LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Oberzaucher, wie steht es aktuell um die Nutzung von KI im Marketing in heimischen Unternehmen?
Kerstin Oberzaucher: Ich erlebe viel Offenheit und Neugier, aber oft bleibt's beim Ausprobieren. Viele bedienen sich immer wieder mal bei ChatGPT, einige haben schon mit Bildgeneratoren gespielt. Doch wenn es um konkrete Content-Workflows geht, die den Marketing-Alltag wirklich erleichtern, sind viele noch sehr zurückhaltend.
Laut EY-Studie nutzen nur rund 26 Prozent der Unternehmen in Österreich KI bereits aktiv, das ist also gerade einmal jedes vierte Unternehmen. Gleichzeitig sagen laut Statistik Austria 35 Prozent der Österreicher:innen, dass sie KI grundsätzlich als Chance sehen, bei der Generation Z sogar 50 Prozent. Das zeigt für mich ganz klar: Die Offenheit in der Bevölkerung ist da, das Interesse ist hoch, aber in der praktischen Umsetzung hinken wir noch deutlich hinterher. KI wird als spannend empfunden, aber strategisch eingesetzt wird sie bislang noch nicht in großem Umfang.
LEADERSNET: Welche Hürden begegnen Unternehmen in der Praxis bei der Integration von KI-Tools?
Oberzaucher: Ganz oft ist es Überforderung. Es gibt so viele Tools und weniger Klarheit, was wirklich zuverlässig funktioniert. Viele Unternehmen wissen nicht, wo sie anfangen sollen, oder haben Bedenken in Bezug auf Datenschutz, Urheberrecht oder Qualität. Außerdem fehlt oft das Know-how im Team, um das Thema nachhaltig zu verankern. Deshalb sage ich immer: Lieber klein starten, mit einem klaren Use Case, als alles auf einmal umstellen zu wollen.
LEADERSNET: Welche KI-Content-Formate funktionieren aktuell besonders gut?
Oberzaucher: Kurzvideos für Social Media, also z. B. Instagram Reels, TikTok-Clips oder auch LinkedIn-Shorts, sind gerade ein riesiges Thema. Und genau dort sehe ich auch ein großes Potenzial für KI. Es geht nicht darum, auf einmal alles "faken" zu lassen, sondern darum, mit KI Inhalte schneller, kreativer und visueller umzusetzen. Unternehmen, die das schaffen, können sich damit einen echten Vorsprung gegenüber dem Mitbewerb verschaffen, vor allem, weil sie schneller auf Trends reagieren und Inhalte effizienter produzieren können. Besonders gut funktionieren Formate, die überraschen, unterhalten oder einfach ein gutes Storytelling in kurzer Zeit liefern.
Was ich außerdem spannend finde: Auch im internen Kommunikationsbereich tut sich was. Unternehmen, die ihr Intranet früher eher stiefmütterlich behandelt haben, nutzen KI jetzt, um Inhalte sichtbar und lebendig zu machen. In einigen Workshops haben wir gemeinsam mit Partnern zum Beispiel Maskottchen, die bislang als klassische Illustrationen im Intranet unterwegs waren, zum Leben erweckt. Mithilfe von KI wurden daraus animierte Avatare, die sich bewegen, sprechen und plötzlich viel mehr Aufmerksamkeit für interne Inhalte erzeugen. Das sorgt nicht nur für mehr Engagement, sondern zeigt auch, dass KI nicht nur nach außen hin relevant ist, sondern auch im Unternehmen selbst neue Kommunikationsräume eröffnet.
LEADERSNET: Welche Tools & Workflows haben sich in der Praxis bewährt?
Oberzaucher: Ich arbeite mit einem Mix aus KI-Tools wie z. B. Midjourney, Runway, Google's Veo und natürlich ChatGPT & anderen Anwendungen, kombiniert mit klassischen Videoschnittprogrammen, die aus einzelnen KI-Clips dann ein richtig impactstarkes Videoerlebnis machen. Wichtig ist für mich, dass es nicht nur um das Tool geht, sondern um die Story & den Workflow dahinter: Ich arbeite nach der "Story-First-AI-Second"-Methode. Dabei stellen wir sicher, dass die Markengeschichte immer im Zentrum steht und die KI als Werkzeug zur Umsetzung dient. Genau das vermittle ich auch in meinen Workshops ganz praxisnah direkt anhand konkreter Use Cases.
LEADERSNET: Sie sind davon überzeugt, dass es mehr weibliche Stimmen im Bereich KI braucht. Warum ist das so?
Oberzaucher: Weil Technologie nicht neutral ist. Wenn technologische Entwicklungen hauptsächlich von einer kleinen, homogenen Gruppe geprägt werden, fehlen wichtige Perspektiven, und das kann sich direkt auf die Qualität und Fairness der Systeme auswirken. Ich bin überzeugt: Eine vielfältigere KI ist eine bessere KI. Sie wird kreativer, relevanter und inklusiver, wenn Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Lebensrealitäten mitgestalten.
