Niki Fellner im Interview
"Fragen muss ich zum Glück nicht mehr gehen"

Im LEADERSNET-Interview spricht Niki Fellner, CEO der Mediengruppe Österreich, über die Transformation des Unternehmens zum 360-Grad-Medienhaus, das Aus der Sonntagszeitung und wie die Medienpolitik die Zukunft der Branche beeinflussen sollte. Zudem verrät er, wieso Boulevard für ihn kein Makel ist, wie man mit Print nach wie vor Werbeerlöse erzielen kann und ob er mittlerweile alleinige Entscheidungshoheit hat.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Fellner, die Mediengruppe Österreich ist heute ein 360-Grad-Medienhaus. Das war nicht immer so. Wo entwickelt sich Ihr Geschäftsmodell hin?

Niki Fellner: Unser Anspruch ist ein 360-Grad-Medienhaus. Wir kommen ursprünglich aus der Printwelt mit der Tageszeitung als Flaggschiff. Ich bin sehr dankbar, dass Online von Anfang an mitgedacht wurde. Inzwischen ist die digitale Marke "oe24" Kern unseres Hauses, von Website über Newsletter bis Bewegtbild. Unser Fernsehangebot oe24.TV startete vor zehn Jahren digital, der lineare Sender hat sich mittlerweile erfolgreich mit zwei Prozent Marktanteil etabliert. Auch unser Radio wurde auf oe24 Radio umgestellt, wobei der Fokus klar auf der Kernmarke oe24 liegt. Print bleibt weiterhin ein wichtiger Bestandteil, wird jedoch im Rahmen des 360-Grad-Ansatzes zunehmend ergänzt. Die Kombination aus traditionellen und digitalen Medien erlaubt es uns, die Zielgruppen flexibel und crossmedial zu erreichen.

LEADERSNET: Mit Wolfgang Fellner als Vater und Uschi Pöttler-Fellner als Mutter, haben Sie Print und Journalismus in Ihrer DNA. Dürfen Sie als CEO alles selbst entscheiden – oder müssen Sie hin und wieder noch um Erlaubnis fragen?

Fellner: Fragen muss ich zum Glück nicht mehr gehen. Das hat sich in den vergangenen zwei Jahren sehr positiv entwickelt. Da hat sich gezeigt, dass man der Next Generation mehr Verantwortung geben kann, wenn das Team funktioniert – und das tut es. Wir haben es gemeinsam sehr gut geschafft, das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen.

Natürlich tausche ich mich regelmäßig mit meinem Vater, meinem Onkel und gelegentlich auch mit meiner Mutter aus, die zwar nicht im Unternehmen tätig, aber selbst langjährige Medienunternehmerin ist. Die letzte Entscheidung treffe jedoch ich. Es ist ein gutes Zusammenspiel aus Erfahrung der Vorgängergeneration und der Dynamik der Next Generation.

LEADERSNET: Das Mediengeschäft ist schließlich auch ein Geschäftsmodell. Wo werden in Zukunft Umsätze generiert?

Fellner: Die Printanzeige ist noch nicht tot. Es gibt nach wie vor Kund:innen dafür. Allerdings ist der klassische Verkauf einzelner Seiten oder Doppelseiten heute nicht mehr ausreichend. Werbung muss multimedial gedacht werden: Content Marketing, Events, Newsletter, digitale Sonderwerbeformen. "Content ist King" – das gilt für digitale Kanäle, TV und Print. Wer kreativ ist, kann weiterhin erfolgreich Werbeerlöse generieren. Die Digitalisierung eröffnet hier neue Chancen: Wir können Werbeinhalte zielgerichtet, interaktiv und messbar platzieren, was klassische Printmethoden nicht leisten.

LEADERSNET: Können Sie Zahlen nennen, wie viel Umsatz Sie bereits digital erzielen?

Fellner: Heuer wird voraussichtlich erstmals der Digitalbereich – Online, TV und Radio – gleich viel Umsatz wie der Printbereich erwirtschaften. Über 70 Prozent unseres Ergebnisses stammen inzwischen aus digitalen Aktivitäten. Online ist der größte Ergebnisbringer. Die Verlagerung von Ressourcen ins Digitale hat uns erlaubt, Traffic, Reichweite und Interaktionen deutlich zu steigern.

LEADERSNET: oe24.TV wurde zunächst belächelt, hat sich aber mittlerweile einen beachtlichen Marktanteil erarbeitet. Wie bewerten Sie das?

