Fotos von der IV und z.l.ö-Veranstaltung
Lehre als Zukunftschance für Jugendliche und Wirtschaftsstandort

Vertreter:innen der Industriellenvereinigung und zukunft.lehre.österreich. fordern gemeinsam eine stärkere Anerkennung im Bildungssystem und Maßnahmen für moderne Berufsschulen, bessere Berufsorientierung sowie eine zentrale politische Steuerung.

In Österreich wählen rund 38 Prozent der Jugendlichen nach der Pflichtschule einen der derzeit 230 Lehrberufe. Das ist ein wichtiger Baustein für Fachkräfte-Nachwuchs und Standortstärke. Trotzdem zeigt sich aktuell ein rückläufiger Trend. Nach 108.200 Lehrlingen im Jahr 2023 sank ihre Zahl 2024 um 1,7 Prozent.

Die duale Ausbildung soll aber in Österreich nicht nur überleben, sondern gestärkt und aufgewertet werden. Gemeinsam mit Vertreter:innen aus Politik, Schulen und Unternehmen diskutierten die Industriellenvereinigung Österreich (IV) und zukunft.lehre.österreich. (z.l.ö.), wie die Lehre noch sichtbarer und selbstverständlicher als gleichwertiges und chancenreiches Angebot des Bildungssystems verankert werden kann. Sie forderten bei der gemeinsamen Veranstaltung strukturelle Reformen: moderne Berufsschulen, verpflichtende Berufsorientierung und eine zentrale Zuständigkeit, damit die Lehre als gleichwertiger Bildungsweg endlich die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient.

Qualität, Praxisnähe und Perspektive

Georg Knill (IV-Präsident) und Robert Machtlinger (z.l.ö.-Präsident und CEO der FACC AG) unterstrichen die Rolle der Lehre: "Die Lehre ist ein Bildungsweg mit Qualität, Praxisnähe und Perspektive – und verdient volle Anerkennung im Bildungssystem." Knill forderte, die Lehre unabhängig von sozialem Hintergrund als attraktive Option für alle Jugendlichen zu sichern, gerade weil viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, geeignete Lehrlinge zu finden. "Die duale Ausbildung eröffnet jungen Menschen nicht nur exzellente Berufschancen, sondern fördert auch Eigenverantwortung, Persönlichkeit und unternehmerisches Denken", ergänzte Machtlinger.

Im Mittelpunkt der gemeinsamen Reformagenda von zukunft.lehre.österreich. und der Industriellenvereinigung stehen drei zentrale Bereiche, die das Lehrsystem strukturell stärken sollen (siehe auch Infobox).

Frühe Berufsorientierung als Schlüssel

Ein zentrales Anliegen beider Organisationen ist eine strukturierte, persönliche Berufsorientierung. Sowohl der IV-Präsident als auch der z.l.ö.-Präsident betonen, dass junge Menschen frühzeitig und qualitätsvoll begleitet werden müssen. "Bildungs- und Berufsorientierung ist eine Kernaufgabe des Bildungssystems, sie kann nicht nur vom individuellen Engagement von Lehrkräften und Schulleitungen abhängig sein", so Knill.

Die Industriellenvereinigung fordert daher eine verpflichtende Berufsorientierung ab der Unterstufe, die alle Schultypen umfasst, inklusive der AHS-Unterstufe, und den Jugendlichen realistische Einblicke in unterschiedliche Berufsfelder eröffnet.

Machtlinger unterstreicht den gleichen Punkt und verweist auf die Bedeutung frühzeitiger Impulse: "Wir müssen junge Menschen erreichen, bevor sie sich gegen die Lehre entscheiden. Das gelingt nur mit verständlicher, greifbarer und ehrlicher Berufsorientierung und mit Vorbildern, die zeigen, was mit einer Lehre möglich ist."

