Nach einer langen Rezessionsphase zeigen die am Dienstag präsentierten Herbstprognosen von Wifo und IHS, dass Österreichs Wirtschaft die konjunkturelle Talsohle hinter sich gelassen hat. Der Aufschwung falle jedoch moderat aus und werde von strukturellen Herausforderungen, einer anhaltend hohen Inflation und einer schwachen Exportdynamik gebremst, so Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr und sein IHS-Pendant Holger Bonin. Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften fordern nun entschlossenes Handeln, um den Standort zu stärken und das Wachstum langfristig abzusichern.
Wachstum mit angezogener Handbremse
Laut Wifo soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2025 um 0,3 Prozent steigen und sich 2026 auf 1,1 Prozent beschleunigen. Das IHS prognostiziert für denselben Zeitraum 0,4 Prozent bzw. 0,9 Prozent Wachstum. Nach revidierten Daten fiel der Konjunktureinbruch ähnlich stark aus wie in Deutschland und dauerte mit rund drei Jahren besonders lang.
"Der Konjunkturabschwung war in Österreich nach neuesten Daten ähnlich ausgeprägt wie in Deutschland und dauerte mit rund drei Jahren besonders lang", erklärt Wifo-Experte Stefan Schiman-Vukan. Haupttreiber der Erholung sei der private Konsum, der sich bereits 2024 belebt habe. Gleichzeitig bleibe der Warenaußenhandel hinter den Erwartungen zurück und dürfte sich erst 2026 erholen.
Auch das IHS warnt, dass das Expansionstempo geringer bleiben dürfte als in früheren Aufschwungphasen. "Die verhaltene internationale Konjunktur und heimische Strukturprobleme führen dazu, dass die Dynamik deutlich hinter früheren Erholungen zurückbleibt“, heißt es aus dem Institut. Die Inflationsrate dürfte mit 3,5 Prozent (2025) und 2,4 Prozent (2026) deutlich höher ausfallen als bisher erwartet.
Arbeitsmarkt, Inflation und Investitionen unter Druck
Am Arbeitsmarkt bleibt die Lage angespannt: Die Arbeitslosenquote steigt laut IHS von sieben Prozent im Vorjahr auf 7,4 Prozent im Jahr 2025 und soll 2026 bei 7,3 Prozent liegen. Erst im Verlauf des Jahres 2026 wird mit einer leichten Entspannung gerechnet.
Die Inflation bleibt ein zentrales Problem. Während das Wifo einen allmählichen Rückgang erwartet, hebt das IHS seine Prognose deutlich an. Preistreibend wirken unter anderem das Auslaufen staatlicher Entlastungsmaßnahmen, Gebührenerhöhungen und steigende Dienstleistungspreise.
Bei den Investitionen zeigt sich ein gemischtes Bild: Die Wohnbauinvestitionen profitieren bereits von sinkenden Zinsen, während Ausrüstungsinvestitionen erst verzögert anziehen. Die Exportwirtschaft leidet unter US-Importzöllen, einer schwachen internationalen Nachfrage und dem Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit.
Regierung sieht Kurs bestätigt
Das Finanzministerium wertet die Prognosen als Zeichen einer sich festigenden Erholung, warnt aber vor überzogenen Erwartungen. Finanzminister Markus Marterbauer betont, dass Konsumnachfrage, steigende Beschäftigung und eine wachsende Industrie entscheidend für die Budgetkonsolidierung seien. "Die Bundesregierung verfügt jedoch nicht über den finanziellen Spielraum für umfangreiche expansive Maßnahmen", so der Finanzminister.
Staatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl verweist auf gezielte Standortmaßnahmen wie die Verdoppelung des Investitionsfreibetrages. Sepp Schellhorn sieht Chancen auf mehr Beschäftigung durch sinkende Zinsen und steigende Kaufkraft, mahnt jedoch, dass die Inflationsentwicklung "weiterhin ein zentrales Risiko" bleibe.
Wirtschaft fordert Reformen und weniger Bürokratie
Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) begrüßt die Prognosen als "positiven Lichtblick“, sieht jedoch dringenden Handlungsbedarf. "Die Aufhellung ist zart, aber spürbar. Nun muss alles darangesetzt werden, mit den richtigen Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit am Standort Österreich zu stärken", so WKÖ-Generalsekretär Jochen Danninger.
Claudia Huber, Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik, unterstreicht die Notwendigkeit struktureller Reformen: "Die konjunkturelle Entwicklung bleibt deutlich hinter früheren Erholungsphasen zurück. Besonders die Industrie erholt sich nur langsam. Die Hoffnung auf eine industriepolitische Kurskorrektur ruht auf der angekündigten Industriestrategie."
Danninger fordert zudem "mehr Freiheit und Handlungsspielräume für die Betriebe, den Abbau bürokratischer Belastungen, effizientere Förderstrukturen und international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen“. Nur so könne aus dem zarten Wachstum "eine nachhaltige Erholung“ werden.
Gewerkschaften fordern aktive Wirtschafts- und Sozialpolitik
Auch der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) sieht in den Prognosen ein Signal für eine beginnende Erholung – warnt aber vor Untätigkeit. "Eine aktive Arbeitsmarkt- und Industriepolitik ist jetzt dringend notwendig – wir brauchen gezielte Impulse für Beschäftigung, Nachfrage und Industrie. Sparen darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten passieren", betont ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Helene Schuberth.
Für eine erfolgreiche ökologische und digitale Transformation seien gut ausgebildete Fachkräfte entscheidend. Daher müsse "massiv in Aus- und Weiterbildung investiert" werden. Zudem fordert Schuberth eine "schlagkräftige Anti-Teuerungskommission", die Preise überwacht und Maßnahmen gegen Missstände setzen kann, sowie eine gerechtere Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften.
Fazit
Österreich steht wirtschaftlich an einem Wendepunkt: Der Weg aus der Rezession ist eingeschlagen, doch das Wachstum bleibt schwach und fragil. Wifo und IHS prognostizieren eine langsame, konsumgetriebene Erholung. Während sich die Regierung auf Kurs sieht, mahnen die Forschungsinstitute, Wirtschaft und Gewerkschaften gleichermaßen zu entschlossenem Handeln. Strukturelle Reformen, Standortverbesserungen und eine aktive Wirtschafts- und Sozialpolitik sollen laut ihnen sicherstellen, dass aus dem zarten Aufschwung ein nachhaltiger Wachstumspfad wird.
www.wifo.ac.at
www.ihs.ac.at
Kommentar veröffentlichen