Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, ob synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) im Pkw-Bereich sinnvoll sind, oder sie besser nur in anderen Bereichen (Flugzeuge, Schiffe, Lkws etc.) zum Einsatz kommen sollen. Während Kritiker:innen die (noch) geringe Verfügbarkeit, den hohen Energiebedarf bei der Herstellung und den geringen Wirkungsgrad ins Feld führen, sehen Unterstützer:innen eine unkomplizierte Möglichkeit, den Autobestand CO₂-neutral zu machen und neuen Verbrennern auch nach 2035 weiterhin eine Chance zu geben.
"Kraftstoffe für Klimaschutz"-Konferenz
Vor diesem Hintergrund fand in Wien die eKKon-Konferenz 2025 statt. Bei dem großen Branchentreff trafen sich Vertreter:innen aus Politik, Wissenschaft und Industrie, um über eine Neubewertung der EU-Flottenpolitik zu diskutieren. Los ging es mit Eröffnungsstatements von Jürgen Roth, Vorstandsvorsitzender eFuel Alliance Österreich, Jochen Danninger, Generalsekretär WKÖ, Umweltminister Norbert Totschnig und Staatssekretärin Elisabeth Zehetner. In seiner anschließenden Keynote hob Corentin Prié (Porsche Consulting, München) die internationale Bedeutung des E-Fuel-Hochlaufs hervor und betonte, dass Europa rasch handeln müsse, um im globalen Wettbewerb nicht zurückzufallen. In einem Panel, moderiert von Tobias Block, diskutierten Expert:innen aus Industrie und Forschung – darunter Jan Röder (Parafuel Paraguay) und Jürgen Rechberger (AVL) – über die Rolle Südamerikas als potenziell zentraler Partner für künftige E-Fuel-Lieferketten. Den Abschluss bildete eine geopolitische Diskussion mit Vertreter:innen der Wirtschaftskammern aus Los Angeles und Santiago sowie internationalen Branchenexpert:innen, die unterstrichen, dass Europas Wettbewerbsfähigkeit nur durch technologische Souveränität und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen gesichert werden könne.
"Längst überfälliges Signal"
Die österreichische und die deutsche Seite signalisierten dabei Unterstützung. Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer und seine deutsche Amtskollegin Katherina Reiche bekannten sich zur Technologieoffenheit und zur Anerkennung alternativer Kraftstoffe.
"Es ist ein wichtiges und längst überfälliges Signal, dass sich Österreich und Deutschland klar zur Technologieoffenheit bekennen", sagte Jürgen Roth. Das pauschale Verbot des Verbrennungsmotors ab 2035 verkenne das Potenzial von synthetischen Kraftstoffen. "E-Fuels sind ein entscheidender Baustein, um Klimaziele zu erreichen – nicht durch Verbote, sondern durch Innovation."
Auch Stephan Schwarzer, Geschäftsführer der eFuel Alliance Österreich, sah in der Initiative der beiden Minister:innen ein Signal für Brüssel. Auf EU-Ebene brauche es Bewegung. "Die Lebenszyklusbetrachtung von Fahrzeugen und die Anerkennung CO₂-neutraler Kraftstoffe sind unverzichtbar, wenn wir die Wende ökologisch und ökonomisch schaffen wollen", so der Geschäftsführer.
Elisabeth Zehetner, Staatssekretärin für Wirtschaft, Energie und Tourismus, schlägt in dieselbe Kerbe: "Es braucht das Bewusstsein, dass die Elektrifizierung unseres Verkehrs allein zu wenig ist. Für die Dekarbonisierung brauchen wir mehr Möglichkeiten. E-Fuels sind dafür ein gutes Beispiel. Wenn wir uns den Fahrzeugbestand weltweit und die Möglichkeiten im Flugverkehr ansehen, dann werden synthetische Kraftstoffe eine große Zukunft haben und ein Baustein für Klimaschutz sein."
Energieversorgung als Systemfrage
Diskutiert wurde in Wien nicht nur über den Verkehrssektor, sondern auch über die Rolle synthetischer Kraftstoffe in der Energieversorgung. Gerhard Christiner, CEO der Austria Power Grid, verwies auf die Notwendigkeit eines gesamtheitlichen Ansatzes: "Wind und Sonne schicken keine Rechnung – aber das System dahinter tut es." Netzkapazitäten, Speicherlösungen und Infrastrukturplanung seien zentrale Stellschrauben.
Markus Mitteregger, CEO von RAG Austria, unterstrich die Bedeutung von E-Fuels als Speichertechnologie. Ziel müsse es sein, Stromüberschüsse saisonal verfügbar zu machen. Zudem forderte er, Wasserstoff stärker in den österreichischen Netzinfrastrukturplan einzubeziehen.
Kritik an einseitiger Elektromobilität
Mehrere Expert:innen sprachen sich gegen eine ausschließliche Fokussierung auf Elektromobilität aus. Uwe Dieter Grebe von der TU Wien betonte, E-Mobilität sei zwar zentral, aber bis 2035 nicht allein ausreichend. Auch grüne Moleküle und alternative Technologien würden gebraucht.
Industrievertreter wie Hans-Jürgen Hitz (Bosch) warnten zudem, ein Ausstieg aus der Verbrennertechnologie gefährde Wertschöpfungsketten. Nutzfahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge seien auch langfristig auf synthetische Kraftstoffe angewiesen.
Forderung nach Gleichstellung
Mehrfach wurde in Wien gefordert, E-Fuels rechtlich mit emissionsfreien Technologien gleichzustellen. Roth sprach von der Notwendigkeit einer "konsequenten Lebenszyklusbetrachtung, die auch die Erzeugung und Herkunft der Energie einbezieht". Schwarzer hielt fest, Klimaneutralität sei nicht durch Ideologie, sondern durch Technologievielfalt erreichbar.
Abschließend lässt sich nach den Diskussionen auf der eKKon festhalten: Ein reines Aus für den Verbrenner ab 2035 greife nach Ansicht vieler Fachleute zu kurz. Stattdessen brauche es eine Kombination aus Technologieoffenheit, regulatorischen Anpassungen und einem breiten Energiemix.
Video-Interviews
LEADERSENT.tv hat im Rahmen der ekkon 2025 neben Jürgen Roth und Elisabeth Zehetner noch Norbert Totschnig, Bundesminister für Klima- und Umweltschutz, Land- und Forstwirtschaft, Corentin Prié, Strategy Manager Porsche Consulting GmbH, und Joachim Schnabel, Abgeordneter zum Nationalrat, vor die Kamera geholt.
Fotos von der Konferenz sehen Sie in der Galerie.
www.efuel-alliance.at
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