LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Krizek, Sie sind Gründer von Navax und können auf über 30 Jahre Firmengeschichte zurückblicken. Was hat sich in dieser Zeit getan – und spüren Sie heute Aufbruchsstimmung?
Oliver Krizek: Zunächst einmal bin ich in dieser Zeit natürlich älter geworden – inzwischen mehr als doppelt so alt wie zu Beginn. Gleichzeitig hat sich etwas entwickelt, womit ich anfangs niemals gerechnet hätte: Aus einer Ein-Mann-Show ist ein Unternehmen mit bald 340 Mitarbeitenden geworden, das heute in unterschiedlichen Branchen und Ländern tätig ist. Diese Entwicklung erfüllt mich mit Stolz – auch deshalb, weil uns viele Kolleg:innen seit Jahrzehnten begleiten. Einige sind tatsächlich seit den ersten Tagen dabei. Ich denke, wir haben damit nicht nur ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut, sondern auch ein Umfeld geschaffen, das Menschen langfristige Perspektiven und vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten bietet.
LEADERSNET: Was war innerhalb der letzten 30 Jahre Ihr Geheimrezept, um zu einem Digitalisierungsexperten zu werden?
Krizek: Ein eigentliches Geheimrezept hatte ich nie. Anders als viele Unternehmen, die mit großen Businessplänen oder klaren Zielvorgaben starten, ist bei uns vieles organisch entstanden – aus der Freude heraus, mit Menschen und Kund:innen zu arbeiten. Ein Schritt ergab den nächsten. Ich habe nie mit dem Gedanken gearbeitet: 'Heute muss es eine Million sein, morgen zehn'. Vielmehr stand immer im Vordergrund, dass die Arbeit Freude bereitet, dass wir Menschen mitnehmen und gemeinsam etwas gestalten. Dieser menschliche Erfolg hat letztlich auch den wirtschaftlichen Erfolg ermöglicht und das Unternehmen wachsen lassen.
Entscheidend ist, dass wir nahezu zu 100 Prozent von der Wertschöpfung unserer Mitarbeitenden leben. Ohne ein funktionierendes Ökosystem für sie kann ein Unternehmen nicht nachhaltig erfolgreich sein. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist, dass ich mich selbst nie zu wichtig genommen habe. Ich freue mich stets, wenn Mitarbeitende mehr wissen als ich – denn genau das bringt uns alle weiter.
LEADERSNET: Wir hören immer wieder von digitaler Transformation und Künstlicher Intelligenz. Wie stark werden diese Technologien aktuell in Ihren Projekten eingesetzt – oder stecken wir hierzulande noch in den Kinderschuhen?
Krizek: Österreich und Deutschland liegen im internationalen Vergleich deutlich zurück – das zeigt sich immer wieder, auch im Austausch mit Unternehmer:innen aus anderen Ländern. Was hierzulande passiert, wirkt im Vergleich zu den enormen Investitionen und der Innovationsbereitschaft in anderen Märkten fast wie ein Kindergarten.
Gleichzeitig eröffnet uns genau das große Chancen: In den vergangenen Monaten haben wir massiv investiert, neue Teams aufgebaut und Produkte entwickelt, um diese Technologien in die Unternehmen und zu den Mitarbeitenden zu bringen. Der noch sehr behäbige und konservative österreichische Markt wird sich in den kommenden Monaten bewegen müssen – auch, weil der internationale Druck erheblich steigen wird. Österreich ist keine Insel der Glückseligen, die sich dem Wandel entziehen kann. Für uns bedeutet das ein breites Spielfeld und enorme Möglichkeiten.
LEADERSNET: Können Sie unseren Leser:innen kurz erläutern, welche Dienstleistungen und Lösungen Navax anbietet?
Krizek: Wir bieten ein sehr breites Spektrum an Lösungen – von Verwaltungs- und Automatisierungstools bis zu datenbasierten Analyseanwendungen. Viele interne Prozesse haben wir selbst stark vereinfacht, verschlankt und automatisiert. Ich arbeite beispielsweise ohne Assistenz, weil vieles heute digital abgewickelt werden kann. Eine schlanke Organisation ist aus meiner Sicht ein zentrales Erfolgsrezept moderner IT-Unternehmen.
