Wenig regt Menschen beim Einkauf mehr auf, als das Warten in schier endlosen Schlangen an der Kassa – und wenn es nach Nomitri, einem Start-up aus Berlin, geht, dann soll genau das bald Geschichte sein: Das Team des deutschen Jungunternehmens hat ein kontaktloses Self-Checkout-System entwickelt, mit denen Kunden im Supermarkt ihre Ware per Smartphone selbst scannen können. Die Technologie mache Supermarktkassen künftig gänzlich überflüssig, denn sowohl das Scannen als auch den Bezahlvorgang übernehmen die Kunden selbst auf ihrem Handy.
Vorbild Amazon Go
Gänzlich neu ist die Technologie, der sich Nomitri bedient, nicht: Vorreiter ist hier Onlinegigant Amazon. Denn dieser kommt mit seinen Go-Supermärkten in den USA schon seit Längerem ohne Kassen aus. Nomitri will dem Tech-Giganten auf dem deutschen Markt nun voraus sein.
Das dreiköpfige Gründerteam des Deep-Tech-Startups Nomitri besteht aus CEO Trinh Le-Fiedler, ihrem Mann und CTO Max Fiedler und CDO Moritz August. Ihr erklärtes Ziel ist es, den Einkaufsprozess ins 21. Jahrhundert zu bringen – nicht zuletzt auch, weil das Anstehen in der Schlange gerade in Coronazeiten nicht nur nicht zeitgemäß, sondern auch schwer mit Abstandsregelungne vereinbar ist.
Einkaufen mit Videokamera am Handy
Le-Fiedler erklärt den Einkaufsprozess mit Nomitri wie folgt : Damit die App funktioniert, sollen Halterungen an Einkaufswagen und Körbe angebracht werden, an welche die Kunden ihre Smartphones befestigen können, wobei die Kamera dabei ins Wageninnere blickt. Damit alles funktioniert, muss der Kunde in die dazugehörige App eingeloggt sein. Wenn die Einkaufenden ihre Lebensmittel dann in die Wagen legen, müssen sie dabei die dazugehörigen Barcodes vor die Smartphone-Kamera halten, damit die App das Produkt in die virtuelle Einkaufsliste hinzufügen kann. Werden Produkte aus dem Einkaufswagen entfernt, soll die Kamera auch diesen Vorgang erkennen und die entnommene Ware automatisch aus der Einkaufsliste löschen.
Zusätzlich sollen Nutzer der App auf aktuelle Angebote oder auf den Einkauf zugeschnittene Rezepte aufmerksam gemacht werden. Wer vergisst, den Barcode vor die Kamera zu halten, wird in der App darauf hingewiesen. „Es ist so, als wenn ein Kassierer neben dir herläuft," sagt Le-Fiedler. Vor dem Verlassen des Ladens muss vom Kunden lediglich die Rechnung bestätigt werden.
Was Nomitri besser machen will als Amazon
Auch wenn das Amazon-Go-Konzept in seiner Systematik gewissermaßen als Vorbild für Nomitri gilt, steht Le-Fiedler der Selbstbedienungs-Supermarktkette des US-Konzerns skeptisch gegenüber, was den Datenschutz angeht. Die Wahrung der Privatsphäre und der Verzicht auf die Nutzung von Cloud-Infrastrukturen seien dem Start-up aus Berlin sehr wichtig, weshalb man sich hier gegen Amazon stellt. Kundendaten und Videodateien, die während des Einkaufs mit Nomitri entstehen, sollen direkt auf dem Gerät des Nutzers gespeichert werden. Daher sei "keinerlei Netzverbindung nötig, da keine Cloud involviert ist", erklärt die Nomitri-Gründerin im Gespräch mit den deutschen Kollegen von der Gründerszene.
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Umkämpfter Markt mit viel Zukunftspotential
Amazon-Go gibt es bislang weder in Europa noch im DACH-Raum, doch das Potential des "modernen Einkaufens" ohne klassische Kassensysteme haben bereits mehrere Unternehmen für sich erkannt. So hat das Hamburger Start-up Koala beispielsweise eng mit der deutschen LEH-Kette Edeka zusammengearbeitet, um kassenloses Bezahlen anzubieten. Laut Gründerszene zählte das Koala im Februar dieses Jahres 10.000 Downloads, etwa 200 Geschäfte sollen zum Ende des Jahres mit dem Bezahl-Tool ausgestattet werden.
Dass die Zukunft des Einkaufens in dieser Art von Technologien liegen wird, zeichnet sich schon länger ab und auch hierzulande etabliert : Bereits im Jahr 2018 hat Mediamarkt in Innsbruck die erste kassenlose Filiale eröffnet (damals noch als Saturn-Filiale, Anm.) und mittlerweile finden sich auch in vielen Merkur und manchen Billa-Filialen Selbstbedienungskassen am Ausgang.
Händler sollen "innerhalb eines Tages" ausstattbar sein
"Um einen Supermarkt à la Amazon Go auszustatten, müssen Händler sehr viel Geld in Hardware und Infrastruktur investieren", so Trinh Le-Fiedler. Nomitri will die nötige Infrastruktur für kassenloses Einkaufen in Supermärkten so gering und günstig wie nur möglich anbieten, indem Kunden ihre eigenen Smartphones zum Einscannen der Produkte nutzen. Daher setzt das Start-up auf die steigende Leistungsfähigkeit von Smartphones in den kommenden Jahren. Über ein klassisches Lizenzmodell will das B2B-Startup Händler einfach und "innerhalb eines Tages" mit dem nötigen Rüstzeug ausstatten können. Derzeit läuft das Patentverfahren über die Technologie von Nomitri. (red)
www.nomitri.com