Jahrzehntelang haben lineare Strichcodes wie der EAN-13 oder GS1-128 den globalen Warenfluss geprägt. Doch die Zeit als alleiniger Standard endet. 2D-Codes wie der GS1 DataMatrix finden schon seit einigen Jahren im Gesundheitsbereich und den technischen Industrien Anwendung. Jetzt aber ist die Zeit gekommen, in der auch im Lebensmittelbereich mit dem GS1 DataMatrix und dem QR Code mit GS1 Digital Link Datenträger genutzt werden, die weit über die reine Produkterkennung hinausgehen und Transparenz, Rückverfolgbarkeit und dynamische Kommunikation in einem einzigen Symbol vereinen. Für den Handel bedeutet das eine technologische und organisatorische Zäsur. Auch der Kontakt zu den Konsumenten:innen wird sich verändern.
Der Umstieg ist international vorgegeben. Spätestens Anfang 2028 müssen Scanner an den Kassen in der Lage sein, 2D-Codes standardisiert zu lesen. Die österreichischen Händler sind dafür besser vorbereitet, als es auf den ersten Blick scheint. Viele Handelsunternehmen haben bereits kamerabasierte Scanner im Einsatz, die technisch fähig sind, multidimensionale Codes zu erfassen. Die Herausforderung liegt also weniger in der Hardware, sondern vielmehr in der Frage, welche Informationen künftig codiert werden sollen und wie diese entlang der Prozesse verarbeitet werden. Christian Lauer, 2D-Experte bei GS1 Austria, der wichtigsten Datendrehscheibe in der heimischen FMCG-Branche, bringt es auf den Punkt: "Der erste Schritt zum 2D-Code sollte immer in der Betrachtung der eigenen Prozesse und der dafür benötigten Informationen liegen."
Von Fleisch bis Fisch: Praxisbeispiele zeigen das Potenzial
In Europa gibt es bereits einige „Early Movers", die zeigen, wie radikal sich der Einsatz von 2D-Codes auf Prozesse und Kundenerlebnis auswirkt. Besonders sichtbar ist das beim spanischen Handelsriesen Mercadona, der sein gesamtes frisches Fleischsortiment auf QR Codes mit GS1 Digital Link umgestellt hat. Der Code verbindet klassische Stammdaten mit einer digitalen Ebene, die den Kunden per Smartphone zusätzliche Informationen liefert – vom Ursprungsbetrieb über Verarbeitungshinweise bis zu Rezeptvorschlägen. Gleichzeitig kann das Kassensystem die für den Verkauf relevanten Daten ohne Zusatzaufwand auslesen. Mercadona berichtet von effizienterer Bestandsführung, einem präziseren Umgang mit Mindesthaltbarkeiten und einer spürbaren Reduktion von Lebensmittelabfällen.
Ein anderes Beispiel liefert die binca group, die sich auf Fisch und Meeresfrüchte spezialisiert hat. Die neue EU-Fischereikontrollverordnung verlangt ab 10. Jänner 2026 eine digitale Übermittlung zentraler Herkunftsdaten. Die Lösung basiert auf dem GS1 DataMatrix, der neben der GTIN auch Charge und MHD kompakt codiert, hiermit die Verbindung zwischen physischem Produkt und digitalem Datensatz herstellt und entlang der gesamten Lieferkette sicher kommunizierbar macht. Für die Branche ist das ein Quantensprung: Wo früher Papierdokumente oder manuelle Eingaben dominierten, entsteht nun ein digitaler Informationsfluss, der Rückverfolgbarkeit in Echtzeit ermöglicht. Auch die Weinwirtschaft hat bereits innovative Ansätze umgesetzt. Gemeinsam mit Bottlebooks und Marzek Etiketten & Packaging wurde ein E-Label unter Verwendung von QR Code mit GS1 Digital Link entwickelt, das gesetzlich vorgeschriebene Weinkenndaten digital verfügbar macht. Produzenten können Aktualisierungen ohne neues Etikett ausspielen, während Händler und Konsumenten stets auf die aktuellsten Informationen zugreifen.
