Interview mit Markus Stix
"15 Minuten – das ist alles, was Österreich braucht, um zahlungsfähig zu sein"

| Redaktion 
| 16.10.2025

Im LEADERSNET-Interview spricht Markus Stix, GF der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA), über die Finanzierungsstrategie unseres Landes, eine 100-jährige Anleihe und den Fixzins-Schutzschild gegen hohe Zinsen. Er erklärt, warum die politische Stabilität honoriert wird, wie die Liquidität in wenigen Minuten gesichert ist und warum die Gesellschaft bestens gerüstet für Marktveränderungen ist.

Die Finanzierung des Staates ist ein hochkomplexes Unterfangen, das weit über das bloße Auflegen von Anleihen hinausgeht. Im Zentrum dieser Aufgabe steht die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA), deren Geschäftsführer Markus Stix dafür sorgt, dass die Staatskasse jederzeit liquide bleibt und der österreichische Staat seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann.

Im Dezember 2024 kündigte die OeBFA ein Emissionsvolumen von 43 bis 47 Milliarden Euro in Bundesanleihen für 2025 an – zuzüglich 24 bis 26 Milliarden Euro an kurzfristigen Finanzierungsinstrumenten (u.a. Treasury Bills). Vor dem Hintergrund steigender Zinsen, sich verändernder Ratings und volatilen globalen Finanzmärkten stellen sich viele Fragen: Wie plant die OeBFA die Mittelaufnahme? Ist mit zusätzlichen Platzierungen zu rechnen? Und welche Entwicklungen sehen die Finanzexperten bei den internationalen Märkten, etwa bei der Investorenbasis?

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Stix, als Schuldenmanager der Bundesfinanzierungsagentur stellen Sie die Finanzierung Österreichs sicher. Wie funktioniert das konkret?

Markus Stix: Ausgangspunkt der Planungen in der OeBFA ist der jährliche Budgetbeschluss des Nationalrats im Parlament. Wir brechen das Jahresbudget auf Quartals-, Monats- und Tagesscheiben herunter, ergänzt um unsere Finanzierungsplanung und die Bedienung der auslaufenden Schulden. Da der Staat nicht täglich Einnahmen hat – Steuern fließen etwa nur an bestimmten Tagen des Monats –, aber täglich zahlungsfähig sein muss, ziehen wir im Sinne des sorgfältigen Kaufmanns einen Puffer ein und halten ausreichend Liquidität vor. Wobei man im Fall des Falles an den internationalen Geld- und Kapitalmärkten auch innerhalb von 15 Minuten Geld aufnehmen kann. Der Bund unterhält rund 1.200 Konten, wo die OeBFA für das Liquiditätsmanagement verantwortlich ist.

Im Rahmen der Finanzschuldaufnahmen des Bundes begibt die OeBFA Bundeswertpapiere mit unterschiedlichen Laufzeiten (von einer Woche bis 100 Jahre). Der überwiegende Teil davon sind Bundesanleihen. Neue Bundesanleihen werden im Syndikatsverfahren begeben, zudem erfolgen monatlich Auktionen, in denen bestehende Bundesanleihen aufgestockt werden. Der kurzfristige Finanzierungsbedarf wird über die Begebung von Austrian Treasury Bills (ATBs), die via monatlich stattfindenden Auktionen emittiert werden, sowie Austrian Commercial Paper (ACPs) abgedeckt. Während ATBs in Euro begeben werden, können ACPs in verschiedenen Währungen abgeschlossen werden, wobei sämtliche Fremdwährungsemissionen des Bundes grundsätzlich in EUR abgesichert werden. Als weitere Finanzierungsinstrumente kommen unter anderem ein Euro Medium Term Note Programm (EMTN) sowie Transaktionen im Darlehens- oder Schuldscheinformat zum Einsatz. Die Finanzierungstätigkeit Österreichs wird durch eine platzierungsstarke Gruppe von 20 Primärhändlern für Bundesanleihen und 19 für ATBs wirksam unterstützt. Dies gewährleistet eine aktive und engagierte Teilnahme am Primär- und Sekundärmarkt sowie den Zugang zu einem breit diversifizierten Investorenspektrum.

Seit 2022 verfügt die Republik Österreich als zweite Säule auch über ein weltweit einzigartiges und breites Spektrum an grünen Finanzierungsinstrumenten. Der größte Unterschied zu herkömmlichen Bundeswertpapieren liegt in der Mittelverwendung, welche im Rahmenwerk für die Begebung von Grünen Bundeswertpapieren der Republik Österreich beschrieben und in allen Finanzierungsprogrammen verankert ist. Es wurden seit Programmstart bereits mehr als 22 Milliarden Euro im grünen Format begeben (über 6,0 Milliarden Euro in 2025). Die beiden ausstehenden Green Bonds mit einer Laufzeit bis 2029 bzw. 2049 weisen ein Volumen von 6,4 bzw. 8,2 Milliarden Euro auf.

