"Das Amazon-Bashing bringt uns nicht weiter"

Accenture-Geschäftsführer Michael Zettel im Interview über die digitale Transformation, den Plattform-Wettlauf im B2B-Bereich, das Thema Datenschutz und welchen Digitalisierungstipp er für KMUs hat.

LEADERSNET: Andreas Bierwirth, CEO von Magenta, hat kürzlich beim Accenture-Talk in Alpbach von einer Sturzgeburt der Digitalisierung durch Corona gesprochen. Teilen Sie diese Einschätzung? 

Zettel: Die Coronakrise war die Matura bzw. die Reifeprüfung der digitalen Transformation. Es sind dadurch Fragen, wie etwa "Wo steht man?" "Habe ich meine Prozesse digitalisiert?" "Kann ich meine Produkte online vertreiben?" aufgetaucht. Natürlich hat das nochmal einen gewaltigen Schub bewirkt. Für alle, die noch Aufholbedarf haben, hat es ganz klar gezeigt, wo dieser liegt. Und auf der anderen Seite gibt es Unternehmen, die jetzt schon an die nächsten Schritte denken – Stichwort Plattformen.

LEADERSNET: Die großen Plattformen, wie Amazon, Google oder Alibaba kommen aus den USA und China – aber nicht aus Europa. Woran liegt das?

Zettel: Einer der Gründe, warum wir die Konsumentenplattformen nicht in Europa haben, ist, dass wir im Vergleich zu den USA und China eine "dramatisch schlechtere" Ausgangssituation haben. Wir haben unterschiedliche Sprachen, unterschiedliche Gesetzgebungen usw. Deshalb ist es auch entsprechend schwieriger, digitale Champions in Europa zu entwickeln. Wir Europäer müssen uns deshalb auf unsere Stärken besinnen. Europa ist der Ingenieurs-Weltmeister. Europa ist Industrie-Weltmeister. Und genau auf diese Stärke sollten wir uns auch im Business-to-Business (B2B) Markt besinnen. Wir haben in der Digitalwirtschaft Aufholbedarf. Aber wenn wir unsere Ingenieurskunst mit der Digitalwirtschaft kombinieren, dann können wir in Europa unschlagbar sein und das ist die Aufgabe des nächsten Jahrzehnts.

LEADERSNET: Das heißt im B2B-Bereich hätte Europa noch Chancen in der Plattform-Wirtschaft eine Rolle zu spielen?

Zettel: Ja, denn auch im B2B-Bereich sind Plattformen das große Themen. Im Konsumentenmarkt ist dieses Thema weitgehend abgefrühstückt. Da gibt es Amazon, da gibt es Google und die ganzen anderen großen Platzhirsche. Im B2B-Markt ist das Rennen aber noch völlig offen. Der B2B-Markt ist sehr heterogen. Dort gilt es, in der Plattform-Wirtschaft zu reüssieren. Das muss das große Thema für die europäischen Unternehmen sein.

LEADERSNET: Die großen B2C-Plattformen wie Amazon stehen sehr oft auch in der Kritik. Europa versucht der vermeintlichen Allmacht dieser Plattformen durch Regulierung beizukommen. Wird dieser Weg erfolgreich sein?

Zettel: Das Amazon-Bashing bringt uns nicht weiter. Es ist völlig klar, dass Plattformen die Zukunft der digitalen Transformation sind. Wir haben einen signifikanten Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA und China. Wir werden nicht wirtschaftlich erfolgreicher sein, wenn wir Plattformen verbieten. Deshalb müssen wir unseren Weg zu den Plattformen finden. In den B2B-Märkten ist das Rennen noch völlig offen. Da wird es nicht die einheitliche Plattform geben, weil die Märkte viel zu heterogen sind. Das ist die Chance für Europa, um auch in der Plattform-Wirtschaft erfolgreich zu sein. Mit Regulierungen gegen Plattformen vorzugehen, bringt nichts. Diesen Krieg können wir nicht gewinnen.

LEADERSNET: Ist der Datenschutz in Europa zu stark?

Zettel: Wir haben in Europa sicherlich ein Ungleichgewicht beim Thema Datenschutz vs. Datennutzung. Den Kürzeren ziehen dabei aber nicht die großen Plattformen, sondern kleine und mittlere Unternehmen. Jedes KMU kämpft mit der Umsetzung der DSGVO. Wir sollten uns viel stärker darüber unterhalten, wie wir Daten nutzen können, was der Vorteil von Daten ist und wie wir Daten strategisch einsetzen können. 

LEADERSNET: Müssen wir uns vor zunehmenden Digitalisierung fürchten oder sollen wir uns darauf freuen?

Zettel: Wir müssen uns vor der Digitalisierung nicht fürchten. Ich freue mich darauf, was in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch kommen wird.

LEADERSNET: Welchen Appell haben Sie abschließend noch an KMUs?

Zettel: Alle, die die Hausaufgaben der digitalen Transformation noch nicht gemacht haben, sollten in die Digitalisierung investieren. Das ist der erste große Schritt. Dann sollte man alle Prozesse digital beherrschen und alle Produkte online vertreiben. Der nächste Schritt ist dann, in die Plattform-Wirtschaft zu finden.

www.accenture.com

 

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