KI-Kolumne von Jürgen Bogner
KI & Arbeitsmarkt – Der Reality-Check für Österreichs Führungsetage

Im Rahmen unserer KI-Serie, bei der KI-Profi Jürgen Bogner (CEO & Gründer von biteme.digital) regelmäßig einen Beitrag rund um das Thema Künstliche Intelligenz verfasst, erwartet LEADERSNET-Leser:innen dieses Mal der erste Teil einer dreiteiligen Serie rund um ein groß angelegtes Forschungsgespräch des AMS, das zentrale Fragen zum zukünftigen Arbeitsmarkt, zur Rolle von KI und zu den kommenden technologischen Umbrüchen beleuchtet. 

Bevor wir in die Kolumnen eintauchen, musst du wissen, was diesem Projekt vorausgeht – und warum ich diese Serie überhaupt schreibe.

Was dieses Forschungsgespräch wirklich war (und warum es alles verändert hat)

Das AMS hat mich eingeladen, ein groß angelegtes Forschungsgespräch zu leiten – fast zweieinhalb Stunden, über 650 Teilnehmer:innen: CEOs, HR-Leiter, Betriebsräte, Forscher:innen, Ministeriumsvertreter, Organisationsexpert:innen, Bildungsträger, Analyst:innen.

Ich habe dafür lange recherchiert:

  • Internationale Benchmarks
  • Neue Arbeitsmarktmodelle
  • KI-Modellvergleiche
  • Robotik-Trends
  • OECD-Studien
  • Automatisierungsraten
  • Skill-Gap-Projektionen
  • Beispiele aus den USA, Japan, Skandinavien, Nigeria, Singapore

Ich habe Prozesse analysiert, Daten bewertet, Zukunftsszenarien simuliert. Das war keine Präsentation. Es war ein Reality-Check für den österreichischen Arbeitsmarkt.

Ich habe die Teilnehmer:innen einmal komplett durch die nächste Dekade geführt:

  • Was KI heute wirklich kann (nicht die Marketingfolien – die Praxis)
  • Was Agenten in 18–36 Monaten leisten werden
  • Wie Robotik + KI die Industrie verändern wird
  • Welche Rollen verschwinden – und welche entstehen
  • Welche Kompetenzen Österreich JETZT aufbauen muss
  • Welchen ökonomischen Druck die Technologie erzeugt
  • Wie Politik, Unternehmen und Menschen reagieren müssen

Viele waren schockiert. Viele erleichtert. Und meine feste Meinung: "Das muss raus in die Führungsetagen." Genau deshalb verpacke ich die Essenz dieses Forschungsgesprächs in drei Kolumnen – damit Österreichs Entscheider nicht reagieren müssen, sondern vorbereiten können.

KOLUMNE 1 – Heute ist der dümmste Tag der KI: Warum du nur 18 Monate Zeit hast

Ich sage es dir offen: Was ich im AMS-Forschungsgespräch präsentiert habe – nach Wochen der Recherche, Gespräche mit Unternehmen, Modellanalysen und internationalen Benchmarks – war kein Vortrag. Es war eine Warnung. Nicht dramatisch, sondern realistisch. Nicht technikverliebt, sondern wirtschaftlich brutal.

Vor über 650 Teilnehmer:innen aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Forschung habe ich den Satz gesagt, der jede Strategie, die heute in österreichischen Unternehmen beschlossen wird, fundamental verändert: "Heute ist der dümmste Tag der KI, den du jemals erleben wirst."

Wenn dich dieser Satz irritiert, dann funktioniert er. Denn er beschreibt das Einzige, was wir in Österreich chronisch unterschätzen: Tempo. Ab morgen wird KI klüger sein als heute. Und übermorgen noch einmal. Das ist keine Meinung. Das ist die Physik der exponentiellen Kurve.

  • Routinewissen? Massenware.
  • Junior-Rollen? Gefährdet.
  • Durchschnitts-Workflow? Geschichte.

