"Ich glaube es gibt gerade keine Firma, die nicht auch Jogginghosen anbietet"

Lena Hoschek erzählt im Interview, warum sie schon als Kind gewusst hat, dass sie eine eigene Firma haben will, was Authentizität auszeichnet, was die Coronakrise für die Modewelt bedeutet und ob die Österreicher Stil haben.

Vor 15 Jahren, im zarten Alter von 24 Jahren, gründete Lena Hoschek ihr eigenes Modelabel. Von Beginn an blieb sich die Designerin stets treu: Ihre unverkennbare Handschrift gilt mittlerweile über die Grenzen hinweg als etablierte Trademark. LEADERSNET hat Österreichs bekannteste Designerin anlässlich ihres 15-jährigen Firmenjubiläums zum Interview gebeten.

LEADERSNET: 2005 haben Sie Ihr eigenes Modelabel gegründet. Was hat Sie damals dazu bewegt, diesen Schritt zu gehen?

Hoschek: Ich habe mich schon sehr früh für Mode begeistert und für meine Puppen immer Kleider aus Socken genäht. Ich habe als Kind schon gewusst, dass ich irgendwann meine eigene Firma haben will. Mit 24, als ich mich selbstständig gemacht habe, habe ich mich dann eigentlich nicht zu jung oder unerfahren gefühlt, auch wenn ich es vielleicht war. Aber mein Credo damals war: ich arbeite lieber für mich selbst für kein Geld, als für jemand anderen für kein Geld.

LEADERSNET: War es für Sie schwer, in die Rolle der Unternehmerin zu schlüpfen?

Hoschek: Nein gar nicht, denn wenn man mit 24 Jahren eine Schneiderei eröffnet bzw. ein Mini-Atelier mit einem Mini-Shop, dann fühlt man sich noch nicht als Unternehmerin, sondern eher als Gründerin.

LEADERSNET: Lena Hoschek steht für eine ganz bestimmte Handschrift in der Modewelt. War das etwas, das Sie sich von Anfang an vorgenommen haben oder hat sich das im Laufe der Zeit und aufgrund ihres frühen, großen Erfolgs ergeben?

Hoschek: Sowas kann man sich meiner Meinung nach nicht vornehmen und sowas ergibt sich auch nicht. So etwas ist immer in einem drinnen. Ich glaube gerade die Authentizität kann man weder lernen, noch planen, noch wünschen. Authentizität ist einfach da. Die hat auch jeder, nur manche Leute denken vielleicht, sie müssen etwas anderes machen oder jemand anderer sein, als sie selbst sind.

LEADERSNET: Sie haben auch ein Praktikum bei Vivienne Westwood absolviert. Was war das für eine Erfahrung?

Hoschek: Es war eine großartige Erfahrung. Für mich war es wichtig bei Vivienne Westwood eine Horizonterweiterung vor allem im Schnittzeichnen zu erfahren. Wir haben in der Modeschule Hetzendorf nach Müller München gezeichnet – das ist ein Schnittsystem der klassischen Schneiderei. Als ich das erste Mal einen Schnitt bei Frau Westwood gesehen habe, habe ich mich erst mal nur gefragt: "Was ist das?" Man kann allein beim Zuschnitt als Praktikant so viel lernen, wenn man sich genau den Schnitt ansieht. Ich habe mich auch wirklich sehr bemüht, war besonders aufmerksam und habe auch immer freiwillig Zusatzaufgaben übernommen. Dadurch wurde mir dann auch nach und nach immer mehr anvertraut bis ich dann diese wahnsinnig tollen Schnitte auch irgendwann nähen durfte und da habe ich richtig viel dazugelernt. Es waren so wilde Entwürfe und Frau Westwood hat sogar selber an kleinen Puppen immer drapiert, immer! Sie war immer in ihrem Büro und hat gebastelt. Dann hatte sie Pattern Cutter, die dann ihre Entwürfe auf Papier gebracht haben und es war schlussendlich alles Millimetergenau – die Schnitte waren wirklich toll.

© Susanne Hassler-Smith
Lena Hoschek © Susanne Hassler-Smith

Man muss dazu sagen, die Sachen, die ich genäht habe, haben nichts mit klassischer Mode zu tun gehabt. Aber dennoch, es das war für mich sehr, sehr wichtig auch das mal kennenzulernen. Ich habe dann selber natürlich eine ganz andere Richtung eingeschlagen. Ich mache zwar nicht die Art von Kleidern, die ich bei Vivienne Westwood gelernt habe zu machen, ist nicht ganz mein Geschmack, muss es auch nicht sein aber das Praktikum war für mich trotzdem so unglaublich wichtig und eine enorme Bereicherung.

LEADERSNET: Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf Ihr Unternehmen?

Hoschek: Geschäfte schließen zu müssen ist vermutlich für jedes Unternehmen der Super-GAU, das kann man auch gar nicht schönreden. So viel Umsatz kann unser Online Shop gar nicht wett machen, auch wenn er im Moment extrem gut performt. Natürlich sind auch wir immer mehr und mehr auf E-Commerce angewiesen und Gott sei Dank haben wir auch einen funktionierenden Onlineshop. Das Schöne ist, dass wir auch ein tolles Kundenservice rund um den E-Commerce bieten. Das heißt, wir führen Kunden am Telefon durch den Order-Prozess durch, wir beraten am Telefon, haben eine tolle Return Policy. Ich glaube, dass es heutzutage enorm wichtig ist, E-Commerce anzubieten aber auch das persönliche Gespräch zu Kunden ist nicht zu unterschätzen. Kunden, die gar nicht online kaufen möchten, aber jetzt nicht in den Shop können, müssen anders abholt werden – dass man ihnen zum Beispiel eine Zustellung ermöglicht. Wir versuchen wirklich für unsere Kunden schon fast einen Kopfstand zu machen, um sie rundum zu servicieren. Das ist extrem wichtig.

