Großer Erfolg für zweiten Österreichischen Inklusionstag

| 18.11.2014

„Miteinander arbeiten ohne Barrieren“ ist Schwerpunktthema 2015.

Die Fakten zur Arbeitswelt sind ernüchternd: Die Zahl der Beschäftigungslosen mit Behinderungen ist in acht Jahren fast fünfmal so stark gestiegen wie die allgemeine Arbeitslosigkeit. Menschen mit Behinderungen sind öfter und länger arbeitslos als andere und weit stärker von Armut betroffen. Seit Jahren kommt nur rund ein Viertel aller Betriebe seiner Beschäftigungspflicht nach dem Behinderteneinstellungsgesetz nach - mit weiterhin negativer Tendenz.

Nach der erfolgreichen Premiere im Jahr 2013  machten die Österreichischen Lotterien im Messe Congress Wien beim zweiten Österreichischen Inklusionstag die Arbeitswelt zum Thema. Vier Workshops, Vorträge von Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Psychologe  Georg Fraberger sowie eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion rundeten den Tag ab. „Es war wirklich beeindruckend, wie tiefgreifend und fundiert die Thematik aufgearbeitet und diskutiert wurde. Es freut mich zu sehen, dass wir mit dem Inklusionstag in seiner zweiten Auflage einen deutlichen Schritt weitergekommen sind, um diesem Thema ein Forum zu geben, indem die Erfahrungen und das Verständnis steigen und Barrieren fallen", so Bettina Glatz-Kremsner, Vorstandsdirektorin der Österreichischen Lotterien und Initiatorin der Veranstaltung.

Ausgleichstaxe erhöhen – ja oder nein?

Erstes Thema am Podium war die so genannte Ausgleichstaxe: Das vor vier Jahren im Parlament beschlossene Behindertengleichstellungsgesetz sieht vor, dass jedes Unternehmen pro 25 Beschäftigten einen Arbeitsplatz für einen Menschen mit Behinderung schafft. Wird dies nicht erreicht, wird dafür eine Ausgleichszahlung fällig. Kritiker meinen, es würde den Unternehmen zu leicht gemacht, sich auf diese Weise freizukaufen, und fordern deshalb eine drastische Erhöhung. Rund 150 Millionen Euro nimmt das Sozialministerium jährlich durch diese Ausgleichstaxen ein. Die Hoffnung, dass diese Maßnahme einen deutlichen Steuerungseffekt hätte, musste Minister Hundstorfer aber mit aktuellen Fakten klar widerlegen. Vier Jahre nach der Einführung würden gerade einmal 2,9 Prozent der heimischen Unternehmen die Quote erfüllen, referierte er ernüchtert aus einer aktuellen Erhebung, betonte aber zugleich, dass er in einer Erhöhung der Ausgleichstaxe nicht die Lösung sehe.

Behindertenanwalt Erwin Buchinger widersprach dem vehement und regte eine Verdoppelung der Ausgleichstaxe an, für die man im Gegenzug den ohnehin zweischneidigen Kündigungsschutz zur Diskussion stellen könnte. Das sieht auch ÖAR- und ÖZIV-Präsident Dr. Klaus Voget ähnlich. Der Kündigungsschutz sei „ein überbewertetes Thema“, vielmehr gehe es darum, „Unternehmen zu überzeugen, dass sie sich die Ausgleichstaxe ersparen können, indem sie einen inklusiven Arbeitsmarkt fördern“. KR Brigitte Jank, NR-Abgeordnete und Präsidentin des Österreichischen Behindertensportverbandes, setzt ebenfalls auf Bewusstseinsbildung in den Betrieben: „Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, Menschen mit und ohne Behinderung einzustellen. Den Anfang für ein barrierefreies Miteinander sollte man dabei schon im Schulalter forcieren, nur so kann man von vornherein Ängste und Barrieren abbauen“.

Persönliche Assistenz als Brücke

Für  Dorothea Brozek, Inhaberin von Brozek Power Consulting, ist eine Diskussion über die Ausgleichstaxe überflüssig, solange sich nichts am Gesamtsystem ändere. Sie selbst sitzt im Rollstuhl und ist auf persönliche Assistenz angewiesen. „Was bringt mir ein persönlicher Assistent im Büro, wenn ich nicht weiß, wie ich morgens aus dem Bett komme? Ein wichtiger Baustein, um sich als Mensch mit Behinderung in die Gesellschaft einzuklinken, ist aus meiner Sicht eine individuelle Unterstützung im Alltag.“ Hier gibt es aber derzeit eine Diskrepanz zwischen Land und Bund, eine einheitliche Lösung für eine Assistenz im Beruf und Alltag fehle.

Bevorzugung von Behinderten bei gleicher Qualifikation

Beratungseinrichtungen wie fit2work, Career Moves und das AMS fördern die Inklusion von qualifizierten und motivierten Menschen mit Behinderung im Berufsleben. Dennoch bestehe hier laut Buchinger Aufholbedarf, zumal die Arbeitslosigkeit vor allem bildungsarme Gruppen treffe, bei Menschen mit Behinderung noch stärker als insgesamt: „Das Ausbildungsangebot des AMS für Menschen mit Behinderung ist im Vergleich zu jenem für Menschen ohne Einschränkungen unterdurchschnittlich. Wir müssen der Qualifizierung mehr Aufmerksamkeit schenken“. Eine Bevorzugung von Behinderten bei gleicher Qualifikation sehen die Experten als durchaus denkbar bis notwendig. (jw)

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