LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Mojescick, immer häufiger lesen wir von Überflutungen, Muren und ähnlichen Naturkatastrophen. Täuscht der Eindruck, oder schlägt die Natur zurück?
Mojescick: Leider nicht. Ereignisse, die früher als "Jahrhunderthochwasser“ galten, treten nun alle paar Jahre auf. Trotzdem verhalten sich viele Menschen nach dem Motto: "Das kommt doch erst in 99 Jahren wieder.“ Ganze Dörfer wurden evakuiert, es wirkt wie ein Ausnahmezustand – tatsächlich ist es längst Normalität.
LEADERSNET: Und dennoch sind 90 Prozent der österreichischen Bevölkerung nicht vorbereitet.
Mojescick: Vorbereitung ist das Stichwort. Sie ist das dringendste Erfordernis. Doch viele befassen sich erst damit, wenn es zu spät ist, oder verlassen sich darauf, dass der Staat nach der Katastrophe einspringt. Diese Vollkasko-Mentalität führt zu einem fatalen Trugschluss: Die Menschen glauben, dass es in Österreich einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz von Katastrophenschäden gibt. Tatsächlich gibt es jedoch nur einen Katastrophen-Fonds, bei dem man Bittsteller ist. Das führt im Ernstfall zu dramatischen Lücken.
LEADERSNET: Wie groß sind diese Lücken?
Mojescick: Nur etwa ein Viertel der Hausbesitzer:innen hat erweiterten Schutz gegen Naturereignisse. Viele glauben, sie seien ähnlich versichert, wie in den Sparten Feuer, Sturm oder Leitungswasser. Doch Vermurung, Überschwemmung oder Erdbeben sind meist nur durch limitierte Zusatzdeckungen versicherbar. Und selbst wenn: Entschädigungen liegen oft nur bei 3.000 bis 10.000 Euro – in den meisten Fällen ein Tropfen auf dem heißen Stein.
LEADERSNET: Warum ist das System so begrenzt?
Mojescick: In Hochwasserregionen stellt sich nicht die Frage, ob der Schaden eintritt, sondern wann. Etwas, dass praktisch garantiert eintritt, ist nicht versicherbar. Wir erleben in diesen Situationen, wie ein System in der derzeitigen Form an seine Grenzen stößt.
LEADERSNET: Andere Länder scheinen hier weiter zu sein.
Mojescick: Ja, viele europäische Staaten haben Systeme, die vor dem Schaden greifen – nicht erst danach. Diese Länder wissen: nachträgliche Kompensation fördert kein Risikobewusstsein. Österreich setzt hingegen auf Katastrophenfonds – eine wenig nachhaltige Lösung, die bei steigenden Schäden nicht mitwächst, allerdings bei Politiker:innen sehr beliebt ist. Sie genießen dann die Rolle der Geldverteiler:innen.
LEADERSNET: Was wäre demnach eine zeitgemäße Lösung für Österreich?
Mojescick: Man wird das Problem nur in einem gesamtösterreichischen Konzept politisch lösen können. Schon 2007 wurde ein Modell vorgeschlagen: Ein kleiner Solidarbeitrag, der an jede Feuerversicherung verpflichtend gekoppelt wird. Wenige Euro im Monat – dafür Anspruch auf Ersatz des tatsächlichen Schadens. Auch sozial gerechte Anpassungen wären dabei leicht möglich. Das verhindert zwar nicht das Ereignis, aber die Existenzvernichtung danach und bestenfalls die Rolle des Staates als Lückenfüller. Wir haben immer noch nur die Schreckensbilder des Hochwassers in Niederösterreich vor Augen – in anderen Bundesländern kann sich eine Naturkatastrophe aber auch in Form von Muren, Lawinen oder Erdbeben manifestieren. Deshalb ist es notwendig ganz Österreich einzubinden.
LEADERSNET: Woran scheitert die Umetzung dieser Lösung?
Mojescick: Verantwortung ist politisch sensibel. Wer trägt sie? Staat, Bürger:innen oder Wirtschaft? Ganz ohne Eigenverantwortung wird es künftig nicht gehen, aber der Staat darf sich auch nicht zurückziehen. Naturgefahren sind ein gesamtgesellschaftliches Risiko. Leider vergessen wir nach jedem Schaden viel zu schnell, wie schlimm es war – eine Art Naturkatastrophen-Demenz.
LEADERSNET: Sie sprachen von Prävention. Was bedeutet das konkret?
Mojescick: Prävention ist das Fundament – erst daran sollte der Risikotransfer durch den Versicherer anschließen. Dazu gehören bauliche Maßnahmen wie erhöhte oder drucksichere Kellerfenster oder Rückstauklappen, verhaltensbezogene Schritte wie Möbel hochstellen oder Sandsäcke bereitlegen und schließlich die Risikovorsorge über passende Versicherungen. Wer alle drei Ebenen kombiniert, ist im Ernstfall deutlich besser geschützt und kann Schäden effektiv begrenzen.
LEADERSNET: Ihr Appell an unsere Leser:innen?
Mojescick: Mein Appell richtet sich an Politik und Bürger:innen: Bewusstsein schaffen und handeln. Naturgefahren sind kein Ausnahmezustand mehr, sie sind Realität. Wer denkt "Es wird schon gutgehen“, setzt auf Glück. Wer vorsorgt, setzt auf Verstand.
www.wiener-versicherungsmakler.at
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