LEADERSNET-AEHRE-KOOPERATION
Somewhere over the Rainbow: LGBTQIA+ Inklusion (Management), jetzt erst recht!

| Redaktion 
| 09.07.2025

Das neue aehre Nachhaltigkeits-Businessmagazin ist da. Im Rahmen der Kooperation zwischen LEADERSNET und aehre dürfen sich die Leser:innen dieses Mal auf einen Artikel über Unternehmen, die sich der Anti-Diversitäts-Welle in den Weg stellen, freuen.

LEADERSNET veröffentlicht nun regelmäßig Interviews, Porträts und Servicegeschichten von aehre. Dabei befasst sich das nachhaltige Businessmagazin stets mit einem der zentralen Themen der Gegenwart: Nachhaltigkeit, in all ihren Facetten von Environment über Social bis Governance, von Innovationen über Generationendiskurs bis zu Nachfolgethemen.

Nachdem beim vergangenen Mal Daniela Cavallo, die Betriebsratsvorsitzende im Volkswagen-Konzern, ein Interview gegeben hatte, geht es dieses Mal um Unternehmen, die sich der Anti-Diversitäts-Welle, die aus den USA auch auf Europa überschwappt, entgegenstellen. Denn während sich so manche Unternehmen von der Inklusion von Menschen mit anderer sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität zurückziehen, bekennen andere Farbe. Jetzt erst recht.

 

Text: Doris Neubauer

Die Anti-Diversitäts-Stimmung der USA wird auch in Europa immer spürbarer. Während sich so manche Unternehmen von der Inklusion von Menschen mit anderer sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität zurückziehen, bekennen andere Farbe. Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz ist aufs Schaf gekommen. Genauer gesagt auf die Patches, Kappen und Schnürsenkel von "Rainbow Wool" – der weltweit ersten Kollektion aus der Wolle schwuler Schafe.

"Da sich diese nicht zur Fortpflanzung eignen, werden sie normalerweise umgebracht", kennt Franziska Gregor die Hintergründe. Sie ist Geschäftsführerin der auf Cultural Marketing spezialisierten Serviceplan Culture innerhalb der Kommunikationsagenturgruppe Serviceplan Group, die das Projekt integriert im House of Communication Köln für den Schäfer Michael Stücke aus Nordrhein-Westfalen umgesetzt hat. Auf dessen Bauernhof haben über 20 schwule Böcke ein Zuhause gefunden und liefern Wolle für die Fashion-Statements, die seit September 2024 zu kaufen sind. Alle Erlöse gehen an den LSVD+ – Verband Queere Vielfalt, der weltweit Projekte für LGBTQIA+ Menschen in queerfeindlichen Ländern unterstützt. Es ist ein Anliegen, für das Bill Kaulitz gerne sein Gesicht und seinen Namen hergibt.

»Oft sind es kleine Sachen, die in der Kommunikation und Außendarstellung den Unterschied machen.« Franziska Gregor, Geschäftsführerin Serviceplan Culture

Wie rund 30 Botschafter:innen aus der queeren Community in Deutschland und UK setzt sich der Fashion- und Lifestyle-Influencer ehrenamtlich für die Rainbow-Wool-Initiative ein. Ein diverses Spektrum zu erreichen und in die Kommunikation zu inkludieren, ist aber laut Gregor nicht nur bei Produkten gefragt. "Kampagnen mit diversen Protagonist:innen kommen sowohl bei Mitarbeitenden als auch Käufer:innen besser an und können langfristig den Absatz fördern", kennt sie die harten Fakten. Um diese positiven Effekte zu erzielen, müssen Unternehmen aber "langfristig und glaubwürdig in die Community investieren", hier spricht Diversitätsexpertin Gregor von zwei bis fünf Jahren. Nur im Pride-Monat Juni die Regenbogen-Fahne zu hissen, reicht nicht.

Haters gonna hate

"Teile der Community sehen das teils 'performative' Ausrollen der Regenbogenflagge ab dem 1. Juni kritisch", hat das Familienunternehmen Almdudler gemerkt und im vergangenen Jahr bewusst mit der Tradition gebrochen, eine Pride-Edition seiner Alpenkräuterlimonade auf den Markt zu bringen. Werte wie Offenheit, Toleranz und Zusammengehörigkeit haben bei Almdudler ohnehin das ganze Jahr über Saison: "Für uns ist das eine Haltung", betont Geschäftsführer Gerhard Schilling und verweist auf Kooperationen wie mit dem ehemaligen LifeBall, dem AidsHilfe-Haus, aber auch Diversity-Workshops durch Dragqueen und Aktivist:in Candy Licious für Almdudler-Mitarbeiter:innen.

