Wandel in der Produktion
Österreichs Industrie zwischen Krise und Neuausrichtung

| Redaktion 
| 16.10.2025

Während fast die Hälfte der Betriebe eine Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit konstatiert haben, setzen viele gleichzeitig auf Digitalisierung, Automatisierung und Kreislaufwirtschaft als Weg in die Zukunft.

Vor Kurzem wurde die siebente Ausgabe der TU-Studie "Made in Austria: Zukunft Produktionsarbeit Österreich" 2025 präsentiert. An der Befragung nahmen erneut über 100 Führungspersönlichkeiten aus 94 Produktionsunternehmen in Österreich teil. Diese zeigt, dass die österreichische Produktionswirtschaft weiterhin unter erheblichen Druck steht, die Stimmung angespannt ist und die Wettbewerbsfähigkeit sinkt. Zeitgleich treiben jedoch viele Unternehmen Innovation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit aktiv voran.

"Trotz schwieriger Rahmenbedingungen arbeiten viele Unternehmen aktiv an zukunftsfähigen Lösungen", sagte Studienleiter Sebastian Schlund, Leiter des Forschungsbereichs Industrial Engineering am Institut für Managementwissenschaften (IMW) der TU Wien und Geschäftsführer von Fraunhofer Austria.

Schwache Stimmung trotz Innovationsdrang

Die Studie offenbart, dass nur 50,5 Prozent der Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage als positiv bewerten. Das ist laut den Expert:innen der schlechteste Wert seit Beginn der Befragung im Jahr 2019. Noch problematischer ist, dass 85,4 Prozent der Befragten eine Verschlechterung der Standortbedingungen in den letzten fünf Jahren sehen, insbesondere im internationalen Kontext.

"Die Studie zeigt klar, dass die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie unter Druck steht", so Sabine Hesse, Geschäftsführerin des Fachverbands Metalltechnische Industrie. Viele Unternehmen stünden vor hohen Kosten, zusätzlichen Auflagen und globalen Unsicherheiten, so Hesse weiter.

Beschäftigungsperspektive unter Druck

Angesichts dieser Rahmenbedingungen rechnen 55,3 Prozent der Unternehmen mit einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen an heimischen Standorten in den nächsten fünf Jahren. Nur 44,7 Prozent erwarten ein Wachstum. Besonders betroffen seien Produktions- und produktionsnahe Bereiche.

Hannes Hunschofsky, Managing Director der EIT Manufacturing East, bezeichnet diese Entwicklung als "ernstes Signal" und betont: "Der erwartete Rückgang der Beschäftigung an österreichischen Standorten ist ein ernstes Signal. Wir müssen Qualifizierung, Technologieeinsatz und Standortpolitik zusammendenken, um die industrielle Basis zu sichern."

Damit verweist er auf die Notwendigkeit, Bildung, Forschung und Industriepolitik stärker zu vernetzen, um Arbeitsplätze in Hochtechnologiebranchen langfristig zu erhalten.

Automatisierung, KI und Mensch im Zusammenspiel

Österreich zählt mit 482 Industrierobotern pro 10.000 Beschäftigten zu den Ländern mit überdurchschnittlich hoher Automatisierung. Gleichzeitig erkennen nahezu alle Unternehmen (95,7 %) die Bedeutung menschlicher Arbeit als groß oder sehr groß an. 42,4 Prozent der Unternehmen nutzen bereits maschinelles Lernen, insbesondere in Qualitätsmanagement, Produktionsplanung und Instandhaltung. Der angekündigte EU-AI-Act wird überwiegend als hilfreicher Rahmen für Innovation und Rechtssicherheit angesehen.

"Automatisierung und KI sind kein Selbstzweck – sie sind entscheidend, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Wichtig ist, die Technologien menschenzentriert einzusetzen", sagte Walter Mayrhofer, Head of Research an der FHWien der WKW.

Kreislaufwirtschaft gewinnt an Bedeutung

Immer mehr Firmen setzen auf zirkuläre Geschäftsmodelle: Der durchschnittliche Umsatzanteil aus Kreislaufprozessen lag im Jahr 2025 bei 15 Prozent. Besonders stark zeigen sich jene Unternehmen, die bereits 25–50 Prozent des Umsatzes auf diesen Prozessen basieren.

Innovationskraft und operative Stabilisierung

Trotz der Herausforderungen bewerten 83 Prozent der Betriebe ihre Innovationsfähigkeit positiv. Zudem berichten 67 Prozent von verkürzten Lieferzeiten — ein Hinweis auf stabilere Wertschöpfungsketten. Allerdings ist die Bereitschaft zu flexiblen Arbeitszeiten noch begrenzt: Nur 37,1 Prozent der Unternehmen geben an, eine hohe Bereitschaft zur Schichtarbeit zu haben.

Zwischen Druck und Gestaltungsanspruch

Die Studie zeigt deutlich, dass die österreichische Industrie vor einer komplexen Doppelaufgabe steht. Einerseits wirken Kostensteigerungen, Fachkräftemangel und geopolitische Risiken als Belastungsfaktoren. Andererseits bieten Digitalisierung, Automatisierung und Nachhaltigkeit reale Chancen für einen Wandel.

www.fh-wien.ac.at

www.tuwien.at

www.fraunhofer.at

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