Schubladen-Schätze
Recycling alter Smartphones könnte EU-weit 1,1 Milliarden Euro bringen

642 Millionen Altgeräte verstauben in europäischen Schubladen. Gut ein Drittel davon könnte für einen zweiten Lebenszyklus repariert und der Rest recycelt werden. Welche Rohstoff-Schätze sich darin verbergen, zeigt eine aktuelle Studie. 

Europaweit lagern etwa 642 Millionen Altgeräte in den heimischen Schubladen und Schränken – und das, obwohl rund ein Drittel dieser Geräte problemlos durch Refurbishment einen zweiten Lebenszyklus erhalten könnte. Das zeigte eine im Mai veröffentlichte, gemeinsame Studie von refurbed und Fraunhofer Austria (LEADERSNET berichtete).

Und selbst jene 431 Millionen Handys, die irreparabel und nicht refurbishbar sind, könnten durch Recycling in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden. Dabei könnten wichtige Materialien zurückgewonnen werden, die die Rohstoffunabhängigkeit Europas enorm beeinflussen würden. Die Rede ist hier, laut einer Berechnung von Fraunhofer Austria, von mehr als 5.000 Tonnen Kobalt, 129 Tonnen Magnesium, 431 Tonnen Zinn, 43 Tonnen Wolfram, neun Tonnen Gold und einer Tonne Palladium. Insgesamt ergebe sich daraus ein Materialwert von rund 1,1 Milliarden Euro (Rohstoffpreise Stand: Februar 2025). Dafür müssten die Geräte allerdings ihren Weg von den Schubladen hin zum Recycler finden. 

Österreichisches Rohstoff-Potenzial enorm

Aber nicht nur die europaweiten Zahlen sind beeindruckend, sondern auch jene von Österreich: Neben 4,4 Millionen Smartphones, die für Refurbishment geeignet werden, verkümmern hierzulande mit 9,3 Millionen recycelbaren Geräten ähnlich viele ausrangierte Smartphones in Schubladen, wie wir Einwohner:innen zählen. Daraus würden sich rund 113 Tonnen Kobalt, 186 Kilogramm Gold, 9,3 Tonnen Zinn, 930 Kilogramm Wolfram, 2,8 Tonnen Magnesium und 27,9 Kilogramm Palladium gewinnen lassen – mit einem Gesamt-Materialwert von 33 Millionen Euro (Rohstoffpreise Stand: Februar 2025).

Grafik 1 Europavergleich© refurbed

"Uns ist es wichtig, dieses Wirtschaftspotenzial aufzuzeigen, auch wenn wir keinen direkten Nutzen daraus ziehen. Aber unsere Vision bei refurbed war immer, den Konsum insgesamt nachhaltiger zu machen. Und da gehört neben der Frage 'Was können wir wiederaufbereiten?' eben auch die Frage dazu: 'Was machen wir mit den Rohstoffen, wenn Produkte nicht mehr erneuerbar sind?'", so Kilian Kaminski, Co-Founder von refurbed. Und Paul RudorfStudienautor von Fraunhofer Austria, ergänzt: "Die Metallkonzentration in einer Tonne Elektroschrott kann jene in einer Tonne erzhaltiger Erde, aus der diese Metalle durch konventionellen Bergbau gewonnen werden, deutlich übersteigen. In alten Smartphones zu 'schürfen' kann daher lohnenswert sein."

Recyclingquote europaweit gering

Aktuell wird lediglich ein Bruchteil der in ungenutzten Smartphones gebundenen Ressourcen wiedergewonnen – so liegt die weltweite Recyclingquote für Smartphones bei 7,5 Prozent, jene in Europa bei rund zehn Prozent. Stattdessen verbleibt ein Großteil der Altgeräte in Haushalten oder wird illegal exportiert. "Parallel zu diesen Zahlen verschärft sich die Rohstoffabhängigkeit der EU gegenüber anderen Ländern, während Millionen von alten Handys aus Nostalgie oder Ratlosigkeit in den Schubladen herumliegen", meint Kaminski. Die Menschen müssten ihm zufolge einsehen, dass die Altgeräte in unseren Schubladen ein aktiver Teil des E-Waste-Problems sind, weil sie wiederverwendbare Ressourcen blockieren. "Nur wenn wir das Ding in die Hand nehmen und zum Recycler bringen, werden wir unseren Rohstoffbedarf senken", appelliert der Experte.

Was in unseren Smartphones steckt

Neben dem Umweltaspekt habe Recycling laut der Studie auch große wirtschaftliche Vorteile. Immerhin werden zur Herstellung neuer Elektronikgeräte große Mengen an Rohstoffen benötigt, darunter auch sogenannte "Critical Raw Materials" (CRM) und "Conflict Materials" (CM). Während CRM (z. B. Kobalt, Kupfer, Magnesium oder Palladium) von der EU als wirtschaftlich besonders wichtige Rohstoffe mit Versorgungsrisiken definiert sind, stammen CM (z. B. Zinn, Tantal, Wolfram und Gold) vor allem aus Konfliktregionen, finanzieren dort oftmals bewaffnete Gruppen und verursachen zusätzlich gravierende soziale wie ökologische Schäden. Und weil all diese Rohstoffe selten und begrenzt sind, rutscht die EU zunehmend in Abhängigkeit von Rohstofflieferanten weltweit. 

Wie viel dieser wertvollen Ressourcen tatsächlich in einem durchschnittlichen Smartphone steckt, hat sich Fraunhofer Austria ebenfalls angesehen. So beinhalte etwa das iPhone 12 (160 g Gesamtgewicht, davon rund 43 g verbaute Metalle) etwa 12,2 Gramm Kobalt, 0,3 Gramm Magnesium und 0,003 Gramm Palladium (CRM) sowie 1 Gramm Zinn, 0,1 Gramm Wolfram und 0,02 Gramm Gold (CM).

Grafik 2 Österreich Altbestand© refurbed

www.refurbed.at

www.fraunhofer.at

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