Die EU-Kommission hatte am 26. Februar diesen Jahres die Omnibuspakete I und II vorgelegt, mit dem Ziel, regulatorische Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit und die europäischen Investitionsprogramme zu vereinfachen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken. Demnach soll, wenn die Vorschläge in der vorlegenden Form angenommen und umgesetzt werden, nach Schätzungen der EU-Kommission jährliche Verwaltungskosten in Höhe von insgesamt 6,3 Milliarden Euro eingespart und obendrein öffentliche sowie private Investitionskapazitäten in Höhe von 50 Milliarden Euro zur Unterstützung der politischen Prioritäten mobilisiert werden. Das heißt, mit der EU-Omnibus-Initiative beabsichtigt man, Wettbewerbs- und Klimaziele besser in Einklang zu bringen. Wesentliche Vereinfachungen sollen dabei erreicht werden, indem der Verwaltungsaufwand bis zum Ende dieser Amtszeit um mindestens 25 Prozent und für KMU um mindestens 35 Prozent verringert wird.
Auswirkungen der Initiative auf nachhaltige Unternehmensführung
Doch diese geplante Entlastung von Unternehmen sorgt auch für gemischte Reaktionen in der Wirtschaft. Man begrüße zwar eine Reduktion des Berichtaufwandes, jedoch sehen Expert:innen hier Risiken für Glaubwürdigkeit, Planungssicherheit und die langfristige Verankerung von Nachhaltigkeit. Um die EU-Omnibus-Initiative samt ihren Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft zu besprechen, kamen im Rahmen von respACT-Talk rund 50 Vertreter:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Österreichischen Genossenschaftsverband (ÖGV) zusammen. Sie sprachen über die Auswirkungen der Initiative auf nachhaltige Unternehmensführung und verdeutlichten dabei: Weniger Regulierung darf nicht zu weniger Verantwortung führen.
Diese ersten Omnibuspakete umfassen Vereinfachungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung, der Lieferkettenrichtlinie, der EU-Taxonomie, dem Mechanismus zur Anpassung der Emissionsobergrenzen sowie den Europäischen Investitionsprogrammen. "Die geplante Änderung der CSR-Richtlinie könnte dazu führen, dass berichtspflichtige Unternehmen, wie etwa das Umweltbundesamt, künftig nicht mehr berichten müssten", so Monika Brom, Expertin für Enviromental Management Systems and Sustainability Reporting im Umweltbundesamt. "Das sorgt für Verunsicherung und gefährdet die Verankerung von Nachhaltigkeit in der Unternehmenspraxis."
Und auch Josef Baumüller von der WU/ TU Wien äußert sich kritisch: "Ein großer Teil der Vorhaben der letzten Jahre in puncto Nachhaltigkeit ist zur bloßen 'Verhandlungsmasse' geworden. Das Fundament des Green Deal bricht damit weg. Den Interessen der Wirtschaft wird jedenfalls nicht zugetragen – weder kurz-, mittel- noch langfristig."
Nachhaltigkeit als Notwendigkeit – nicht als Option
Im Rahmen der Veranstaltung wurde eine Paneldiskussion gestartet, bei der die Unternehmensvertreter:innen aus der Praxis berichteten, dass Nachhaltigkeit längst zur unternehmerischen Pflicht geworden sei und weit über gesetzliche Anforderungen hinausgehe. "Für uns als produzierendes Unternehmen ist klar: Die Auseinandersetzung mit Klimarisiken ist längst ein betriebswirtschaftliches Muss", betont Sophie Valina, Head of ESG der Nöm AG. "Nachhaltigkeit darf kein Nice-to-have sein, sondern ist entscheidend für Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsstärke. Gerade deshalb braucht es in der politischen und fachlichen Debatte mehr Raum für die Perspektiven aus der Praxis."
Alexander Boubal, Chief Sustainability Officer der Simacek GmbH, unterstrich zudem die strategische Bedeutung nachhaltiger Ansätze. Laut ihm entscheide sich Nachhaltigkeit gerade in einer arbeitsintensiven Branche nicht nur in CO₂-Bilanzen, sondern vor allem im Umgang mit Menschen. "Die soziale Dimension ist für uns ein zentraler Hebel für langfristige Wirkung", so Boubal.
Nachhaltigkeitsberichterstattung als zentrales Steuerungselement
Einig waren sich alle Teilnehmer:innen darüber, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung ein zentrales Steuerelement für Unternehmen bleibe. "Trotz aller Verunsicherung rund um die aktuellen Omnibus-Aktivitäten wird deutlich: Der grundsätzliche Wert von Nachhaltigkeits-Reporting wird nicht infrage gestellt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich ohne akuten Regulierungsdruck strategisch im Bereich Nachhaltigkeit aufzustellen, um die Zukunftsfähigkeit und Resilienz des eigenen Unternehmens zu sichern", fügt Eva Maria Meißl, Senior Expert bei der EFS Unternehmensberatung, hinzu.
Die Diskussion habe gezeigt, es brauche keine neuen Hürden, sondern klare Rahmenbedingungen, verlässliche Datenstrukturen und gezielte Unterstützung – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Das heißt, anstelle eines regulatorischen Rückbaus müsse die Transformation zur nachhaltigen Wirtschaft aktiv begleitet werden, so die Expert:innen. "Nachhaltigkeit darf nicht an Bedeutung verlieren. Statt Unsicherheit braucht es jetzt Klarheit und Rückenwind für verantwortungsvolles Wirtschaften", resümiert Daniela Knieling, respACT-Geschäftsführerin.
Weiters wurde im Rahmen der Veranstaltung die Broschüre "So geht Nachhaltigkeit: für KMU und Genossenschaften" der Volksbank Wien, die gemeinsam mit respACT die Veranstaltung verantwortete, präsentiert. Alle Informationen dazu finden Sie hier.
www.respact.at
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