Entscheidung mit Wellenwirkung
Liegenschaftskrimi am Mondsee

| Redaktion 
| 31.07.2025

Ein See, der einer Privatperson gehört. Hunderte Betroffene, die ihre Bojen, Stege oder Badeplätze verlieren könnten. Und ein Erbe, das bis zu Napoleon zurückreicht.

Was passiert, wenn einer der größten Seen Österreichs plötzlich zum Spielball privater Interessen wird? Wenn hunderte Bootshüttenbesitzer, Pächter und Erholungssuchende nicht mehr wissen, ob sie künftig noch ans Wasser dürfen? Dann wird aus Idyll Unsicherheit und aus Besitz ein Politikum. Genau das scheint sich derzeit am Mondsee zuzutragen.

Im Frühjahr 2024 hat sich ein Eigentümerwechsel vollzogen, der den aktuellen Konflikt ausgelöst hat: Der Mondsee, einer der größten Alpenseen Österreichs, gehört nun offiziell Anna Mathyl, einer 48-jährigen Unternehmerin mit adeligem Stammbaum. Sie ist die Tochter von Nicolette Waechter, geborene Almeida, die den See seit 1977 besessen hat. Die Besitzlinie reicht allerdings viel weiter zurück und führt direkt zu Napoleon Bonaparte.

Ein Geschenk des Kaisers

Die Wurzeln des Privateigentums am Mondsee reichen nämlich bis ins Jahr 1809 zurück. Damals schenkte Kaiser Napoleon das ehemalige Kloster Mondsee samt See dem bayerischen Feldmarschall Carl Philipp von Wrede, einem seiner loyalen Verbündeten. Der Deal war historisch, die Konsequenzen reichen bis heute: Der Mondsee ist damit einer der wenigen großen Seen Österreichs, der sich vollständig in Privatbesitz befindet. Anders als etwa der Attersee oder der Traunsee ist er kein öffentliches Gewässer, zumindest was das Ufer und den Seegrund betrifft.

Kündigungswelle im Sommer 2025

Nun hat die neue Eigentümerin mit einem knappen Schreiben an die bisherigen Pächter für Aufregung gesorgt. Dort heißt es unmissverständlich: "Private oder kommerzielle Nutzungen des Mondsees, für die keine ausdrückliche gesetzliche oder schriftliche Erlaubnis von mir als See-Eigentümerin vorliegt, sind untersagt." Mit diesem Rundbrief kündigt Anna Mathyl sämtliche bestehenden Pachtverhältnisse – also Verträge über Bojen, Stege, Hütten und Seezugänge – auf. Betroffen sei eine niedrige dreistellige Zahl an Pachtverträgen, schätzt Josef Wendtner, Bürgermeister von St. Lorenz. Auch ein von der Gemeinde gepachteter Steg steht auf der Liste.

Neue Bedingungen in Aussicht

Hintergrund der Maßnahme dürfte klar sein: Die neue Eigentümerin möchte die bestehenden Verträge neu verhandeln und das zu höheren Preisen, mit strengerer Kontrolle und neuen Regeln. Die "Seeverwaltung Mondsee", ein von Mathyl beauftragtes Organ, soll künftig als Ansprechpartner fungieren. Während erste Nutzer die Kündigungen mit Sorge sehen, verweist Bürgermeister Wendtner  bei Medienvertretern auf das geltende Recht: "Baden, Segeln, Tauchen, Surfen oder Bootfahren bleiben erlaubt." Das Wasserrecht unterliegt dem sogenannten Gemeingebrauch, dies bedeutet die Oberfläche des Sees steht der Öffentlichkeit grundsätzlich weiter zur Verfügung. Doch das ändert nichts daran, dass Zugänge, Bootshäuser oder Bojen, die auf Privatgrundstücken oder über Pachtverträge laufen, nun neu verhandelt werden müssen. Wer keine Einigung erzielt, muss abbauen.

Rechtlich heikel, historisch einmalig

Wie kann es aber überhaupt sein, dass ein ganzer See einer Einzelperson gehört? Die Antwort liegt im Grundbuch und in einem entscheidenden OGH-Urteil aus dem Jahr 1997. Dort wurde bestätigt: Der Mondsee steht im Eigentum der Familie, die sich auf den napoleonischen Schenkungsakt beruft. Im Gegenzug wurde eine sogenannte Dienstbarkeit (Servitut) eingeräumt: Der Gemeingebrauch des Wassers, also Baden, Schwimmen, Schifffahrt und Eisgewinnung,  ist "für immerwährende Zeiten" erlaubt. Die Nutzung des Seegrunds, der Ufer und aller baulichen Strukturen ist davon jedoch nicht automatisch gedeckt.

Wer ist betroffen?

Laut Angaben der Gemeinde Mondsee existieren rund 150 Bojen und 163 Bootshütten rund um den See. Doch nur noch zehn Bootshütten befänden sich auf dem Grund von Anna Mathyl. Die übrigen wurden in den letzten Jahrzehnten durch Grundkäufe oder Einigungen in sicheres Eigentum überführt. Die Mehrzahl der betroffenen Personen sind Nutzer von Stegen, Bojen oder kleineren Uferparzellen, die bislang nur gemietet waren. Für sie bedeutet die Kündigung Unsicherheit, Verhandlungspflicht oder das Ende des Zugangs zum See.

Ausnahmezustand

Bürgermeister Wendtner versucht zu beruhigen und verweist auf ein "gutes Verhältnis" zur neuen Eigentümerin. Man sei zuversichtlich, "wohlwollende Lösungen" zu finden. Dennoch zeigt er Verständnis für die Betroffenen: Die plötzliche, unangekündigte Kündigungswelle sei für viele "erschreckend" gewesen. Aus Sicht der Verwaltung sei das Vorgehen jedoch rechtlich korrekt, weil keine bestehenden Verträge mit Mathyl persönlich geschlossen wurden. Dass eine neue Eigentümerin ihre Verhältnisse neu ordnet, sei üblich, nur eben in diesem Fall besonders sensibel.

Spekulationen, Gerüchte und neue Begehrlichkeiten

Die Nachricht vom Eigentümerwechsel und der Kündigungswelle hat längst überregional Wellen geschlagen. Gerüchte, dass die Eigentümerin den See verkaufen wolle oder keinerlei neue Verträge mehr zulasse, wurden vom Bürgermeister aber als "reine Spekulation" zurückgewiesen. Gleichzeitig wittern einige Investoren und Interessierte neue Chancen: Wer sich den Traum vom privaten Seezugang bislang nicht erfüllen konnte, hofft nun, über neue Verträge mit der Seeverwaltung oder sogar über Grundstücke und Wasserflächen zum Kauf zum Zug zu kommen.

Von Anna Mathyl selbst war bislang keine offizielle Stellungnahme zu erhalten. Gegenüber den "Oberösterreichischen Nachrichten" ließ sie jedoch ausrichten, demnächst eine "geplante ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Nutzung des Sees" vorstellen zu wollen. Was das konkret heißt?  Ist offen.

 

leadersnet.TV