Ein besonders anschauliches Beispiel für den praktischen Nutzen der neuen Codes liefert Metro Österreich. Der C&C-Händler hat im vergangenen Jahr begonnen, im gesamten Frische- und Ultrafrischebereich den GS1 DataMatrix einzusetzen, also dort, wo Kälte, Feuchtigkeit und beengte Etikettenflächen herkömmlichen Strichcodes häufig Grenzen setzen. Die Umstellung hat spürbare Effekte: Der Checkout-Prozess wurde deutlich beschleunigt, da die Scanner stabilere Leseergebnisse liefern, und die Fehlerquote beim Einscannen sank um rund 40 Prozent. Möglich wird das durch die höhere Robustheit und Informationsdichte des GS1 DataMatrix, der selbst auf kleinstem Raum zuverlässig funktioniert. Unterstützt wird Metro dabei auch vom Wiener Obst- und Gemüselieferanten Kasehs, der den 2D-Code bereits seit Jahren nutzt und damit detaillierte Herkunfts- und Qualitätsangaben direkt ans Regal und den Kunden liefert.
Regal und digitale Welt direkt verbunden
Diese Beispiele zeigen, dass der 2D-Code nicht nur ein neuer Aufdruck, sondern ein strategisches Werkzeug ist, das Prozesse im Hintergrund automatisiert und gleichzeitig den Zugang zu relevanten Informationen vereinfacht. Wie tiefgreifend die Veränderung ist, zeigt die Perspektive der Standardisierer. GS1 Austria-Experte Manfred Piller beschreibt die neue Flexibilität so: Hersteller und Händler werden künftig "je nach Bedarf wählen können", ob sie weiterhin lineare Barcodes nutzen oder auf GS1 DataMatrix und QR Code mit GS1 Digital Link setzen. Für den Handel bedeutet das vor allem Entscheidungsfreiheit: Produkte mit komplexen Anforderungen, also zum Beispiel Fleisch, Fisch, Molkereiprodukte oder hochpreisige Artikel, können zusätzliche Informationen tragen, während einfache Warengruppen weiterhin mit dem klassischen Strichcode auskommen.
Für Händler ergeben sich gleichzeitig mehrere Vorteile. Automatisierte MHD-Kontrollen werden möglich, Rückrufe lassen sich zielgenauer steuern, und die Bestandsführung wird genauer. Gleichzeitig öffnet der 2D-Code die Tür zu völlig neuen Kommunikationsmöglichkeiten: Ein Scan mit dem Smartphone reicht, um Rezepte, Markenstorys, Allergenhinweise oder Nachhaltigkeitsinformationen abzurufen. Das Ganze funktioniert mit QR Code und GS1 Digital Link ohne zusätzliche App. Damit verbindet der Code das Regal erstmals direkt mit der digitalen Welt.
Ein Multitalent, das erst am Anfang steht
Der 2D-Code entwickelt sich damit zum "Alleskönner" der Produktkennzeichnung. Er kann, was der EAN-Strichcode nie leisten konnte: Daten transportieren, aktualisieren, verlinken, rückverfolgen und kommunizieren. Hinter dieser Entwicklung steht jedoch nicht nur ein technologischer Fortschritt, sondern ein struktureller Wandel entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die entscheidende Frage ist daher nicht, ob der 2D-Code kommt, sondern wo und wie Handel und Industrie ihn tatsächlich einsetzen werden. Denn sein Mehrwert entsteht erst dort, wo Prozesse, Produkte und Informationsbedürfnisse von der zusätzlichen Datentiefe profitieren. Genau darauf spielt GS1-Experte Christian Lauer an, wenn er die Kernfrage nach dem idealen Einsatzpunkt stellt und antwortet: "Dann, wenn es notwendig ist."
www.gs1.at/2d-codes
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