LEADERSNET: Corona macht auch vor der Mode nicht Halt – keine Events, keine Meetings, Jogginghose statt Kleid. Denken Sie, dass es aufgrund der Pandemie ein schwindendes Interesse an Mode geben könnte?

Hoschek: Ein schwindendes Interesse glaube ich nicht, denn wenn man mal lange zu Hause war und sich nicht schön angezogen hat und sich nicht geschminkt hat, dann wird das Bedürfnis danach nur noch stärker. Aber ich glaube, dass Corona eine sehr starke Auswirkung hat, darauf zu achten, was wir wirklich brauchen und was wir wirklich wollen. Das heißt aus diesem gewohnten – das nehme ich mit und dieses, das und jenes auch – also das gewohnte, schnelle konsumieren, das ändert sich allein schon durch die Shop-Schließungen. Zumindest für jene Leute, die nicht ohnehin nur online einkaufen. Aber was ich mir schon auch erhoffe ist, dass den Kunden in der Zeit in der sie nur online kaufen können auch die Beratung und die lieben Mädels bei uns im Laden, der Champagner und die Weihnachtsdekoration abgehen. Ich finde stationären Handel so wichtig, auch für ein Stadtbild...Dass man auch wirklich nicht nur am Sofa sitzt und konsumiert, sondern dass es auch mal gut tut, wenn man es als Ausflug betrachtet, als eine Abwechslung, als eine Belohnung in die Stadt zu gehen und sich das Kleidungsstück im Geschäft zu kaufen.

Ich glaube wir haben sicher durch die Coronakrise eine Übersättigung an Billigwaren, weil die Leute jetzt natürlich auch aufpassen, was die Sachen kosten. Dann findet auf der anderen Seite aber auch schon ein Return hin zu Shop Local statt.
Das war das erste, das wir beim ersten Lockdown gelesen haben und es war so eine tolle Initiative auf die sofort alle Leute aufgesprungen sind, weil sie da wirklich erkannt haben, wie wichtig es ist österreichische Betriebe zu stützen.

LEADERSNET: Bequeme angenehme Stoffe und Schnitte sind gefragt. Tragen Sie dem auch Rechnung oder setzen Sie weiterhin auf opulente und taillierte Kleider?

Hoschek: Beides – es hat nicht so viel mit Corona und dem Couchsurfing zu tun, sondern eher damit, dass ich mein zweites Kind bekommen habe und meine Taille noch nicht wieder die alte ist. Manchmal fühle ich mich wohler in einem engen Kleid aber manchmal mag ich es auch lieber etwas weiter. Ich bin im Moment auch dabei, Kleider zu machen – schon allein für mich, für mein eigenes Bedürfnis, die sensationell ausschauen, sich aber anfühlen wie ein Pyjama. Das steht sozusagen gerade auf der Speisekarte.

LEADERSNET: Denken Sie, dass Corona auch einen Einfluss auf die kommenden Modetrends haben wird?

Hoschek: Ich glaube es gibt gerade keine Firma, die nicht auch Jogginghosen anbietet. Das ist sicher ein riesen Trend. Aber zu jeder Bewegung wird es auch immer eine Gegenbewegung geben.

LEADERSNET: Das Thema Nachhaltigkeit hat in den vergangenen zwei Jahren – auch dank Greta Thunberg – noch einmal massiv an Bedeutung gewonnen. Welche Auswirkungen hat dies auf die Modewelt und welchen Stellenwert hat das Thema für Sie und Ihr Unternehmen?

Hoschek: Nicht erst seit Corona und auch nicht seit Greta sondern schon seit 15 Jahren ist es für mich das Um und Auf lokal produzieren zu lassen. Früher habe ich alles ausschließlich in Österreich produzieren lassen, was dann leider nicht mehr möglich war auf Grund von wachsenden Stückzahlen und auch weil die Produktionsstätte leider ihre Türen schließen musste. Für mich ist es logisch, dass es besser für die Umwelt ist, wenn die Produkte von nicht zu weit herkommen. Und ein Kleid besteht nicht nur aus einem Stoff sondern hat bei uns bis zu zehn Komponenten und deshalb ist es für mich irrsinnig wichtig, dass alles europäisch und so lokal wie möglich gehalten wird.

LEADERSNET: Werden wir in absehbarer Zeit ein Ende von Fast Fashion sehen?

Hoschek: So lange Geiz ist geil regiert, wird es auch kein Ende von Fast Fashion geben aber was mich freut ist, dass die Leute nun mehr und mehr darauf achten, woher die Produkte kommen, die sie kaufen und somit stirbt die Hoffnung zuletzt, dass der Fast Fashion Konsum zumindest rückläufig wird.

LEADERSNET: Und abschließend: Haben die Österreicher Stil und wie würden Sie diesen beschreiben?

Hoschek: Next Question (schmunzelt).

www.lenahoschek.com

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