LEADERSNETDas sind beeindruckende Zahlen und eine komplexe Maschinerie. Bleiben wir beim Blick nach vorne: Die OeBFA hat im Dezember 2024 für das Jahr 2025 ein Emissionsvolumen von rund 43 bis 47 Milliarden Euro in Form von Bundesanleihen angekündigt – zuzüglich 24 bis 26 Milliarden Euro an kurzfristigen Finanzierungsinstrumenten. Wird es bis zum Jahresende noch zu zusätzlichen Platzierungen österreichischer Bundeswertpapiere über diese Planung hinaus kommen?

Stix: Nein. Die im Dezember 2024 für heuer kommunizierten Finanzierungsvolumina konnten nach Verabschiedung des Doppelbudgets für 2025/2026 und trotz der im ersten Halbjahr deutlich schlechteren Konjunkturprognosen am 26. Juni 2025 bestätigt werden. Per 10. Oktober sind bereits über 90 Prozent der heurigen Finanzierungen getätigt und neben den monatlichen Auktionsterminen für Bundesanleihen und Austrian Treasury Bills sind nur noch kleinere Transaktionen geplant.

LEADERSNETSie haben die bisherigen Finanzierungen bereits zu über 90 Prozent abgeschlossen – ein beruhigendes Signal. Doch werfen wir einen Blick auf die mittelfristige Perspektive: Österreichs Schuldenquote lag Ende 2024 bei rund 80 Prozent des BIP. Rechnen Sie in den kommenden Jahren mit einem wachsenden Finanzierungsbedarf, und welche Faktoren treiben diese Entwicklung – etwa Investitionen, Zinskosten oder wirtschaftliche Unsicherheiten?

Stix: Gemäß aktuellem Bundesfinanzrahmengesetz wird die Schuldenquote bis 2028 noch weiter steigen, zudem werden aktuell Budgetdefizite in Höhe von rund drei bis vier Prozent des BIP pro Jahr für die kommenden Jahre prognostiziert. Die jährlichen Finanzierungsvolumina hängen aber nicht nur vom Budgetdefizit ab – hier sind auch die Zinskosten enthalten – sondern von den Tilgungen bestehender Schulden. In Summe verfügt die Republik Österreich durch eine sehr lange Restlaufzeit des Finanzschuldportfolios (11,8 Jahre per Ende August 2025) in Kombination mit einem sehr hohen Fixzinsanteil (mehr als 90 %) über eine robuste Schuldentragfähigkeit, da sich die höheren Marktzinsen für neue Schuldaufnahmen somit erst zeitverzögert auf die Zinskosten auswirken. Das loben auch die Ratingagenturen immer wieder in ihren Berichten zu Österreich.

LEADERSNETDiese lange Restlaufzeit verschafft Österreich also einen gewissen Puffer. Dennoch gibt es Warnsignale vom Markt: Österreichische Bundesanleihen gelten zwar als sichere Anlage und sind bei in- und ausländischen Investoren beliebt, doch die Zinsen für langlaufende Papiere sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Gleichzeitig hat Fitch im Juni das Rating für Österreich herabgestuft – von AA+ auf AA – und Moody's im August das Rating Aa1 mit einem negativen Ausblick versehen. Verbirgt sich hinter diesen Entwicklungen ein gestiegenes Rückzahlungsrisiko, oder handelt es sich primär um Anpassungen an das allgemein höhere Zinsniveau?

Stix: Die Republik Österreich ist weiterhin von allen Ratingagenturen mindestens in der drittbesten von 21 Stufen eingeordnet, dies spiegelt ein sehr geringes Rückzahlungsrisiko wider. Investoren zeigen sich aktuell ob der fiskalischen Lage der Republik Österreich ebenfalls nicht besorgt, was sich in der sehr großen Nachfrage nach unseren Anleihen in den heurigen Syndizierungen – diese waren im Schnitt fast 9-fach überzeichnet – und dem relativ niedrigen Bundspread (Anmerkung: Zinsaufschlag von österreichischen Bundesanleihen vs. deutschen Bundesanleihen) zeigt, der mit 0,33 Prozent p.a. für 10-jährige Anleihen (per 10. Oktober) nahe dem langjährigen Durchschnitt liegt. Die politische Stabilität in Österreich im Vergleich zu anderen Euro-Staaten wird dabei am Kapitalmarkt honoriert. Andere aktuelle Beispiele wie Frankreich zeigen jedoch auch, dass Investoren das Vertrauen schnell verlieren können, wenn sie kein Licht am Ende des Tunnels sehen und die Finanzierungskosten damit sprunghaft teurer werden.