Darüber hinaus haben wir mit unserem "Navbot" eine eigene Plattform entwickelt, die allen Mitarbeitenden einen 360-Grad-Blick auf Kund:innen und Unternehmensdaten ermöglicht. So gelangen sie deutlich schneller an alle relevanten Informationen. Gleichzeitig haben wir klare Strukturen geschaffen, um Datenschutz, DSGVO-Anforderungen und Berechtigungskonzepte sauber abzubilden – zentrale Herausforderungen in der Digitalisierung.
Zusätzlich entwickeln wir Anwendungen, die auf bestehenden Unternehmenssoftwares wie ERP- oder CRM-Systemen aufsetzen. Diese analysieren beispielsweise Finanzdaten automatisch und liefern nicht nur Zahlen, sondern auch interpretierte Kommentare sowie Handlungsempfehlungen. Damit unterstützen wir unsere Kund:innen dabei, Erfolge oder Risiken frühzeitig zu erkennen und fundierte Management-Entscheidungen zu treffen.
LEADERSNET: Sie haben vorhin erwähnt, dass der deutschsprachige Raum bei neuen Technologien noch hinterherhinkt. Was müsste geschehen, um hier "state of the art" zu werden?
Krizek: Im deutschsprachigen Raum begegne ich auf Messen oder Konferenzen häufig einer gewissen Grundskepsis gegenüber neuen Technologien – sowohl aufgrund regulatorischer Hürden als auch kultureller Prägungen. Deutschland und Österreich wollen oft die "Klassenbesten" sein und alles besonders korrekt und perfekt gestalten. Das ist an sich nichts Negatives, führt jedoch dazu, dass Innovationen häufig mit übermäßiger Vorsicht behandelt werden.
Hinzu kommt eine öffentliche Diskussion, die stark auf Einsparungen und Risiken fokussiert ist. Neues wird dadurch schnell als potenziell gefährlich abgestempelt. Aus meiner Sicht stellt dies vor allem eine emotionale Barriere dar, die den Einsatz neuer Technologien bislang gebremst hat.
Die große Welle wird jedoch kommen. Österreichische Unternehmen setzen neue Lösungen zwar bereits ein, allerdings noch deutlich zögerlicher als viele internationale Wettbewerber. Langfristig wird sich dies ändern, einfach weil der globale Fortschritt nicht an uns vorbeigehen wird.
LEADERSNET: Welche Pläne hat Ihr Unternehmen für die nächsten zwei Jahre? Werden neue Produkte oder Dienstleistungen eingeführt?
Krizek: Wir wollen in den kommenden Jahren konsequent weiterwachsen – das war einer der Gründe, warum wir Investoren an Bord geholt haben. Aktuell prüfen wir laufend Beteiligungen an Unternehmen, deren Technologien, Know-how und Teams gut zu uns passen und die wir in unsere Gruppe integrieren können. Dabei liegt der Fokus vor allem auf internationalen Märkten.
LEADERSNET: Welche Geschäftsbereiche umfasst Navax heute und wie sind diese strukturiert?
Krizek: Unsere Unternehmensgruppe ist im Wesentlichen in zwei Divisionen organisiert. Die erste entwickelt und implementiert eigene Softwarelösungen für Leasing und Factoring. In diesem Bereich zählen wir mittlerweile zu den führenden Anbietern im deutschsprachigen Raum – fast kein größeres Projekt geht an uns vorbei.
Die zweite Division konzentriert sich auf Microsoft Dynamics und umfassendes Business-Consulting. Hier betreuen wir vor allem Unternehmen aus der Produktion, dem Professional-Services-Bereich und der Bauwirtschaft. Wir bieten ganzheitliche betriebswirtschaftliche Lösungen – von Einkauf, Verkauf und Lager über Finanzbuchhaltung, Kostenrechnung und CRM bis zu analytischem CRM und KI-Anwendungen.
