Ausmisten im Trend
Privatverkäufe werden in Österreich immer mehr zum Lifestyle

Von der Flohmarktkultur zum digitalen Mikrohandel: Immer mehr Menschen in Österreich entdecken das Entrümpeln als befreienden Akt. Sie machen aus nicht mehr benötigten Dingen eine persönliche Einnahmequelle.

Was früher auf Flohmärkten geschah, spielt sich heute auf Online-Plattformen wie willhaben oder Vinted ab: Der Privatverkauf gebrauchter Dinge boomt. 37 Prozent der Österreicher:innen zwischen 16 und 74 Jahren haben im Zeitraum Mai 2024 bis April 2025 gebrauchte Waren weiterverkauft – Tendenz steigend. Das geht aus einer aktuellen Studie des Instituts für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) an der Linzer Johannes Kepler Universität hervor.

Vor allem in der Generation Y wird demnach fleißig gehandelt: 52 Prozent geben an, sich regelmäßig von Dingen zu trennen. In der Babyboomer-Generation liegt dieser Anteil nur bei 19 Prozent. Besonders aktiv sind jene Konsument:innen, die kaufen und verkaufen: 27 Prozent betreiben einen regen Austausch mit Second-Hand-Artikeln. "Micro-Retailing" nennt sich dieses neue Konsumverhalten, das sich irgendwo zwischen Nachhaltigkeitsbewegung und unternehmerischer Eigeninitiative verorten lässt.

Entrümpeln mit Sinn

Die Motivation für den Privatverkauf ist vielschichtig. Zwar spielt der monetäre Aspekt eine Rolle – durchschnittlich werden rund 240 Euro pro Jahr erlöst –, doch stehen für viele das gute Gefühl und der gewonnene Platz im Vordergrund. "Second-Hand ist nicht nur ein Einkaufstrend, sondern zunehmend auch ein Verkaufsphänomen", sagt Ernst Gittenberger vom IHaM. "Immer mehr Menschen werden zu Micro-Retailern – aus Freude an der Transaktion und einem Gefühl der Ressourcenschonung." Auch Institutsvorstand Christoph Teller sieht im privaten Verkauf eine neue emotionale Dimension: "Der Verkauf wird zur Outlet-Funktion, zur Belohnung – ohne Fixkosten, aber mit unmittelbarem Effekt."

Kleidung, Bücher, Technik

Die meistverkauften Produkte stammen aus dem Kleiderschrank: 18 Prozent der Befragten verkauften Kleidung, Schuhe oder Accessoires. Auf den weiteren Rängen folgen Bücher (zwölf Prozent), Möbel und Gartenartikel (je neun Prozent) sowie Spielzeug (acht Prozent). Verkauft wird überwiegend online – der Boom seit der Corona-Pandemie hält unvermindert an. Im EU-Vergleich liegt Österreich laut Eurostat im oberen Drittel, was die Nutzung von Internetplattformen für den Privatverkauf betrifft. Klassische Second-Hand-Geschäfte oder Flohmärkte spielen eine deutlich geringere Rolle.

Zwischen Euphorie und Ernüchterung

Der Verkauf bringt Platz, Geld und Genugtuung – doch nicht immer läuft alles glatt. Kritisiert werden zeitraubende Prozesse, hartnäckige Feilscherei oder "Ghosting" durch Käufer:innen. Auch der Anstieg beim Versandaufkommen trübt die Nachhaltigkeitsbilanz. Trotz kleiner Schattenseiten steht fest: Der private Verkauf hat sich vom bloßen Entrümpelungsakt zur bedeutungsvollen Alltagspraxis entwickelt. "Gerade in Krisenzeiten wird aus dem Notverkauf eine Tugend", so Teller. Micro-Retailing sei demnach mehr als ein Trend – es sei der Ausdruck eines neuen, selbstbestimmten Konsumverständnisses.

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