Liebe geneigte Leser:innen, was haben Artikel 13 des österreichischen Staatsgrundgesetzes in Verbindung mit Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Artikel 5 Absatz 1 des deutschen Grundgesetzes und der erste Verfassungszusatz der USA gemeinsam? In all diesen höchsten rechtlichen Bestimmungen sind Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit verankert. Bisher galt gemeinhin die Auffassung, dass gerade in den USA dieser Schutz am weitesten reicht – weil dort selbst Hassrede, Hetze oder kommerzielle Kommunikation (Werbung) als Teil der geschützten freien Rede angesehen wurden.
Nur wo Meinungsfreiheit besteht, kann Demokratie existieren
Die Meinungsfreiheit gilt als essentielles Grundrecht, gleichrangig mit den elementaren Bedürfnissen nach Nahrung, Sicherheit und Freiheit. Nur wo Meinungsfreiheit besteht, kann Demokratie existieren – und die Geschichte lehrt uns, dass Fortschritt, Wohlstand und gesellschaftliches Wachstum ausschließlich im Rahmen demokratischer Systeme möglich sind.
Natürlich unterscheiden sich die Schutzniveaus, Wortlaute und Interpretationen der Normen. Aber das Schema, das wir in autokratischen Staaten oder Staaten mit autokratischen Tendenzen – ob Türkei, Russland oder zunehmend auch bestimmte Länder Europas – beobachten, ist immer gleich: Die extremen Rechten oder extremen Linken propagieren immer das Recht der freien Meinungsäußerung, vor allem dann, wenn sie in der Opposition sind bzw. Gesinnungsgenoss:innen in anderen Ländern an die Macht verhelfen wollen. Ein aktuelles Beispiel lieferte der Vizepräsident der USA, JD Vance, der meinte, in Deutschland würde keine Meinungsfreiheit herrschen. Kommen sie jedoch an die Macht, bedienen sie sich derselben Systematik: Gerichte, Behörden und mediale Machtinstrumente werden eingesetzt, um Oppositionelle mundtot zu machen. Wir sehen es an milliardenschweren Klagen gegen die New York Times, wie sie Donald Trump angestrengt hat. Wir sehen es in der Türkei, wo Journalist:innen regelmäßig kriminalisiert werden. Und wir sehen es am Fall des Komikers Jimmy Kimmel, der zwar eine vielleicht geschmacklose Bemerkung zum Mord an Charlie Kirk abgegeben hat, was aber noch lange kein Grund ist, ihm mit der Entziehung der Lizenz zu drohen. In der politischen Vereinnahmung von Medienaufsichten zeigt sich eine weitere Sollbruchstelle für die Meinungsfreiheit, die dann nicht mehr als unabhängige Institutionen agieren können, sondern sich mit Drohungen im Gangster-Stil konfrontiert sehen.
Hinzu kommt ein zweiter, nicht minder gefährlicher Trend: Medienunternehmen sind eben auch Wirtschaftsunternehmen. Wer sich den politischen Druckverhältnissen nicht beugt, riskiert nicht selten weniger als den eigenen Marktanteil. Also wird angepasst, geschwiegen, geschönt – bis hin zu offener Loyalität gegenüber den Regierenden. In den USA sehen wir Tech-Giganten und Sender, die faktisch zu Claqueuren der Politik geworden sind. Wer deren CEOs bei öffentlichen Auftritten ihre Huldigungen darbringen sieht, fragt sich schon, wie es sich eigentlich steht ohne Rückgrat.
Alternative Kommunikationskanäle
Parallel entstehen alternative Kommunikationskanäle der Autokraten selbst. Dass ein amtierender US-Präsident seinen eigenen Kanal ("Truth Social") betreibt, ist nur das sichtbarste Beispiel. Auch in Europa haben rechte wie linke Bewegungen längst eigene digitale Medienuniversen geschaffen, in denen sich ihre Gefolgschaft exklusiv informiert. Der Rückzug in Echokammern ist die logische Folge. Und wenn gleichzeitig unabhängige Stimmen eingeschüchtert oder abgedreht werden, ist das Ziel erreicht: Die Meinungsfreiheit wird faktisch untergraben, während Desinformation und Fake News die Diskurshoheit übernehmen.
Die Meinungsfreiheit ist in Gefahr
Die Antwort auf die Eingangsfrage ist daher eindeutig: Ja, die Meinungsfreiheit ist in Gefahr. Was also tun? Erstens: Wir brauchen eine klare Regulierung sozialer Medien. Nicht im Sinne staatlicher Zensur, wohl aber einer wirksamen Kontrolle gegen Hassrede und gezielte Falschinformation. Plattformen dürfen nicht länger durch bezahlte Algorithmen die Geschäftsmodelle von Qualitätsmedien untergraben und gleichzeitig ein Milliardengeschäft mit manipulierten Inhalten machen. Zweitens: Wir müssen unabhängigen Journalismus aktiv schützen, indem wir faire Rahmenbedingungen für dessen Finanzierung schaffen. Drittens: Wir brauchen Mut und Rückgrat – individuell und kollektiv. An dieser Stelle zitiere ich gerne Charlie Kirk, der meinte, "Meinungsfreiheit bedeutet nicht nur, sagen zu dürfen, was man will, es bedeutet auch, Dinge zu hören, die man nicht hören will." Diesen unbequemen Teil dürfen wir nicht verdrängen.
Offener Dialog
Für uns als Unternehmen bedeutet das, auch in einem kontroversen Umfeld immer bewusst den offenen Dialog zu suchen. Wir stellen uns kritischen Fragen, kommunizieren transparent und nehmen unterschiedliche Perspektiven ernst. Anbiederung an politische Strömungen, egal welcher Couleur, ist für uns keine Option. Unsere Glaubwürdigkeit beruht darauf, klar Haltung zu zeigen – auch wenn es unbequem ist. So wollen wir unseren Beitrag dazu leisten, dass die Meinungsfreiheit nicht nur als abstraktes Recht bestehen bleibt, sondern als gelebte Praxis im Alltag.
In diesem Sinne sollten wir uns alle die Verteidigung der Meinungsfreiheit zur Mission machen, denn sie ist zu wertvoll, um sie dem Spiel von Fake News und Machtinteressen zu überlassen.
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