Unser Ziel ist es, Unternehmen langfristig zu begleiten. Viele unserer Kund:innen arbeiten seit zehn bis fünfzehn Jahren mit uns zusammen. Früher wurden ERP-Systeme alle sieben Jahre ausgetauscht, heute nutzen viele Unternehmen unsere Lösungen deutlich länger, weil wir sämtliche Geschäftsprozesse möglichst umfassend digital abbilden und unterstützen.
LEADERSNET: Welche Branchen gehören zu Ihrer Stärke und wo sehen Sie noch Wachstumspotenzial?
Krizek: Zu unseren stärksten Branchen zählt der Servicebereich – hier sind wir ohne Zweifel führend. Ebenso stark sind wir im Fertigungsbereich, wo wir mit unseren Microsoft-Lösungen eine solide Basis geschaffen haben. Dabei decken wir nicht nur klassische Office- und Maschinenbauprozesse ab, sondern bringen auch branchenspezifisches Know-how ein, das wir über Jahrzehnte gesammelt haben.
Früher kamen Kund:innen mit der Vorstellung, dass wir ausschließlich programmieren. Heute arbeiten wir auf Augenhöhe, integrieren Praxiswissen und bringen fachliche Expertise direkt in die Projekte ein. Wenn wir beispielsweise Finanzbuchhaltungen abbilden, sitzen Fachleute wie Bilanzbuchhalter:innen dahinter, die die jeweilige Branche verstehen. Auch unser Personal stammt zunehmend aus den entsprechenden Branchen und weniger aus klassischer IT, sodass die Kommunikation mit den Kund:innen wesentlich effizienter wird.
LEADERSNET: Wie wirkt sich die aktuelle Wirtschaftslage in Österreich auf Ihr Geschäft aus?
Krizek: Die österreichische Wirtschaft ist derzeit noch angeschlagen, und das spüren auch wir. Obwohl wir IT-Lösungen liefern, hängen wir stark von der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Kund:innen ab. Ein Nullwachstum oder nur geringes Wachstum wirkt sich zwangsläufig auf uns aus. Dennoch blicken wir optimistisch in die Zukunft, da wir überzeugt sind, dass sich die Situation wieder stabilisieren wird. Die Herausforderungen sind real, gleichzeitig aber auch Ansporn und Chance.
LEADERSNET: Sie haben über 300 Mitarbeitende. Wie schaffen Sie es, diese zu halten? Stimmt es, dass Österreich einen Mangel an Spezialist:innen hat?
Krizek: Mitarbeitende zu halten gelingt vor allem, indem man sie begeistert und wertschätzt. Früher habe ich das scherzhaft als Aufgabe des "Chief Entertainment Officer" bezeichnet – letztlich geht es darum, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Menschen gerne bleiben. Natürlich spielt auch das Gehalt eine Rolle, doch entscheidend sind zusätzliche Faktoren wie Benefits, Weiterbildung, Teamevents und persönliche Betreuung, durch die wir die Fluktuation aktiv steuern können.
Mir ist es wichtig, jede Person im Unternehmen wahrzunehmen – vom Empfang bis zum:r besten Entwickler:in. Alle tragen zum Erfolg bei, und das Zusammenspiel aller Kräfte ist ausschlaggebend. Je mehr wir unsere Mitarbeitenden als Menschen sehen und ihre Arbeit wertschätzen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie uns langfristig treu bleiben.
LEADERSNET: Eine abschließende Frage: Was würden Sie jungen Österreicher:innen raten, die Spezialist:innen werden wollen?
Krizek: Die HTLs im technischen Bereich sind ausgezeichnet – die Absolvent:innen, die wir von dort gewinnen, gehören zur Spitzenklasse. Österreich verfügt über sehr hochwertige Ausbildungsmöglichkeiten, und das sollten wir stärker anerkennen und fördern. Natürlich gibt es auch Herausforderungen, doch die vielen Chancen und Stärken überwiegen deutlich.
Das gesamte Gespräch mit Oliver Krizek sehen Sie im LEADERSNET.tv-Video.
www.navax.com
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