Politkrimi und heftige Vorwürfe: "Wiener Zeitung" setzt Chefredakteur ab

Göweil wurde "wegen eines anlassbedingten Vertrauensverlustes mit sofortiger Wirkung abberufen". 

Reinhard Göweil, Chefredakteur der Wiener Zeitung im Eigentum der Republik Österreich, ist fristlos abberufen worden. "Die Wiener Zeitung sah sich gezwungen, Reinhard Göweil wegen eines anlassbedingten Vertrauensverlustes mit sofortiger Wirkung von der Funktion als Chefredakteur der Wiener Zeitung abzuberufen und das Dienstverhältnis mit ihm zu beenden", lautet es in einer Aussendung.  Es handle sich um eine fristlose Kündigung aus arbeitsrechtlichen Gründen, anderen Behauptungen trete man entschieden entgegen. Interimistisch werden die stellvertretenden Chefredakteure das Blatt redaktionell führen.

Über die Hintergründe wird gemutmaßt. Laut Standard steht der Vorwurf sexueller Belästigung im Raum. Diese Anschuldigung stützt sich auf einen Facebook-Eintrag von Vice-Chefredakteurin Hanna Herbst. "Eine junge Journalistin beschuldigt Göweil, sie sexuell belästigt und ihr eine dementsprechende Nachricht geschrieben zu haben (der Screenshot liegt mir vor). Sie ist mit den Beweisen an die Gleichbehandlungsanwaltschaft herangetreten, aus deren Sicht der Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllt wurde (das Schreiben liegt mir vor). Es gilt natürlich die Unschuldsvermutung. Mit den Beweisen und der Einschätzung der Anwaltschaft ist die Journalistin schließlich an den Zuständigen herangetreten: den Bund, der sofort gehandelt hat. Heute wurde Göweil abberufen. Ich habe ihn gebeten, mich anzurufen, das ist bislang nicht passiert", lautet es im Posting.

Andernorts werden Vorzeichen auf eine mögliche schwarzblaue Regierung geortet.

Kein dienstlicher Vorwurf?

Auf Facebook schreibt Göweil, "dass die Abberufung einen bloßen Vorwand nutze und dass es seinerseits keine dienstliche Verfehlung gebe. Es wurde kein dienstlicher Vorwurf gemacht. Im kommenden Prozess wird diese Begründung nachgeliefert werden müssen.“

Göweil hat 2009 als Nachfolger von Andreas Unterberger sein Amt angetreten. Mit Jänner 2014 wurde sein Vertrag um fünf Jahre verlängert. Die Wiener Zeitung gilt als die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt. Die erste Ausgabe des "Wiennerischen Diarium" erschien am 8. August 1703. (jw)

www.wienerzeitung.at

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