In Freundschaft verbunden

| Redaktion 
| 10.12.2023

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Welche Vielzahl an Themen einen im Laufe eines Tages, einer Woche oder eines Monats beschäftigen wird manchmal erst klar, wenn etwas Unterwartetes eintritt. Etwas, das einen innehalten lässt, weil es den umherschwirrenden Angelegenheiten urplötzlich die Wichtigkeit entzieht. Während ich schon einen Gastkommentar zum Thema Superwahljahr 2024 und die möglichen Auswirkungen einer Wiederwahl Trumps skizzierte, erreichte mich der Anruf eines lieben Freundes. Die ihm widerfahrene tragische Geschichte, von der er mir erzählte, stellten die weltpolitischen Themen plötzlich in den Schatten. Sein Anruf setzte Gedanken über Freundschaft, über Verbundenheit und Vertrauen bei mir in Gang, die ich also stattdessen mit Ihnen teilen möchte.

Was bedeutet Freundschaft?

Meine Überlegung – und vielleicht teilen Sie diese Ansicht nach meinen Ausführungen ja mit mir – ist, dass die Grundlage alles Politischen, aber auch unserer Gesellschaft die wahre Freundschaft ist. Was aber bedeutet Freundschaft? Die allgemein zugängliche Definition ist "ein auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander, das sich durch Sympathie und Vertrauen auszeichnet". Meine geneigten Leser:innen ahnen bereits, dass ich mich mit dieser Definition nicht zufriedengebe.

Das Wort "Freundschaft", durch sozialdemokratische Parteiangehörige beinahe schlachtrufartig vor sich hergetragen, lässt wenig von der oben beschriebenen Sympathie oder gar Vertrauen aufkommen. Es fühlt sich nicht "echt" an, ebenso wenig wie unsere tausend Social Media "Freundschaften", von denen wir einen Gutteil gar nicht oder wenn überhaupt nur flüchtig kennengelernt haben, die aber unmittelbar danach aus unserem Gedächtnis, nicht aber aus unserer Freundesliste verschwunden sind. Und auch im echten Leben sind wir vor derlei falschen Freundschaften nicht gefeit – auch Sie kennen bestimmt die eine Person, die sich immer nur meldet, wenn Sie ihr nützlich sein können.

Vertrauen, Loyalität, Ehrlichkeit und Akzeptanz 

Lassen Sie uns also etwas tiefer in diese Materie eintauchen. Der in der Schweiz geborene Brite und Autor Alain de Botton meint: "Freunde zeigen, wie sehr sie uns vertrauen, indem sie Fehler und Sorgen mit uns teilen, die sie verwundbar für mögliche Demütigungen machen." Freunde vertrauen sich einem an, während Bekannte oder Arbeitskolleg:innen unterdessen ihre Unzulänglichkeiten vor einem verbergen. Freunde zeigen ihre Verwundbarkeit und erlauben es damit einem selbst, ebenso verwundbar zu sein. Zu einer Freundschaft gehört meiner persönlichen Ansicht nach auch die Zuversicht, dass die dem anderen anvertrauten Sorgen den geschützten Rahmen dieser Freundschaft nicht verlassen. Vertrauen eben. Vertrauen, Loyalität, Ehrlichkeit und Akzeptanz – so sehen für mich die Kennzeichen von wahrer Freundschaft aus.

Damit ist hoffentlich der Unterschied zwischen Bekannten und Freunden klargestellt. Um Freundschaften zu pflegen, bedarf es innerhalb dieser aufrichtig zu sein und zu bleiben, sich nicht zu verstellen, aktiv zuzuhören, verlässlich zu sein und ein ausgewogenes Geben und Nehmen zuzulassen. Distanz ist dabei grundsätzlich kein Hinderungsgrund für eine Freundschaft, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann. 25 Umzüge zwischen vielen verschiedenen Ländern, ja zum Teil Kontinenten ändern nichts am Bestehen wahrer Freundschaften. Auch wenn man sich ein Jahr oder sogar länger nicht sieht, beim nächsten Aufeinandertreffen stellt sich sofort wieder eine tiefe Nähe ein und es fühlt sich an, als wäre man nie auseinander gewesen. Und noch eine "Weisheit" über wahre Freundschaft möchte ich ins Treffen führen – eine Erfahrung, die Sie wahrscheinlich auch schon gemacht haben und die mitunter sogar schmerzlich sein kann: Besonders in der Krise zeigt sich, wer zu einem hält – hier trennt sich die Spreu vom Weizen.

Freundschaft ist also immens wichtig für den zwischenmenschlichen Bereich, doch wie sieht es mit dem Rest der Gesellschaft aus? Lässt sich das Grundkonzept von Freundschaft, also Vertrauen, Geben und Nehmen, Füreinander-da-sein etc. auf unser gesellschaftliches Zusammenleben übertragen? Die traurige Wahrheit ist: nicht immer, wie ja auch das zuvor angeführte Beispiel der sozialdemokratischen Parteien zeigt, die Freundschaft zwar proklamieren, jedoch wenig davon spüren lassen. Und das ist leider auch andernorts der Fall.

Respekt und Kompromiss 

Doch die gute Nachricht ist: wir müssen gar nicht alle untereinander "gut Freund:in" sein, wir müssen uns noch nicht mal alle gegenseitig gut leiden können. Weder am Arbeitsplatz noch in Vereinen, auch nicht am Sportplatz oder geschweige denn in einer ganz anderen Arena: dem Parlament. Wir müssen nicht jedem oder jeder gegenüber unser Innerstes nach außen kehren, genauso wenig müssen wir Interesse heucheln – mit eine der unsympathischsten Eigenschaften.

Wonach wir aber trachten sollten ist, uns am oben genannten Grundkonzept zumindest anzulehnen und die Minimum-Anforderung zu erfüllen, nämlich Respekt walten zu lassen. Respekt im Sinne von die Grenzen des Gegenübers zu respektieren, andere Sichtweisen nicht kategorisch abzulehnen, sondern einen Abgleich, einen Kompromiss zu suchen. So, wie es die meisten von uns vermutlich im unternehmerischen Alltag ständig tun, so kann man es auch in zwischenmenschlichen Beziehungen versuchen. Es sollen dabei schon wahre Freundschaften entstanden sein... insoweit verabschiede ich mit einem, politisch bitte nicht zurechenbaren, "Auf die Freundschaft"!

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