Mit scharfen Worten reagiert der Lebensmittelhandel auf die aktuelle Medieninformation von Staatssekretärin Sandra Königsberger-Ludwig zur sogenannten "Aktion Scharf". Diese soll angeblich "versteckte Preiserhöhungen" und "irreführende Rabatte" aufdecken. Doch die Zwischenbilanz der Behörden sei laut Handelsverband nichts weiter als ein "intransparentes, verzerrtes Bild der Realität". "Dass bei über 9.400 Geschäften mit je bis zu 20.000 Artikeln vereinzelt fehlerhafte Etiketten vorkommen, ist in einem so komplexen System menschlich – aber keine Täuschung", erklärt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. Vielmehr sei es "unerhört", dass ausgerechnet das Arbeitsministerium dem größten Arbeitgeber des Landes pauschal Unredlichkeit unterstelle.
Formfehler statt Täuschung
Laut Verband beruhen fast alle Beanstandungen des Wiener Marktamts auf technischen Umstellungen oder kleineren Formfehlern – etwa bei Rabattkennzeichnungen. Zur Orientierung für Händler hat der Handelsverband gemeinsam mit der Kanzlei TaylorWessing sogar einen 16-seitigen Leitfaden zur korrekten Rabattwerbung veröffentlicht, samt Schulung, zu der auch das Marktamt eingeladen war. Doch das sei, so Will, lieber mit Kontrollen beschäftigt gewesen, "statt aufzuklären".
"Die Rechtslage ist so kompliziert geworden, dass man fast ein Jus-Studium braucht, um alles korrekt umzusetzen", sagt Will. Der Handel investiere jährlich Millionen in Preis-IT, Schulungen und Warenwirtschaftssysteme – und werde dennoch medial an den Pranger gestellt.
Verlorenes Vertrauen, verlorene Arbeitsplätze?
Besonders brisant ist die Debatte vor dem Hintergrund der Insolvenz der Unimarkt-Gruppe. Der Verband sieht darin ein Alarmsignal: "Wenn selbst Traditionsbetriebe unter Bürokratie, steigenden Energie- und Personalkosten und aggressivem Preiswettbewerb kapitulieren müssen, wird es eng für die Nahversorgung." Die politische Konzentration auf vermeintlich unfaire Preise lenke von den wahren Ursachen der Inflation ab, etwa von der Energiepreisexplosion oder überbordender Regulierung. Gleichzeitig würden internationale Online-Plattformen wie Temu und Shein auf dem heimischen Markt agieren, "ohne sich an grundlegende Regeln zu halten", so Will. Hier bleibe das Arbeitsministerium auffällig still.
Billigstpreise aus dem Ausland bedrohen Wertschöpfung
Ein weiteres Risiko: die Auswirkungen auf die regionale Landwirtschaft. "Wenn Politik weiter nur auf billig fokussiert, wird der Handel gezwungen sein, bei Produzenten in Osteuropa oder den Niederlanden einzukaufen", warnt Will. Das würde nicht nur österreichische Wertschöpfung, sondern auch viele Arbeitsplätze gefährden – "vom Feld bis ins Regal". Gerade die aktuelle Debatte könne dazu führen, dass jene bestraft werden, "die überhaupt noch Rabatte geben". Es sei "ein Schlag ins Gesicht für alle, die tagtäglich mit hohem Aufwand faire Preise ermöglichen wollen".
Besonders empörend ist für den Handelsverband folgender Umstand: Die Statistiken des Marktamts zur Zahl der Beanstandungen werden laut Handelsverband nicht offengelegt. Man wisse also nicht, wie viele Fälle tatsächlich die großen Handelsketten betreffen – und wie viele etwa kleine Ethno-Märkte. Eine Anfrage dazu sei ausweichend beantwortet worden. "Wer Transparenz fordert, sollte auch selbst transparent agieren", heißt es vom Verband. Der veröffentlichte Bericht für September sei zunächst nur an Medien gegangen, nicht aber an die betroffenen Betriebe.
Handel fordert Dialog auf Augenhöhe
"Wir stehen für volle Transparenz, für faire Lösungen im Sinne der Konsument:innen", betont Will. Aber man lasse sich nicht länger zum "Sündenbock der Republik" machen. Die Branche sei bereit, mit dem Ministerium über praktikable Verbesserungen zu sprechen. Doch dafür brauche es gegenseitigen Respekt – und keine medialen Alleingänge. Sein abschließender Appell an Staatssekretärin Königsberger-Ludwig: "Beenden Sie lieber das milliardenschwere Fernost-Förderprogramm für Ramsch-Plattformen wie Temu und hören Sie auf, im heimischen Handel das Haar in der Suppe zu suchen. Denn das gefährdet langfristig die Nahversorgung, regionale Produktion und hunderttausende Arbeitsplätze."
www.handelsverband.at
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