Dass wegen dieser Aktionen für die LGBTQIA+ Community auf Social Media vereinzelt zum Boykott der Marke oder der Produkte aufgerufen wird, sieht er gelassen: "Man kann es eben nicht allen recht machen, und das braucht es auch nicht", hat er sich damit abgefunden. Mit menschenverachtenden Kommentaren aber nicht: "Bei Hass im Netz hört für uns der Spaß auf." Das stellte Almdudler 2023 mit einer Social-Media-Aktion klar, bei der die Hasskommentare ad absurdum geführt wurden: "Wir ließen Besucher:innen der Pride Night die Kommentare laut vorlesen", berichtet Schilling. Dem Image von Almdudler tut dieses "Ja zu Diversität, zu Respekt und Toleranz" ganz offensichtlich gut: "Insgesamt können wir sagen, dass wir die sympathischste Marke Österreichs sind", beruft sich der Geschäftsführer auf Umfragen, und will die Haltung auch in Zukunft bewahren.

© Verena Moser-CziczatkaBunt macht attraktiv. Gerade jüngere Menschen achten bewusst auf die Diversitätsorientierung ihrer Arbeitgeber, weiß Organisationsberaterin Astrid Weinwurm-Wilhelm © Verena Moser-Cziczatka

Der Unterschied steckt im Detail

Dieser Mut und die Konsequenz fehlen einigen Unternehmen. "Sie haben Berührungsängste, wissen nicht, wie man das Thema angehen und mit wem man zusammenarbeiten soll", kennt Franziska Gregor die Herausforderungen. Mit rationalen Argumenten ließen sich diese Sorgen nur bedingt aus dem Weg räumen.

Um ihnen diese Ängste zu nehmen, hat Serviceplan Culture ein "Culture Council" etabliert: Darin stehen Expert:innen aus verschiedenen Communitys und Sub-Communitys selbst den Kunden beratend zur Seite. Geht es um Fragen zur LGBTQIA+ Community, wird etwa die Berliner Content-Creatorin diehuepsche bei der Erarbeitung strategischer Grundlagen und Kreativideen einbezogen und ist auch Teil von Kundenworkshops, wenn es um die Ausgestaltung von Cultural-Marketing-Maßnahmen geht. "Das ist zwar keine repräsentative Umfrage, liefert aber gute Indikatoren darüber, ob wir die Zielgruppe glaubwürdig ansprechen oder unbewusste Vorurteile mitschwingen", erklärt Gregor und fügt hinzu: "Oft sind es kleine Sachen, die in der Kommunikation und Außendarstellung den Unterschied machen." Dazu gehöre die Nutzung der richtigen Pronomen genauso wie die Verfügbarkeit Gender-neutraler Toiletten bei Veranstaltungen.

 © UniCredit Bank AustriaUniCorns. Bei der UniCredit Bank Austria sind Inklusion und Diversität laut Markus Dolderer, Head of Investment Services, unwiderruflicher Teil der Unternehmens-DNA © UniCredit Bank Austria

Was für ihre Kunden gilt, das setzt die Serviceplan Group mit ihren 42 Standorten in 24 Ländern weltweit um: Seit 2023 hat sie eine internationale "Taskforce" für DEIB (Diversity, Equity, Inclusion and Belonging) etabliert, "deren Ambassador zu sein, mir eine Ehre ist", wie Gregor betont. Neben monatlichen Austauschtreffen und landesspezifischen Initiativen organisierte die aktuell 15-köpfige Gruppe im Diversity-Monat März Veranstaltungen, bei denen interne wie externe Expert:innen über wichtige Aspekte zum Thema "Building a Future Positive Work Culture Through DEIB" diskutierten. Dass in diesem Jahr unter anderem LGBTQIA+ im Fokus stand, sollte nicht überraschen: "Da gab es wegen der Anti-Diversitäts-Tendenzen in den Vereinigten Staaten viele Fragen bei den Kolleg:innen", weiß die Berlinerin, die vor eineinhalb Jahren von TikTok zur Serviceplan Group gewechselt ist, denn "viele Unternehmen haben ihre Programme zurückgefahren. Nicht nur in den USA, sondern auch in Europa", so die Advokatin für Diversity & Inclusion. "Schönerweise wir nicht!", ergänzt sie.

