Editorial des Herausgebers
Lieferkettengesetz zwischen Anspruch und Praxis

| Wolfgang Zechner 
| 24.06.2025

Das EU-Lieferkettengesetz ist inhaltlich wichtig. Menschenrechte und Umweltstandards in globalen Produktionsketten dürfen kein Lippenbekenntnis bleiben. Doch wer genau hinsieht, erkennt: Unternehmen, die über drohende Überregulierung und kaum erfüllbare Berichtspflichten klagen, tun das oft nicht ohne Grund.

Der jüngste Beschluss der EU-Mitgliedsstaaten, die Schwellenwerte für die Verpflichtung anzuheben und die Anforderungen bei der Dokumentation zu lockern, ist ein Schritt, der bei vielen in der Wirtschaft auf Erleichterung stößt. Denn der Alltag in der Praxis sieht oft anders aus als am Verhandlungstisch in Brüssel. Vor allem mittelständische Unternehmen stoßen bei der lückenlosen Überwachung ganzer Lieferketten rasch an personelle und finanzielle Grenzen. Wer hier von einem Frontalangriff auf die Menschenrechte spricht, macht es sich zu leicht.

Gleichzeitig bleibt es richtig, auf ein starkes und wirksames Lieferkettengesetz hinzuarbeiten. Wer Zwangs- und Kinderarbeit oder Umweltzerstörung in globalen Lieferketten nicht dulden will, muss Unternehmen in die Pflicht nehmen. Aber eben mit Augenmaß. Es braucht Vorgaben, die praktikabel sind und sich in der Unternehmensrealität auch umsetzen lassen. Das gilt besonders für die in vielen Fällen extrem aufwendige Nachweispflicht. Nicht jedes Unternehmen kann es sich leisten, zusätzliche Mitarbeiter:innen einzustellen, nur um den ausufernden Brüsseler Dokumentations-Fetisch zu befriedigen.

Die aktuelle Diskussion zeigt: Die Balance zwischen notwendiger Verantwortung und zumutbarer Bürokratie ist noch nicht gefunden. Dass die EU-Länder hier erneut nachjustieren, ist deshalb kein Skandal, sondern ein Reflex auf berechtigte Bedenken. Nun wird es entscheidend sein, eine vernünftige Lösung zu finden – damit am Ende weder ein stumpfes Gesetz noch eine überforderte Wirtschaft übrig bleibt.

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