Chinesischer Billiganbieter plant Europa-Offensive
Jetzt drängt Temu auch noch in den Lebensmittelhandel

| Redaktion 
| 10.07.2025

Der chinesische Billiganbieter plant den Einstieg in den europäischen Lebensmittelhandel – auch in Österreich. Der Handelsverband sieht die Nahversorgung sowie die Lebensmittelsicherheit und den fairen Wettbewerb bedroht.

Was bislang vor allem ein Thema für Kleidung, Technik und Kleinteile war, könnte bald auch den Lebensmittelbereich betreffen: Der chinesische Online-Marktplatz Temu möchte sich laut aktuellen Berichten neue Geschäftsfelder in Europa erschließen, darunter offenbar auch den Handel mit Lebensmitteln. Ein eigens gebildetes EU-Team soll bereits erste Gespräche mit europäischen Produzenten führen. Der Handelsverband sieht diese Entwicklung mit großer Sorge. Geschäftsführer Rainer Will warnt: "Der Lebensmittelhandel zählt zur kritischen Infrastruktur, er sichert die Nahversorgung der gesamten Bevölkerung. In diesem sensiblen Bereich dürfen Qualität, Rückverfolgbarkeit und Sicherheit keine Verhandlungsmasse sein."

Preisdumping, zweifelhafte Produktsicherheit

Temu ist – wie ähnliche Plattformen aus Fernost – bekannt für aggressive Preisdumpingstrategien, mangelhafte Produktsicherheit und intransparente Lieferketten. Immer wieder wurden von Verbraucherschutzorganisationen gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe oder fehlende Kennzeichnungen festgestellt. Dass nun auch der Vertrieb von Lebensmitteln geplant sei, ohne eigene Lagerstrukturen aufzubauen oder sich an europäische Standards zu halten, sei ein alarmierendes Signal.

Hinzu kommt der geopolitische Kontext: Der chinesische Volkskongress hat sich darauf festgelegt, den grenzüberschreitenden E-Commerce jedes Jahr um zehn Prozent zu steigern – mit Europa als künftigen Schwerpunktmarkt. In China selbst liegt der Onlineanteil am Einzelhandel bereits bei 60 Prozent. Allein im Vorjahr wurden dort pro Kopf rund 125 Pakete bestellt, heuer dürften es 145 sein. Schon jetzt entfällt rund die Hälfte davon auf Lebensmittel.

Der österreichische Lebensmittelhandel hingegen setzt auf regionale Produkte, hohe Umwelt- und Tierschutzstandards sowie auf Gütesiegel, wie etwa jenes der AMA. Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch betont: "In unseren Regalen findet sich eine Vielzahl an lokal produzierten Qualitätsprodukten. Der Handel trägt damit entscheidend zum Erhalt der bäuerlichen Strukturen in Österreich bei. Und wir wollen, dass das auch so bleibt."

Fairer Wettbewerb in Gefahr?

Laut Rainer Will untergräbt der nahezu unregulierte Marktzugang von Fernost-Plattformen den fairen Wettbewerb innerhalb der EU. Wenn die Politik nicht rasch handle, könne das schwerwiegende Folgen haben – für lokale Produzenten ebenso wie für die Steuerbasis vieler Gemeinden. Bereits jetzt sei die Flut an falsch deklarierten Paketen ein Problem: "Der scheinbar günstige Warenbezug über Temu kommt uns letztlich teuer zu stehen", warnt Will. Städte und Gemeinden würden Einnahmen verlieren, während Müllberge steigen und regionale Strukturen ausgehöhlt würden.

Die von der Bundesregierung angekündigten strengeren Kontrollen seien ein erster Schritt. Doch der Handelsverband fordert mehr: ein konsequentes Vorgehen auf EU-Ebene – nicht irgendwann, sondern jetzt. "Es ist schon fünf nach zwölf. Wir können nicht auf die EU-Zollreform 2028 warten. Brüssel muss sofort handeln", appelliert Will an die Europäische Kommission. Denn was auf den ersten Blick nach einer weiteren Expansion eines Online-Riesen aussieht, könnte sich als massiver Einschnitt für den europäischen Lebensmittelhandel und die Nahversorgung der Bevölkerung entpuppen.

www.handelsverband.at

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