Zum ersten Mal in der Geschichte des DomQuartiers Salzburg verwandeln sich die prachtvollen Prunkräume der ehemaligen fürsterzbischöflichen Residenz in eine Galerie für zeitgenössische Skulptur. Bis zum 6. Oktober 2025 präsentiert die Ausstellung "Tony Cragg: Zeiten" die neuesten Werke des britischen Turner-Preisträgers in einem der bedeutendsten historischen Räume Österreichs.
Ein Künstler zwischen Materialität und Bedeutung
Tony Cragg, der sich selbst als "radikalen Materialisten" bezeichnet, ist bekannt für seine intensive Auseinandersetzung mit den inneren Strukturen von Materialien. Der 1949 in Liverpool geborene Bildhauer, der seit 1979 in Wuppertal lebt und arbeitet, hat eine unverwechselbare skulpturale Sprache entwickelt, die die komplexen Beziehungen zwischen der natürlichen und der menschengemachten Welt erforscht.
Seine Karriere ist geprägt von bedeutenden Auszeichnungen: 1988 erhielt er den Turner-Preis, wurde 1992 zum Chevalier des Arts et des Lettres ernannt und 2007 mit dem prestigeträchtigen japanischen Praemium Imperiale ausgezeichnet. Seine Werke waren auf der documenta in Kassel, der Biennale von Venedig und zuletzt in renommierten Museen wie der Pinakothek der Moderne in München oder der Albertina in Wien zu sehen.

TC 1398 – TC 1402 Schöne Galerie © DQS/Ghezzi/Bildrecht, Wien 2025
Maßgeschneidert für die Salzburger Prunkräume
Was die Salzburger Ausstellung besonders auszeichnet, ist die spezielle Konzeption der Werke für diese historischen Räume. Cragg ließ sich direkt von der prachtvollen Ausstattung der fürsterzbischöflichen Palastanlage inspirieren. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür ist die Skulptur "Level Surface": Mit einem 3D-Scanner wurde ein hochpräzises Modell eines eleganten Biedermeiertisches in den Prunkräumen erstellt, dessen organisch geschwungene Beine als Grundlage für den Entwurf der 250 Kilogramm schweren Skulptur aus Necuron dienten.

TC 1397, Distant Cousin, 2021, Fiberglas, 163,5 kg, 220 x 330 x 260 cm © DQS/Ghezzi/Bildrecht, Wien 2025
Ein Dialog mit der Geschichte
"In diesen kunsthistorisch bedeutenden Räumen zeitgenössische Skulpturen auszustellen, erzeugt eine besondere Dynamik", erklärt Cragg selbst. Seine Skulpturen stellen die vorhandenen Symmetrien und Strukturen der repräsentativen Räume nicht in Frage, sondern besetzen sie auf eine völlig neue Weise.
Andrea Stockhammer, Direktorin des DomQuartiers, betont die historische Kontinuität: "Die hervorragendsten Künstler ihrer Zeit haben den Prunkräumen im Auftrag der Fürsterzbischöfe von Salzburg über die Jahrhunderte ihre Erscheinung verliehen. In dieser Tradition setzt Tony Cragg heute ein Statement in diesen bedeutungsvollen Ort."

TC 1403, Level Surface, 2025, Necuron, ca. 250 kg, 210 x 206 x 125 cm © DQS/Ghezzi/Bildrecht, Wien 2025
Zwischen Natur und Abstraktion
Craggs Arbeiten zeichnen sich durch ihre biomorphen Formen aus, die oft an abstrahierte Gesichter oder Köpfe erinnern. Seine überlagerten und verschlungenen Formen lassen figurative Landschaften entstehen, deren angedeutete Bewegung an italienische Futuristen wie Umberto Boccioni erinnert, während ihre reduzierte Vertikalität Bezüge zu Constantin Brancusi aufweist.
Das zentrale Anliegen des Künstlers ist die Frage, wie Formen im Raum funktionieren und mit ihm interagieren – sowohl physisch als auch psychologisch. Das Wechselspiel zwischen positivem und negativem Raum wird zu einem zentralen Strukturierungsprinzip, das dem Betrachter seine eigene Beziehung zum Raum und zur materiellen Welt bewusst macht.
Tony Cragg: Zeiten
DomQuartier Salzburg
Bis 6. Oktober 2025
www.domquartier.at