale Wirkung stiften.

Menschen kaufen Überzeugungen, immer und überall. Egal ob im Wahllokal oder am Ladentisch. Wir schließen uns dort an, wo wir auf Gleichgesinnte treffen. Unternehmen mit Sinn, Überzeugung, Meinungen, Grundsätzen und Prinzipien, das ist es, was uns Nähe fühlen lässt. Das ist es, was uns ermöglicht mit unserem Kauf auch etwas über uns selbst auszudrücken. Wer wir sind, oder wer wir gerne sein möchten. Natürlich geht es auch um Qualität. Selbstverständlich braucht es Innovation. Doch gilt all das längst als Pflicht. Wer die Pflicht nicht schafft, ist rasch weg vom Fenster. Doch wer die Kür meistert, also auch emotionalen Nutzen stiftet, wird ein Ausmaß an Treue, Loyalität und Bindung erleben, das jede Krise übersteht.

Sich selbst stärken

Alles in allem zweifelsfrei eine Herkulesaufgabe, die hier vor den Unternehmerinnen und Unternehmern und ihren Teams liegt. Einmal mehr braucht es daher neben dem Handwerk auch die richtige Haltung: Unternehmertum ist Hochleistungssport. Auf sich selbst zu schauen, die eigene Gesundheit, Konstitution und mentale Fitness, ist dabei weit weg von egoistisch. Es ist schlichtweg professionell. Wenn im Flugzeug die Notsituation eintritt, wird empfohlen zunächst sich selbst die Sauerstoffmaske aufzusetzen, um danach anderen helfen zu können.

Die Unternehmerinnen und Unternehmer des Landes werden alle Kraft brauchen, um in den nächsten Monaten gemeinsam mit ihren Teams die Unternehmen (wieder) auf Vordermann zu bringen und zu neuer Stärke zurück zu führen. Sie haben, wie alle anderen, die in dieser Krise ihren Beitrag leisten, unsere Anerkennung, Wertschätzung und Unterstützung verdient. Das wäre eine Haltung, die uns auch hierzulande ganz gut stehen würde. Auch wenn es bei manchen ein Umdenken erfordert. Aber wie hat schon Winston Churchill's Rat für ein langes und erfolgreiches Leben gelautet: "No sports" und "Never waste a good crisis". Zumindest beim Zweiten könnten wir ihm folgen und aus dieser Zeit lernen.

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