Betriebe stärken, Ausbildung finanzierbar halten

Für eine starke duale Ausbildung brauche es engagierte Unternehmen, die bereit und in der Lage sind, Lehrlinge auszubilden. Genau hier sieht z.l.ö. jedoch ein wachsendes Risiko: Die staatliche Basisförderung, die Betriebe für die Lehrlingsausbildung erhalten, reiche oft nicht mehr aus. "Unternehmen übernehmen die Ausbildung für mehr als 38 Prozent unserer Jugendlichen. Gleichzeitig sind Lehrlinge bereits Teil unseres Sozialsystems: Sie zahlen Lohnsteuer, Sozial- und Pensionsbeiträge. Deshalb müssen auch jene Betriebe, die ausbilden, gezielt unterstützt werden", so Machtlinger.

Sollte diese Unterstützung weiter sinken, könnten selbst größere Unternehmen gezwungen sein, ihr Ausbildungsangebot zu reduzieren. Dabei seien gut ausgestattete Lehrwerkstätten, Trainingszentren und qualifizierte Ausbildner:innen essenziell, aber kostenintensiv. Machtlinger betont daher: "Wir fordern jetzt eine Evaluierung der Förderprogramme und eine faire Unterstützung für jene, die die Ärmel hochkrempeln und die Herausforderungen für den Arbeitsmarkt anpacken. Es braucht jetzt mehr denn je Anreize, um auch Unternehmen wieder zu bekräftigen, dass ausgebildete Fachkräfte unsere Zukunft sind."

Die Initiative appelliert an die Politik, zentrale Förderinstrumente sicherzustellen, um Rückschritte in der Ausbildungspolitik zu vermeiden.

Zuständigkeiten bündeln, Fachkräftestrategie koordinieren

Ein weiterer Punkt betrifft die organisatorische Struktur auf Bundesebene. Derzeit liegt die Verantwortung für die Lehrausbildung bei vier verschiedenen Ressorts. Für Machtlinger ist das ein klarer Systemfehler. "Aktuell sind vier Ministerien für die Lehre zuständig – das kann nicht effizient funktionieren", sagt Machtlinger. Deshalb fordert z.l.ö. die Einrichtung einer zentralen Stabsstelle. "Wir setzen uns für eine zentrale Stabstelle für Lehre auf Bundesebene ein. Nur wenn Zuständigkeiten klar gebündelt sind, können alle Akteure wirkungsvoll zusammenarbeiten", betont der z.l.ö.-Präsident.

Auch IV-Präsident Knill plädiert für ein übergeordnetes Konzept: "Die vielen guten Ansätze zur Fachkräftesicherung in der Lehrausbildung, aber auch im schulischen Bereich, z.B. bei den HTL, in der Weiterbildung oder in der Fachkräftezuwanderung müssen aufeinander abgestimmt und mit einem klaren gemeinsamen Zielbild versehen werden."

LEADERSNET war bei der Veranstaltung. Einen Eindruck können Sie sich hier machen. 

www.zukunft-lehre.at

www.iv.at

Bildungspolitische Schwerpunkte der Reforminitiative

1. Früh ansetzende Berufsorientierung und Einführung einer Bildungspflicht

Rund ein Fünftel der Pflichtschulabsolvent:innen verlässt die Schule mit sehr eingeschränkten Grundkompetenzen in Lesen, Schreiben oder Rechnen. Die Initiative spricht sich daher für eine "Bildungspflicht" bis zum 14. Lebensjahr aus, die qualitativ stärkt, motiviert und positiv besetzt ist. In diesem Rahmen sollen Jugendliche bereits ab der Unterstufe kontinuierlich an berufliche Entscheidungen herangeführt werden. Eine verpflichtende Berufsorientierung sowie individuelles Coaching direkt im Unterrichtsalltag sollen ihnen Orientierung und praktische Unterstützung bieten.

