"Schröder zu Commerzialbank: Man hätte mich halt vor 30 bis 50 Jahren fragen müssen"

Ein Gastkommentar von Staatsopern-Direktor Bogdan Roščić als Antwort auf das "Skandal-Interview" von Albertina-Direktor Schröder. 

Dass Corona bei Vielen den Geist mehr gefährdet als den Körper, wurde in den vergangenen Monaten immer wieder eindrucksvoll dokumentiert. Aber die Wortmeldungen von Klaus Albrecht Schröder im gestrigen Kurier bringen Hybris, Ahnungslosigkeit und Perfidie in eine Dreieckskomposition, wie sie andere Tieflader auf der Deponie des Corona-Meinungsmülls einfach nicht zu bieten haben.

Das eigentliche Grundproblem: Leider kann sich Schröder nicht selbst um alles kümmern. Das Resultat? Versagen, soweit das Auge reicht.  Die Bundesregierung – vollkommen unvorbereitet. Dabei hatte man doch "klare Prognosen", so Schröder, dass "es in den nächsten 30 bis 50 Jahren eine Pandemie geben würde". Und was sind ein paar Jahrzehnte auf oder ab, wenn man sich schon mal auf eine tödliche Gefahr unbekannten Inhalts vorbereiten könnte, so wie er das spätestens ab Ende der 1980er Jahre getan hätte.

Die Kulturpolitik – nichts als schwere Fehler. Dass Schröder nebenbei zeigt, nicht die geringste Ahnung davon zu haben, wie Theater in diesem Land finanziert wird und mit frei erfundenen Zahlen um sich schmeißt (von einem Journalisten, der es besser wissen muss, dabei nicht korrigiert): wen kümmert’s? Hier geht es um höhere Ziele, nämlich zu verhindern, dass in Zeiten wie diesen Leute ein paar Mal billiger ins Museum dürfen. Wo kommen wir hin, wenn neben den bösartig ausbleibenden Touristen jetzt auch noch die Einheimischen beim Umsatz schwächeln?

Die Pharma-Industrie – unfähig, eine Impfung zu liefern. Das haben wir davon, dass man Schröder nicht "vor 30 bis 50 Jahren" vorsorglich bewogen hat, Biochemie zu studieren. Und das, obwohl es "klare Prognosen" gab, dass nur wenige Jahrzehnte später eine Lichtgestalt mit seiner Watt-Anzahl gebraucht werden würde wie ein Bissen Brot.
Womit Schröder bei der eigentlichen Gefahr wäre – den Theatern. Die wahre Bedrohung entdeckt er nicht im gesteckt vollen Flugzeug oder im Kino, nicht beim Shopping oder im Fitness-Center, nicht beim kollektiven öffentlichen Saufen oder im malerischen Fremdenverkehrsort. Sondern dort, wo ab September unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen und, im Gegensatz zur Albertina, zuverlässig distanziert in einem 20 Meter hohen, rekordverdächtig gut durchlüfteten Raum Menschen Masken tragend wieder hinein dürfen – also z.B. an der Staatsoper.

Was die Theater derzeit rund um die Uhr tun, um Sicherheit für Künstler wie Publikum zu ermöglichen, für solche Petitessen hat Schröder keine Zeit. Er muss nämlich einerseits darüber lamentieren, dass er mangels Ansturm nicht wie sonst die Besucher der Albertina zusammenpferchen kann, bis der Zusammenhang von Sauerstoffzufuhr und anspruchsvolleren Gehirnfunktionen klar wird. Andererseits erklärt er den Aufenthalt in geschlossenen Räumen zwecks Kultur zur Todeszone. Gilt das auch für die Albertina, an der er ja durch sofortige Schließung nach eigener Definition Menschenleben retten könnte? Nein, diese scheinen nur dort gefährdet, wo Schröder nicht das Sagen hat.

Ist das nun einfach selbstgerechte Perfidie, wie sie einem selbst in der österreichischen Kulturszene selten unterkommt? Oder vielmehr ein Fall jener gesunden Härte, die nicht fehlen kann, wo ein Schröder dem Weltgeist hilft, seinen nächsten Schritt richtig zu setzen? Ich entscheide mich für Letzteres und hoffe, dass der Kurier es nicht bei diesem einen Interview bewenden lässt. Mit Freude sehe ich künftigen Episoden entgegen wie "Schröder: Wie ich den Frieden nach Nahost bringe" oder "Schröder zu Commerzialbank: Man hätte mich halt vor 30 bis 50 Jahren fragen müssen".

www.wiener-staatsoper.at


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