"Die Bahn" ist ja seit jeher ein Synonym für Mobilität. Doch zutiefst von Männern dominiert. Die Agenda Bahnindustrie Frauen ist als Österreichs erstes Netzwerk für Mobilitätsexpertinnen und Fachfrauen aus der Bahnindustrie an den Start gegangen. Wie sie die Zukunft der Bahnindustrie aktiv mit gestalten, erzählen die Agenda Bahnindustrie Vorstandsfrauen Sigrid Lumetsberger und Traude Kogoj.
LEADERSNET: Mit "Agenda Bahnindustrie Frauen" haben namhafte Bahnexpertinnen ein eigenes Netzwerk begründet. Wie ist es dazu gekommen?
Agenda Bahnindustrie: Die Idee der Vernetzung von Bahnindustriefrauen* wurde wie so häufig durch Zufall geboren - im Frühjahr 2019 bei einer Podiumsdiskussion des Mobilitätskongresses der Allianz pro Schiene in Berlin. Am Podium: Michaela Kay (ehemals Mitglied der Geschäftsführung Bombardier Deutschland und Mitglied von Allianz pro Schiene) und Traude Kogoj, Diversitymanagerin der ÖBB. Wenige Tage später folgte das erste Treffen mit der Bombardier-Managerin Sigrid Lumetsberger in Wien. Aus der Grundidee entwickelte sich in kürzester Zeit und trotz Corona-Pandemie die Agenda Bahnindustrie Frauen*.
Mit gutem Grund: die Bahnindustrie zählt zu den wichtigsten Sektoren Österreichs und ist mit unserem starken F&E-Sektor vergleichbar. Sie ist eine Exportlokomotive und hält gerechnet pro Kopf weltweit den ersten Platz, bei den Patentanmeldungen liegt sie weltweit am sechsten Platz. Im Bahnindustriebereich arbeiten rund 9.000 Menschen. Der Beschäftigungsmultiplikator beträgt 2,04. Kurzum ein wichtiger Industriesektor, der maßgeblich die Mobilität in unserem Land prägt und für Frauen* in doppelter Hinsicht relevant ist: als Arbeitnehmerin* und Innovatorin* in diesem Sektor und als Kundin*, die Mobilitätsleistungen in Anspruch nimmt. In beiden Bereichen sehen wir viel Innovationsluft nach oben. Und dieses Vakuum in Richtung modernes Industrieunternehmen und klimafreundliche, inklusive Mobilität will die Agenda Bahnindustrie Frauen* deutlich mitgestalten und zu einer neuen Exzellenz führen.
LEADERSNET: Wie wollen Sie den Industrie-Sektor mit ihrer Expertise weiter bringen? Wo setzen Sie an?
Agenda Bahnindustrie: Wir sind ein starkes Expert*innen-Team aus unterschiedlichen Unternehmen wie Siemens, Thales, Bombardier, Kontron, Wiener Linien, ÖBB und vielen mehr. Wir wollen im öffentlichen Diskurs dazu beitragen, den Industrie-Sektor auf unterschiedlichen Ebenen weiterzubringen. Erklärtes Ziel ist es, die Bahn zu einer inklusiveren und weiter gedachten Mobilitätsdienstleisterin zu machen. Sie muss beim gegenwärtigen Trend zur Plattformisierung die Hauptrolle spielen. Dazu müssen alte Denkmuster in der Branche aufgebrochen das Gleichgewicht der Gestalter*innen und Nutzer*innen hergestellt werden und stärker auf die unterschiedlichen Lebensrealitäten der Menschen eingegangen werden. Denken Sie an die unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse und täglichen Wege von Männern und Frauen*. Hier ist richtig viel zu tun und es bleibt viel Geld für die Branche auf der Straße liegen.
Und jene Expert*innen, die in der Branche schon wertvolle Beiträge leisten, sollen vor den Vorhang geholt werden. Das machen wir, unter anderem mit unserer Expert*innendatenbank.

LEADERSNET: "Die Bahn" ist ja seit jeher ein Synonym für Mobilität. Doch zutiefst von Männern dominiert. Welche Rolle konnten da schon bisher Frauen spielen?
Agenda Bahnindustrie: Die Branche ist traditionell von der Technik getrieben und vom klassischen Ingenieurswesen sowie männlich geprägt. Das hat die Branche auch so weit gebracht und so standhaft gemacht. Die starke Konzentration auf Technik ist aber auch leider immer noch wenig attraktiv für Frauen*. Es erübrigt sich hier auf die fehlende (Geschlechter-)vielfalt in MINT Fächern hinzuweisen.