Kriterium für GEN Z oder Millenials

Für die auf Diversity-Management spezialisierte Organisationsberaterin Astrid Weinwurm-Wilhelm klingen solche Aussagen wie Musik in den Ohren. Auch sie spürt seit dem Regierungsantritt Trumps die "Zurückhaltung bei den großen Corporates". Dabei wäre es jetzt erst recht wichtig, Stellung zu beziehen – ist die ehrenamtliche Präsidentin der Queer Business Women* und Vize-Präsidentin von Pride Biz Austria, dem Dachverband für LGBTIQ+ im Wirtschafts- und Arbeitsleben, überzeugt. Zum einen werde nach wie vor ein hoher Prozentsatz der zum LGBTQIA+ Spektrum zählenden Menschen am Arbeitsplatz diskriminiert.

© Franziska GregorFranziska Gregor versteht sich als Advokatin für Diversity & Inklusion © Franziska Gregor

Zum anderen achten vor allem die Jüngeren vermehrt auf eine Diversitätsorientierung potenzieller Arbeitgeber. Etwas anderes "funktioniert für die heutige Generation, die Gen Z oder Millenials, nicht mehr", verweist sie auf Studien. Nur wenn sich Mitarbeitende mit ihrer gesamten Persönlichkeit im Job einbringen können, kann die Organisation vom Potenzial der Person profitieren. "Wenn wir das nicht zulassen, werden wir verlieren", warnt sie mit Blick auf den Fachkräftemangel. Um qualifizierte Mitarbeitende anzuziehen und langfristig zu binden, müssten Firmen Rahmenbedingungen schaffen, in denen sich jede:r wohlfühlt – unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung.

Kernthema Inklusion

"Egal, wo ich auf meinem Karriereweg war: Ich konnte immer ich selbst sein", hatte Markus Dolderer, Head of Investment Services offenbar Glück, in der UniCredit Bank Austria einen ebensolchen Arbeitgeber gefunden zu haben. Seit 16 Jahren ist er im Konzern beschäftigt. Fast zeitgleich, nämlich 2010, wurde bereits die Bank Austria Regenbogengruppe gegründet und ein Jahr später dafür – als eines der ersten Unternehmen – mit dem MERITUS-Award von PrideBiz ausgezeichnet.

"Nach der Fusion mit der UniCredit wurde das Thema im Rahmen einer Diversity- und Inclusion-Week noch stärker aufgegriffen", berichtet Dolderer – und aus der Regenbogengruppe wurden die "UniCorns". "Der Anstoß dazu kam aus Italien", weiß der Finanzexperte, denn nicht nur in Österreich, sondern auch an anderen Standorten der Gruppe haben sich Mitarbeitende in "Employee Ressource Groups" zusammengeschlossen.

»Jetzt ist es erst recht wichtig, Stellung zu beziehen.« Astrid Weinwurm-Wilhelm Organisationsberaterin

Im Fokus steht nicht nur der Austausch mit Ähnlich-Gesinnten, sie sind innerhalb des Konzerns auch für die Agenden der Community zuständig: "Wir haben Kontakt mit der HR-Abteilung, zum Management-Board und zum Betriebsrat, aber auch zu Interessenvertretungen wie Pride Biz", zählt Dolderer auf, der mit acht anderen zum Kernteam gehört. Die UniCorns organisieren interne Veranstaltungen beispielsweise zum IDAHOBIT, dem Internationalen Tag gegen Homophonie, Transphobie und Biphonie, nehmen an lokalen Events wie der Pride, dem Queer­Cinema oder der Karrieremesse Rainbow-Day für die queere Community teil – und das mit voller Unterstützung des Arbeitgebers.

Auch finanziell wird das Engagement vom Konzern aktiv gefördert: "Wir sponsern als Bank die Pride-Biz-Konferenz", nennt Dolderer ein Beispiel. Besonders stolz ist er aber auf eines: "Wir haben als einzige Bank in Österreich eine Regenbogen-Debit-Karte." Das zeige, dass das Thema unwiderruflicher Teil der Unternehmens-DNA geworden ist. Auch CEO Ivan Vlaho konnten die UniCorns als "Ally für LGBTQ" im Topmanagement gewinnen. "Da kann noch so viel Druck von außen kommen", sagt Dolderer mit einem Seitenhieb auf Anti-Diversitäts-Bewegungen, "dass wir uns von unserem Kernthema Inklusion verabschieden, wird nicht passieren." –