Und ja, der Frauenanteil in der KI-Welt spricht für sich: In Österreich liegt er aktuell bei nur 19,4 Prozent*. Damit sind wir EU-Schlusslicht! Das zeigt deutlich, dass es mehr Angebote, Sichtbarkeit und Ermutigung braucht, um diese Lücke zu schließen.
Deshalb braucht es mehr Frauen, die sich aktiv einbringen – ob als Entwicklerinnen, Gestalterinnen oder kreative Anwenderinnen. Genau das versuche ich auch mit der Content KI.tchen: Wissen teilen, andere befähigen und zeigen, dass KI nicht nur Technik ist, sondern auch eine kreative Spielwiese voller Möglichkeiten. Eine Workshop-Teilnehmerin hat es für mich perfekt auf den Punkt gebracht: "Endlich kann ich nun selbst auch professionell mit KI-gestützten Videos durchstarten und das Angebot für meine Kunden bereichern."
LEADERSNET: Wie ist die Idee entstanden und was wird in der Content KI.tchen gekocht?
Oberzaucher: In der Content KI.tchen wird Video-Content gekocht, und zwar mit KI als Gewürz. Die Idee ist nicht aus dem Nichts entstanden, sondern aus meiner bisherigen Arbeit. Ich habe vor über fünf Jahren meine Social-Media-Agentur digital.handwerk gegründet und mich dabei sehr früh auf das Thema Video spezialisiert. Für mich war schnell klar: Social Media und Bewegtbild gehören zusammen. In den letzten Jahren habe ich mit Unternehmen aus unterschiedlichsten Bereichen genau daran gearbeitet: an Content, der auffällt, bewegt und in Erinnerung bleibt.
Jetzt kommt mit KI eine neue, unglaublich spannende Ebene dazu. Ich produziere mittlerweile nicht nur selbst KI-Videos für Unternehmen, sondern leite auch regelmäßig Workshops in Agenturen und Unternehmen, in denen Marketing-Teams lernen, diese Technologien gezielt für ihre eigenen Inhalte einzusetzen. Schritt für Schritt, von der Idee bis zum fertigen Video. Genau da setzt die Content KI.tchen an: praxisnah, kreativ und strukturiert. Vom ersten Prompt bis zum Posting – alles in einem "Küchen"-Setup, das auch Spaß macht.
LEADERSNET: Für wen eignet sich das Format und was war das bisherige Feedback?
Oberzaucher: Das Angebot richtet sich vor allem an Marketingteams von KMUs, Agenturen, aber auch Solo-Selbstständige, die mit KI Bild- & Videoinhalten beginnen wollen.
Das Feedback war eindeutig positiv und oft richtig begeistert. Viele haben mir erzählt, dass sie zum ersten Mal wirklich durchblicken, was hinter einem KI-Video eigentlich steckt und dass sie dank des strukturierten KI-Video-Workflows jetzt auch selbst loslegen können. Andere haben mir direkt ihre ersten Umsetzungen gezeigt: richtig coole, kreative Clips, bei denen man sofort merkt, dass da jemand mit Neugier und Spaß am Werk war. Für mich ist das das Schönste: Wenn aus "Ich würd's gern mal probieren" ein "Ich hab's gemacht!" wird.
LEADERSNET: Welche Entwicklungen rund um KI-Content sind zu beobachten?
Oberzaucher: Es geht alles unglaublich schnell. Tools wie Google's Veo3 oder Runway Aleph zeigen, wo die Reise hingeht: KI-Video auf Hollywood-Niveau wird greifbar. Gleichzeitig sehe ich eine Gegenbewegung, nämlich den Wunsch nach Echtheit. Nutzer:innen merken, wenn etwas zu künstlich wirkt. Deshalb glaube ich, dass die Zukunft im bewussten Zusammenspiel von Mensch und KI liegt: Die KI liefert Geschwindigkeit und Möglichkeiten, der Mensch bringt Haltung, Stil und Story. Ich bin kein Fan davon, jetzt einfach alles radikal auf KI-generierte Inhalte umzustellen. Vielmehr geht es darum, KI gezielt und mit Strategie einzusetzen. Nicht um Menschen zu überfordern, sondern um sie zu begeistern.
LEADERSNET: Wo liegen Chancen für österreichische Unternehmen?
Oberzaucher: Gerade für kleinere und mittelständische Unternehmen liegt eine riesige Chance darin, mit KI wettbewerbsfähig zu bleiben – besonders in der Kommunikation. Man muss nicht mehr tausende Euro in eine Filmproduktion stecken, um auf Social Media sichtbar zu werden. Mit der richtigen Herangehensweise kann man auch als kleines Team beeindruckende Ergebnisse erzielen. Und das ganz ohne Hochglanz, sondern mit Persönlichkeit, Ideen und einem klaren Ziel. Genau diesen Weg zeige ich Unternehmen in Workshops auf, damit sie schnell und unkompliziert erste beeindruckende Ergebnisse selbst erzielen können.
www.digitalhandwerk.at
*Quelle: Interface EU – AI’s Missing Link.
Kommentar veröffentlichen