Gleichzeitig verändern sich die Anforderungen an die Mobilität durch Digitalisierung und shared mobility rasant. Gewachsene Tradition und Wissen in dieser Branche, ganz besonders mit dem Fokus auf Sicherheit, entwickeln sich weiter. Zusätzlich zu dem Thema Sicherheit wird nun das Erlebnis & die vernetzte Mobilität immer wichtiger, "Artifical Intelligence" ist auch in der Bahnbranche nicht mehr wegzudenken. Der gesamte Sektor geht vom klassischen Ingenieurswesen hin zu IT- und AI-Lösungen. Daraus ergeben sich auch gute Jobperspektiven für Frauen*. Und wir brauchen diese Frauen*, um mit geballter Women-Power die Transformation vorantreiben: Von Safety to Passenger Experience & Connectivity.
LEADERSNET: Wie kann man in diesem Szenario schon bisher bemerkenswerte Leistungen von Frauen publik machen?
Agenda Bahnindustrie: Strukturiert und langfristig ausgerichtet machen wir das mit der Expert*innendatenbank. Im heurigen Europäischen Jahr der Schiene 2021 planen wir unterschiedliche Aktivitäten, zum Beispiel den Online-Workshop "creating virtual connections" am 22. März, um 17 Uhr. Alle, die Interesse haben, können sich über agendabif.at/gemeinsam anmelden. Im Herbst vergeben wir für die besten Innovationen einen Award für Frauen* in der Bahnindustrie.
LEADERSNET: Welchen Bereichen wollen die Expertinnen vermehrt das Augenmerk zuwenden?
Agenda Bahnindustrie: Österreich ist Bahnland Nummer 1 in der EU, die Akzeptanz und Zufriedenheit der Reisenden ist sehr groß. Das zeigt, trotz des Coronajahres 2020 und den sich daraus ergebenden Konsequenzen, wiederum eine Studie des VCÖ. Je attraktiver diese Mobilitätslösung wird, umso kreativer muss sie auch werden, um diverse Lebensrealitäten abzubilden und um allen gesellschaftlichen Gruppen ein attraktives Angebot machen zu können.
Fakt ist, in den vorhandenen Mobilitätsangeboten herrscht keine Chancengerechtigkeit für die unterschiedlichen Ansprüche der vielfältigen Benutzer*innengruppen. Das führt dazu, dass nicht jede*r gleichberechtigt am öffentlichen Leben teilnehmen kann. Die Mobilitätsnutzer*innen erheben ganz klar Anspruch auf gleichberechtigte Mobilitätschancen. Für eine nachhaltige Verkehrswende liefert die Genderperspektive also zusätzlich Qualität und einen wesentlichen Beitrag. Die Bahnbranche muss Produkte für alle unterschiedlichen Nutzer*innengruppen herstellen, dafür braucht es eine Repräsentanz aller Gruppen in der Branche. Nur so können inklusive Mobilitätslösungen geschaffen und Chancengerechtigkeit hergestellt werden.
LEADERSNET: Ist das Netzwerk bereits in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten?
Agenda Bahnindustrie: Ja, wir konnten sowohl medial Interesse auf uns ziehen als auch bei den Expert*innen in der Branche punkten. Unsere digitalen Veranstaltungen werden regelmäßig von über 200 Interessent*innen besucht. Der Bedarf und das Bedürfnis zur Mitgestaltung sind groß. Das zeigt auch, dass wir einen wichtigen Punkt treffen.
LEADERSNET: Ist es in der derzeitigen Situation schwierig Öffentlichkeitsarbeit zu leisten?
Agenda Bahnindustrie: Es ist bestimmt nicht die einfachste Zeit für klassische Öffentlichkeitsarbeit. Durch das Bohren harter Bretter hoffen wir ans Ziel zu gelangen: großartige Frauen* in der Bahnbranche vor den Vorhang zu holen und das Thema der fehlenden Visibility von Frauen* in der (Bahn-)Industrie ins Zentrum der Berichterstattung zu rücken.
LEADERSNET: Setzen Sie auf Online-Veranstaltungen?
Agenda Bahnindustrie: Ja. Aber wir hoffen stark, dass wir spätestens bei unserem Sommerfest alle persönlich begrüßen können. So sehr wir dem digitalen Zeitalter und den Möglichkeiten für den Austausch dankbar sind, so sehr freuen wir uns auf den persönlichen Austausch und das gemeinsame Heben des einen oder anderen Glaserls, denn Humor und Feiern kommen bei uns nicht zu kurz.
LEADERSNET: Was wird mit den beabsichtigten Sponsoring-Packages angestrebt?
Agenda Bahnindustrie: Um aktiv am öffentlichen Diskurs teilzunehmen und um unsere Ideen von Mobilität, Wirtschaft und Chancengerechtigkeit weiterhin zu diskutieren, braucht es ein starkes und schlagkräftiges Team. Wir freuen uns sehr, wenn möglichst viele unsere Extrameile für die klimafreundliche und inklusive Mobilität mit uns gehen und uns unterstützen. Wer Interesse hat, kann sich direkt an office@agendabif.at wenden. Gehen wir die Extrameile gemeinsam. Vielen Dank dafür! (jw)
agendabif.at
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