Fellner: Wir waren die Außenseiter, denen kaum jemand Erfolg zutraute. Mittlerweile liegt der Marktanteil bei zwei Prozent, was knapp 1,5 Millionen Zuseher:innen pro Monat entspricht. Dazu kommen digitale Reichweiten: 370.000 YouTube-Follower:innen, rund sieben Millionen Videoabrufe pro Monat auf YouTube, knapp 30 Millionen Videoabrufe pro Monat auf unserer Website. Unser Sender hat sich eine starke Marke aufgebaut, die auch die Reichweite anderer Marken der Mediengruppe erhöht.

LEADERSNET: Wie ist die Community des Senders?

Fellner: Mittlerweile haben wir eine treue Fanbasis. Menschen kommen auf uns zu und äußern ihre Begeisterung für Formate wie "Westenthaler gegen Cap" und "Fussi gegen Grosz". Es gibt viele wiederkehrende Zuschauer:innen, die jede Folge verfolgen. Die Community ist eine echte Stärke: Sie schafft Engagement, Feedback und Reichweite, die auch die anderen Medienkanäle stärkt.

LEADERSNET: Wie haben Sie die finanziellen Herausforderungen in Print und Digital gemeistert?

Fellner: Viele Medienunternehmen machen ihre Hausaufgaben erst jetzt – das haben wir bereits vor zwei bis drei Jahren erledigt. So haben wir uns bei der Printausgabe auf das Wesentliche konzentriert und die Sonntagsausgabe eingestellt. Es machte wirtschaftlich keinen Sinn, jedes Wochenende 50.000 Entnahmetaschen zu verteilen – unter der Woche erreichen wir unsere Leser:innen ohnehin. Diese Entscheidung war rückblickend goldrichtig: Sie hat Kosten eingespart und die Erlöse konnten fast vollständig auf die verbleibenden Tage übertragen werden.

Darüber hinaus haben wir unseren Druckstandort geschlossen und Ressourcen ins Digitalgeschäft gelenkt. Vertrieb und Redaktion wurden zusammengelegt – mit klarer Online-First-Strategie. Jede Story wird zuerst online veröffentlicht, bevor sie in Print kuratiert wird. Dadurch konnten wir den Content im Onlinebereich fast verdoppeln und den Traffic um über 30 Prozent steigern. Wir haben auch den Sales-Bereich integriert, sodass Print, Online und TV gemeinsam vermarktet werden.

LEADERSNET: Boulevardjournalismus hat in Österreich Tradition. Wie sehen Sie die Balance zwischen Boulevard, investigativem Journalismus und kommerziellen Modellen?

Fellner: Boulevard ist für mich Reichweite und kein negativ besetzter Begriff. Wir decken das gesamte Spektrum ab – von investigativer Politikberichterstattung bis Lifestyle, Society, Mode, Beauty, Gesundheit und Interior. Gerade digital sind leichtere Inhalte entscheidend, weil sie über Suchmaschinen und Social Media besonders viel Traffic erzeugen. Die Mischung aus ernsthaftem und leichterem Content ermöglicht uns, alle Zielgruppen zu erreichen und Werbemöglichkeiten optimal zu nutzen.

LEADERSNET: Gibt es einen Appell an die Politik für den Medienstandort Österreich?

Fellner: Ja, die digitale Transformation muss stärker gefördert werden. Heuer fließen nur rund 20 Millionen Euro der Digitalsteuer von Google und Facebook in die Transformationsförderung, obwohl 120 Millionen Euro eingenommen werden. Auch private TV- und Radiomedien benötigen mehr staatliche Unterstützung, um auf Augenhöhe mit der ORF-Haushaltsabgabe von 700 Millionen Euro zu sein. Gleiche Bedingungen sind entscheidend, um Arbeitsplätze zu sichern und die Medienlandschaft zu stärken.

LEADERSNET: Abschließend: Dürfen wir uns auf die Zukunft freuen oder müssen wir diese mit großem Respekt erwarten?

Fellner: Ich blicke optimistisch auf die Zukunft. Die kommenden Monate werden herausfordernd sein, aber die Chancen für Medien in Österreich sind positiv. Wer Transformationen erfolgreich umsetzt und sich digital zukunftsfit aufstellt, kann profitieren. Österreich hat viele engagierte Unternehmer:innen, die in schwierigen Zeiten gestalten und Innovation vorantreiben.

www.oe24.at

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