Ich sehe es selber regelmäßig in Unternehmen quer durchs Land: Wir diskutieren darüber, ob ein Prompt "eh okay" war – während die Modelle längst komplexe Analysen lösen, Code refactoren, wissenschaftliche Paper zusammenfassen und Entscheidungen vorbereiten, die früher Senior- Teams beschäftigt hätten.

Wir tun so, als würde KI unsere Arbeit unterstützen. In Wahrheit ersetzt sie gerade das Fundament vieler Rollen.

Der 8-Stunden-Agent: Der neue Gamechanger deiner Organisation

Die eigentliche strategische Frage lautet nicht: "Kann KI gute Texte schreiben?" Sondern: Wie lange kann ein KI-Agent stabil, autonom und fehlerarm arbeiten? Heute: etwa zwei Stunden. Daten clustern. Berichte schreiben. Dashboards bauen. Schnittstellen orchestrieren. Ab 2026/2027: acht Stunden am Stück. Ein digitaler Kollege, der einen ganzen Arbeitstag lang konzentriert bleibt, keine Pause braucht, nie abgelenkt ist und jederzeit reproduzierbare Qualität liefert.

Wenn das Wirklichkeit wird – und es wird – dann hast du keine Wahl mehr. Dann hast du nur noch einen strategischen Zwang.

Warum KI nicht an der Technologie scheitert – sondern an deiner Organisation

Stell dir vor, du würdest versuchen, ein modernes Elektroauto in die Garage eines Altbaus zu schieben, die für Pferdekutschen gebaut wurde. Genau das machen viele Unternehmen gerade mit KI. Sie behandeln KI wie ein neues Tool. Ein ERP-Update. Ein bisschen Software hier, ein paar Lizenzen dort. Doch KI ist kein Add-on. KI ist das neue Betriebssystem deiner Organisation. Und ein Betriebssystem tauscht nicht einzelne Apps aus – es verändert die gesamte Logik des Hauses: Rollen, Strukturen, Erwartungen, Verantwortlichkeiten, Macht, Kultur. 

Wenn du KI einführst, veränderst du nicht, wie gearbeitet wird. Du veränderst, wer arbeitet, warum etwas getan wird und wie Wert entsteht. Das ist kein Tech-Projekt. Das ist ein Eingriff ins Nervensystem des Unternehmens.

Ich sehe das ständig: Unternehmen scheitern nicht an Modellen, sondern an Silos. An linearem Denken. An Führungskräften, die glauben, man könne exponentielle Technologie mit klassischen Instrumenten kontrollieren. "Wer KI in der IT parkt, verliert. Wer KI verordnet, erzeugt Widerstand."

Die 18-Monate-Agenda: Dein einziger Vorteil ist, dass du JETZT handeln kannst

1. Wissen demokratisieren

  • Nicht zehn Leute schulen. Alle. Jeder, der Informationen verarbeitet, braucht:
    • Prompting Skills
    • Kontextkompetenz
    • Qualitätskontrolle ("Human in the Loop")

2. Die menschlichen Superkräfte trainieren

  • Ich spreche von Fähigkeiten, die Maschinen nicht replizieren: Kreativität. Systemisches Denken. Empathie. Kommunikation. Ethik.
  • Das ist kein "Soft Skill" – das ist die neue Leitwährung.

3. Strategische Seilschaften bauen

  • IT + HR + Geschäftsführung + Betriebsrat. Ohne diese Achse kippst du bei der ersten Widerstandsgruppe.

4. Den Kipppunkt intern markieren

  • Sag deinen Leuten klar: "In 18 Monaten ist das ökonomisch alternativlos. Wir gestalten JETZT."

Die Moral

Wenn wir in Österreich jetzt nicht handeln, ist das kein Versagen. Sondern die simple Folge der Physik: Exponentiell schlägt Beharrung. Nächste Woche zeige ich dir, warum die zweite Welle – die physische – für Österreich die eigentlich gefährliche ist.

www.ahoi.biteme.digital


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