"Wie es im Medienbereich am Ende wirklich ausgeht, kann wohl keiner beantworten"

Kurier-Geschäftsführer Thomas Kralinger erklärt im Interview, wie sich Medienhäuser aufstellen müssen, um nicht vom Markt zu verschwinden, beurteilt die Corona-Sonder-Medienförderung und verrät, worauf der Kurier künftig seinen Fokus legen wird.

Mit September 2007 übernahm Thomas Kralinger die Geschäftsführungsagenden der KURIER-Gruppe wie auch der Mediaprint. LEADERSNET hat den Branchen-Experten zum Gespräch über "die Lage der Medien" gebeten.

LEADERSNET: Sie sind seit über einem Jahrzehnt an der Spitze des KURIER und erleben wahrscheinlich jetzt gerade den größten Veränderungsprozess der Medienbranche. Wie gehen Sie mit der Situation um?

Kralinger: Der KURIER hat vor einem Jahr sein Digitalabo erfolgreich gestartet. Das war ein äußerst wichtiger Schritt. Erstmalig können wir in Summe einen Zuwachs bei den Abozahlen feststellen. Das ist ein sehr erfreuliches Anzeichen, das uns in unserer Strategie bestätigt. Und das Digitalabo hat noch viel Potenzial.

LEADERSNET: Hat Journalismus durch die Covid-19-Krise an Bedeutung gewonnen?

Kralinger: Auf jeden Fall! Studien belegen, dass sich in der Krise das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in die etablierten Medienhäuser deutlich erhöht hat. Konkret das Vertrauen zu Zeitungen und ihren Onlineangeboten als Informationsquelle hat klar zugenommen - etwa im Gegensatz zu Social Media. Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit und Nützlichkeit der Inhalte sind extrem wichtig, Journalismus auf hohem Niveau wird geschätzt. Daher erreichen vor allem die Qualitätszeitungen hohe Vertrauenswerte.

LEADERSNET: Zeigen Krisen auf, wo wirklich Qualität produziert wird?

Kralinger: Der Qualitätsbegriff ist sehr subjektiv. Gerade in Coronazeiten war es wichtig, den Nutzwert an Information immer im Kopf zu behalten. Ob dies gelungen ist, zeigt schonungslos die Marktentwicklung. Da das KURIER-Online-Dachangebot laut ÖWA nunmehr auf Platz 2 nach Unique Clients liegt, haben wir offensichtlich einiges richtig gemacht.

LEADERSNET: Stichwort Kurzarbeit: Wie beurteilen Sie die Problemstellung, dass es wirtschaftlich allgemein schlechter geht, aber der Informationsbedarf ungeheuer hoch ist?

Kralinger: Das Geschäftsmodell in der Informationsverbreitung von Zeitungsverlagen stand immer auf zwei Säulen: Anzeigen- und Vertriebserlöse. Dass das Bedürfnis nach Information extrem hoch ist, sieht man an einer positiven Verkaufsentwicklung des KURIER – im Besonderen an den steigenden Digitalaboverkäufen. Während des Lockdowns und bis heute gibt es in einzelnen Bereichen wie etwa bei Kultur- und Sportereignissen deutlich geringere Aktivitäten und weniger Berichtenswertes. Wir haben daher die Kurzarbeit beim KURIER sehr selektiv eingesetzt, aber nach dem Lockdown beendet.

LEADERSNET: Was haben Sie in punkto Digitalisierung vor?

Kralinger: Auch im Geschäftsjahr 2020/21 haben wir vor, uns intensiv mit der Weiterentwicklung sämtlicher digitaler Produkte zu beschäftigen und sind dabei unser Produktportfolio noch zu erweitern. Erst kürzlich haben wir die crossmediale Content- & Service-Initiative „lust-auf-oesterreich.at“ gestartet.

LEADERSNET: Es gibt Stimmen, die von einem bevorstehenden Untergang so gut wie aller Medienhäuser sprechen. Beurteilen Sie die Lage genau so drastisch?

Kralinger: Nein keineswegs. In jeder Krise gibt es Gewinner und Verlierer. Wie es im Medienbereich am Ende wirklich ausgeht, kann wohl keiner beantworten. Da aber sehr viele Mitarbeiter in unserer Branche für eine besondere Qualität im österreichischen Journalismus eintreten, gehe ich davon aus, dass es für sehr viele Medien gut ausgehen wird. Qualität ist und bleibt besonders gefragt.

LEADERSNET: Wie soll sich ein Medienhaus in Zukunft aufstellen?

Kralinger: Digital. Digital. Digital.

LEADERSNET: Was raten Sie Werbungtreibenden in Zeiten von Corona?

Kralinger:Aus der Marktforschung wissen wir, dass unsere Medienkonsumenten die Produkte derzeit besonders intensiv wahrnehmen. Daher gab es schon lange nicht mehr so viel Aufmerksamkeit auf Werbeschaltungen wie jetzt. Aus vielen Gesprächen nehme ich außerdem einen aufkeimenden Optimismus wahr. Auch die Wirtschaftsforscher prognostizieren wieder einen leichten Anstieg des Konsums. Unternehmen, die in der Krise ihre Werbeaktivitäten heruntergefahren haben, werden es aber deutlich schwerer haben, den Kundenkontakt beizubehalten

LEADERSNET: Muss sich der Sales neu transformieren? Wie steht es um Marketing und Vertrieb?

Kralinger: Ich möchte das keineswegs auf Sales beschränken. Veränderte Lebens- und Konsumgewohnheiten führen zu veränderten Erwartungen. Change-Management ist kein Modebegriff, sondern muss gelebte Realität werden.

LEADERSNET: Sind Sie mit der Corona-Sonder-Medienförderung zufrieden? Welches Zeugnis stellen Sie hierfür der Politik aus?

Kralinger: Ich denke nicht, dass es mir zusteht, ein Zeugnis auszustellen. Ich bin natürlich sehr dankbar dafür, dass es sehr rasch verschiedene Unterstützungen von Förderungen bis hin zu den Informationskampagnen des Bundes gegeben hat und gibt. Als Medienunternehmen haben wir eine Schnittstellenfunktion am Markt zwischen Politik, Werbetreibenden, Konsumenten und von der Krise besonders Betroffenen. Unser Geschäftsmodell beruht – auch aufgrund der zurückgehenden Werbeumsätze – sehr stark auf dem Abo-System. Die Verkaufserfolge zeigen, dass dies auch vom Markt nach wie vor als positiv angesehen wird.

Wir verzeichnen derzeit erfreuliche Zuwächse beim Abo. Ich würde mich freuen, wenn dieser Aspekt, der für die Qualität unserer Produkte spricht, in Zukunft bei Fördermodellen stärker Berücksichtigung finden würde. Das hilft uns, und allen, die an einer vitalen, demokratisch denkenden Informationsgesellschaft Interesse haben. (jw)

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