LEADERSNETÖsterreich hatte in den letzten 100 Jahren vier verschiedene Währungen. Dies zeigt, wie schnell sich wirtschaftliche Gegebenheiten verändern. Sie sind mit einer 100-jährigen Bundesanleihe im Bereich langfristiger Staatsfinanzierung vertreten. Was sagen jüngere historische Entwicklungen dazu, und wie schätzen Sie diese Entscheidung im Rückblick ein?

Stix: Es war ein sehr großer Erfolg und wir konnten für Österreich inmitten der Niedrigzinsphase Geld zu historisch äußerst günstigen Konditionen aufnehmen – der fixverzinste Kupon der im Jahr 2020 emittierten 100-jährigen Bundesanleihe lag etwa bei 0,85 Prozent p.a. Zum Vergleich: Heute liegt die Rendite dieser Anleihe bei über drei Prozent p.a. Neben den historisch niedrigen absoluten Renditelevels konnten im Zuge der Begebung ultra-langer Bundesanleihen auch tiefe Bundspreads für sehr lange Zeiträume fixiert werden. Viele meiner Kolleg:innen aus anderen staatlichen Schuldenfinanzierungsagenturen beneiden uns darum. Eine sehr gute Finanzierung auch im Sinne unserer Enkel:innen und Urenkel:innen.

LEADERSNETBei der Platzierung von Staatsanleihen ist die Diversifikation der Investorenbasis entscheidend. Wer sind heute die wichtigsten Käufer österreichischer Bundesanleihen? Hat sich die geographische Verteilung in den letzten Jahren verschoben – etwa durch den Rückzug der EZB aus ihren Anleihekaufprogrammen oder durch zunehmendes Interesse asiatischer Investoren?

Stix: Eine breit diversifizierte Investorenbasis spielt für Staaten eine sehr wichtige Rolle, insbesondere im Euroraum, nachdem sich das Eurosystem aus ihren Staatsanleihen-Beständen die während der Quantitative Easing-Phase angesammelt wurden, sukzessive zurückzieht. Österreich verfügt über eine breit gestreute Investorenbasis, wobei die Eurozone mit mehr als 80 Prozent Anteil der Heimatmarkt ist. Hinzu kommen Investoren aus Amerika, Asien und dem Nahen Osten. In der Betrachtung einzelner Länder kommen die wichtigsten Investoren aus Deutschland, Niederlande und Frankreich. Im Hinblick auf die Art der Investoren zählen Banken, Asset Manager, Versicherer und Pensionskassen sowie Zentralbanken im Wege ihres Managements von Fremdwährungsreserven, aber auch Staatsfonds und Treasuries von großen Unternehmen zu den wichtigsten Investorengruppen. Seit dem Ende der Nullzinsära sind Real Money Investoren wieder zurückgekehrt und auch Banken zeigen wieder ein zunehmendes Interesse an Staatsanleihen, u.a. auch dank höherer absoluter Renditeniveaus. Durch die Rückkehr von Real Money Investoren am Markt hat auch die Bedeutung einer aktiven Investor Relations Arbeit wieder zugenommen. Investorenkontakte werden dabei durch umfangreiche Tätigkeiten in Form von Roadshows und der Teilnahme an Fachkonferenzen sowie durch bilaterale Gespräche gepflegt.

LEADERSNETDie EZB hat die Leitzinsen in den letzten beiden Jahren deutlich gesenkt, was die Zinsen für Staatsanleihen beeinflusst. Wie passt die OeBFA ihre Finanzierungsstrategie an, um den Staatshaushalt effizient zu managen?

Stix: Die OeBFA beobachtet die geldpolitischen Entwicklungen und deren Auswirkungen auf Renditen für Bundeswertpapiere sehr genau. Durch eine konservative Finanzierungsstrategie mit einem hohen Fixzinsanteil (über 90 % des Portfolios) und einem ausgewogenen Tilgungsprofil, sowie einer breiten Palette an Finanzierungsinstrumenten und Emissionsformen (Syndizierungen, Auktionen, bilaterale Begebungen) sind wir für sich verändernde Marktbedingungen bestens gerüstet.

Die Normalisierung der Zinskurve hat dazu geführt, dass Finanzierungen am Geldmarkt wieder günstiger sind. Davon profitieren wir durch unsere monatlichen Emissionen von Treasury Bills und die Begebung von bilateralen Commercial Paper. Auf die höheren Zinsen bei längeren Laufzeiten waren wir aufgrund unserer konservativen Schuldenausrichtung mit langen Laufzeiten und hohem Fixzinsanteil relativ zu anderen Staaten sehr gut vorbereitet.

www.oebfa.at

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