Mehr zum Thema Nachhaltigkeit finden Sie im nachhaltigen Businessmagazin aehre auf www.aehre.media und in der neuen Ausgabe, die am Kiosk oder auch online erhältlich ist.

aehre – das Nachhaltigkeits-Businessmagazin

Themen: Environmental-, Social- und Governance

Geschäftsführerinnen: Maria-Grazia Nordberg und Annabel Köle-Loebell

Gründung: März 2023

Praterstrasse 66/5

1020 Wien

Tel.: +43 1 890 44 06

Kontakt: hello@aehre.media

Homepage: www.aehre.media

Facts

LGBTQ, LGBTQ+, LGBT, LGBT+, LGBTIQ, oder LGBTQIA und LGBTQIA+

Die Initialen stehen für "lesbian, gay, bisexual, transgender, queer or questioning, intersex and asexual, aromantic, agender". Ihren Ursprung haben die Bezeichnungen
in den USA und umfassen alle Sexualitäten, romantischen Orientierungen, sexuellen Charakteristika und Gender-Identitäten, die nicht heterosexuell, heteroromantisch, cisgender oder endogeschlechtlich sind. Wie viele Menschen zur LGBTQIA+ Community gehören, darüber gibt es keine globale und genaue Statistik. Schätzungen gehen von 5 bis 15 Prozent aus.

5 Tipps für LGBTQIA+ Diversity-Management in KMUs von Astrid G. Weinwurm-Wilhelm

1. Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung durch Schulungen, Workshops oder Gespräche. // 2. Werte kommunizieren & Verbindlichkeit schaffen. Das kann durch eine Selbstverpflichtung oder ein Diversity-Statement sein. // 3. Ansprechpersonen und Unterstützungsstrukturen etablieren. Dabei helfen Mentoring-Angebote oder Kooperationen mit LGBTIQ+ Netzwerken. //4. Inklusive Sprache und HR-Prozesse anpassen durch geschlechtsneutrale Formulierung von Stellenausschreibungen. // 5. Engagement zeigen durch das Mitmachen bei Pride-Veranstaltungen oder sponsern von queeren Organisationen.

17 Prozent aller Mitglieder der GEN Z identifizieren sich als Teil der LGBTQIA+ Community.

20 Prozent aller Befragten der LGBTQIA+ Community in Österreich fühlten sich 2022 an ihrem Arbeitsplatz diskriminiert.

4 von 6 Unternehmen, die in Österreich zu den Diversitätsvorreitern zählen, konnten 2023 ein finanzielles Wachstum erzielen.

 

aehre – das Nachhaltigkeits-Businessmagazin

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LGBTQ, LGBTQ+, LGBT, LGBT+, LGBTIQ, oder LGBTQIA und LGBTQIA+

Die Initialen stehen für "lesbian, gay, bisexual, transgender, queer or questioning, intersex and asexual, aromantic, agender". Ihren Ursprung haben die Bezeichnungen
in den USA und umfassen alle Sexualitäten, romantischen Orientierungen, sexuellen Charakteristika und Gender-Identitäten, die nicht heterosexuell, heteroromantisch, cisgender oder endogeschlechtlich sind. Wie viele Menschen zur LGBTQIA+ Community gehören, darüber gibt es keine globale und genaue Statistik. Schätzungen gehen von 5 bis 15 Prozent aus.

5 Tipps für LGBTQIA+ Diversity-Management in KMUs von Astrid G. Weinwurm-Wilhelm

1. Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung durch Schulungen, Workshops oder Gespräche. // 2. Werte kommunizieren & Verbindlichkeit schaffen. Das kann durch eine Selbstverpflichtung oder ein Diversity-Statement sein. // 3. Ansprechpersonen und Unterstützungsstrukturen etablieren. Dabei helfen Mentoring-Angebote oder Kooperationen mit LGBTIQ+ Netzwerken. //4. Inklusive Sprache und HR-Prozesse anpassen durch geschlechtsneutrale Formulierung von Stellenausschreibungen. // 5. Engagement zeigen durch das Mitmachen bei Pride-Veranstaltungen oder sponsern von queeren Organisationen.

17 Prozent aller Mitglieder der GEN Z identifizieren sich als Teil der LGBTQIA+ Community.

20 Prozent aller Befragten der LGBTQIA+ Community in Österreich fühlten sich 2022 an ihrem Arbeitsplatz diskriminiert.

4 von 6 Unternehmen, die in Österreich zu den Diversitätsvorreitern zählen, konnten 2023 ein finanzielles Wachstum erzielen.

 

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