2. Berufsschulen modernisieren und personell absichern

Ein weiterer Schwerpunkt betrifft die Modernisierung der Berufsschulen. Gefordert wird ein österreichweit abgestimmter Investitionsplan, der zeitgemäße Lernumgebungen, digitale Infrastruktur und eine starke Zusammenarbeit mit Betrieben sicherstellen soll. Sorgen bereitet zudem die Altersstruktur der Lehrenden: 54 Prozent des pädagogischen Personals sind bereits 50 Jahre oder älter. Um dem Nachwuchsmangel entgegenzuwirken, sollen die Zugangsbarrieren für qualifizierte Quereinsteiger:innen aus Industrie und Wirtschaft gesenkt werden. Personen, die neben ihrer Haupttätigkeit einen Tag pro Woche an berufsbildenden Schulen unterrichten möchten, sollen künftig leichter in das System einsteigen können.

3. Politische Zuständigkeit bündeln

Als dritten Reformpunkt fordern z.l.ö. und die IV eine klare organisatorische Verantwortung für die Lehrausbildung. Vorgeschlagen wird die Einrichtung einer eigenen Stabsstelle im zuständigen Ministerium, idealerweise eingebettet in eine übergeordnete Fachkräftestrategie. Derzeit liegt die Zuständigkeit für die Lehre bei vier verschiedenen Ressorts, wodurch Maßnahmen zur Sicherung des Fachkräftepotenzials ohne einheitliche steuernde Gesamtstrategie laufen. Eine zentrale Stelle soll hier Effizienz, Klarheit und langfristige Planung ermöglichen.

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Bildungspolitische Schwerpunkte der Reforminitiative

1. Früh ansetzende Berufsorientierung und Einführung einer Bildungspflicht

Rund ein Fünftel der Pflichtschulabsolvent:innen verlässt die Schule mit sehr eingeschränkten Grundkompetenzen in Lesen, Schreiben oder Rechnen. Die Initiative spricht sich daher für eine "Bildungspflicht" bis zum 14. Lebensjahr aus, die qualitativ stärkt, motiviert und positiv besetzt ist. In diesem Rahmen sollen Jugendliche bereits ab der Unterstufe kontinuierlich an berufliche Entscheidungen herangeführt werden. Eine verpflichtende Berufsorientierung sowie individuelles Coaching direkt im Unterrichtsalltag sollen ihnen Orientierung und praktische Unterstützung bieten.

2. Berufsschulen modernisieren und personell absichern

Ein weiterer Schwerpunkt betrifft die Modernisierung der Berufsschulen. Gefordert wird ein österreichweit abgestimmter Investitionsplan, der zeitgemäße Lernumgebungen, digitale Infrastruktur und eine starke Zusammenarbeit mit Betrieben sicherstellen soll. Sorgen bereitet zudem die Altersstruktur der Lehrenden: 54 Prozent des pädagogischen Personals sind bereits 50 Jahre oder älter. Um dem Nachwuchsmangel entgegenzuwirken, sollen die Zugangsbarrieren für qualifizierte Quereinsteiger:innen aus Industrie und Wirtschaft gesenkt werden. Personen, die neben ihrer Haupttätigkeit einen Tag pro Woche an berufsbildenden Schulen unterrichten möchten, sollen künftig leichter in das System einsteigen können.

3. Politische Zuständigkeit bündeln

Als dritten Reformpunkt fordern z.l.ö. und die IV eine klare organisatorische Verantwortung für die Lehrausbildung. Vorgeschlagen wird die Einrichtung einer eigenen Stabsstelle im zuständigen Ministerium, idealerweise eingebettet in eine übergeordnete Fachkräftestrategie. Derzeit liegt die Zuständigkeit für die Lehre bei vier verschiedenen Ressorts, wodurch Maßnahmen zur Sicherung des Fachkräftepotenzials ohne einheitliche steuernde Gesamtstrategie laufen. Eine zentrale Stelle soll hier Effizienz, Klarheit und langfristige Planung ermöglichen.

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