Das Leben von Kindern und Jugendlichen sollte eigentlich unbeschwert sein. Sie sollten lernen, spielen, Freund:innen finden und erste Erfahrungen im Leben sammeln. Doch so leicht, wie es einst war, ist das Ganze nicht mehr. Denn neben Social Media und dem davon ausgehenden gesellschaftlichen Druck sind es Teuerungen, Inflation und vor allem aber die Klimakrise sowie Kriege, die nicht nur Erwachsene belasten, sondern schon längst auch die Jüngsten unter uns treffen. Man erinnere sich nur an die Zeit der Corona-Pandemie. Sie hat hervorgeholt, was bereits im Verborgenen schlummerte. Denn es dauerte nicht lange, da zeigten kurzerhand die ersten Untersuchungen, dass die psychische Gesundheit von Jugendlichen stark belastet ist.
Laut den Ergebnissen der WHO-HBSC-Studie (Health Behaviour in School-aged Children) aus den Jahren 2021/22 fungierte die Corona-Pandemie wie eine Art Brandbeschleuniger, was dazu führte, dass sich die psychische Gesundheit der jungen Menschen weiter verschlechtert hat. Hinzukommen gesellschaftliche Schwierigkeiten wie Mobbing und die problematische Nutzung der sozialen Medien. Wenig verwunderlich also, dass seit 2010 die Beschwerdelast bei den Schüler:innen kontinuierlich gestiegen ist und sie sich auch heute noch mit zahlreichen Hürden konfrontiert sehen.
Bedeutung von Vorsorge
Über ebendiese Herausforderungen im jugendlichen Alter sprachen kürzlich der Verein ganznormal.at, der sich für die Gleichstellung psychischer und physischer Krankheiten einsetzt, und die Wiener Städtische Versicherung im Ringturm. Vorstandsdirektorin Doris Wendler begrüßte die Teilnehmer:innen und verwies dabei auf die Bedeutung der Vorsorge. Gleichzeitig betonte sie, dass die Wiener Städtische gerne die wichtige Aufgabe von ganznormal unterstütze.
Der stellvertretende Vorsitzende von ganznormal.at und Generaldirektor der SVS Alexander Biach führte im Anschluss aus, dass "die Aufgabe des Vereins, die Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten, auch in den nächsten Jahren einen hohen Stellenwert haben wird und wir auch in Zukunft nachhaltig und gemeinsam daran arbeiten werden". Er bedankte sich bei den Sponsoren, die den Verein seit vielen Jahren begleiten und diese Präsenz erst möglich machten.
Ängste und Zweifel von Jugendlichen im Fokus
Die Podiumsdiskussion fand unter dem Titel "Selbstzweifel und Ängste von Jugendlichen" statt. Gleich zu Beginn arbeitete Georg Psota, stellvertretender Vorsitzender ganznormal.at und Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, in seiner Keynote die Situation und Herausforderungen von Jugendlichen in der Schule heraus. Dabei ging es um Leiden wie Verunsicherungen, Ängste, Depressionen oder Süchte. Im Fokus stand dementsprechend auch die dauerhafte Benutzung von Smartphones in Verbindung mit Social Media. Sie und andere Belastungen würden bei Jugendlichen zu Überforderungen führen, so der Experte.
Nach seiner Keynote wechselte Psota aufs Podium, wo er neben Katrin Skala, seiner Nachfolgerin im PSD und nunmehrige Leiterin des Psychosozialen Dienstes als Chefärztin, Barbara Juen (Psychologin, Kriseninterventionsexpertin und Hochschullehrerin in Innsbruck) und Elisabeth Fuchs (Wiener Bildungsdirektorin), Platz nahm. Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Laila Docekal, Leiterin Gesundheit, Wissenschaft und Familie des Kurier.
Gesprächsbedarf
Bildungsdirektorin Fuchs sah in der derzeitigen komplexen Situation verschiedene Ursachen. Neben sozialen Krisen, ein gefordertes Elternhaus – das ebenso überlastet sein kann – und der gesamten gesellschaftlichen Entwicklung, könnten Schulen "Sicherheit geben, allerdings nicht die Aufgaben der Eltern abdecken". Sie führte an, "dass manche Jugendliche zum ersten Mal ein 'Nein' in der Schule hören, weil sie es von zu Hause nicht kennen. Da kann es zu Herausforderungen für die Lehrkräfte kommen".
Bei Juen ging es wiederum um soziale Ängste. Diese kämen vor allem in gewissen Gruppendynamiken zum Ausdruck, wodurch "ein persönlicher Druck von Perfektsein begleitet von TikTok, Instagram oder Facebook" entstehe. Zudem fehle es an Krisenkompetenz, "weil wir den Kindern alles aus dem Weg räumen wollen, statt sie selbst Lösungen finden zu lassen", meint die Psychologin.
Skala griff dafür das Thema "Dopamin-Junkies" auf. Sie führte die Unzufriedenheit von Jugendlichen sowie ihre daraus folgende laufende Suche nach Neuem ins Treffen und erklärte, dass dieses Verhalten nicht selten nur in den sozialen Netzwerken zur Sucht führen kann. Zudem seien die Lehrkräfte nicht ausgebildet, die psychischen Herausforderungen der Schüler:innen abzufangen – was, so die Expertin, auch nicht notwendig sei, da es den Beruf der Psychotherapeut:innen, Psycholog:innen und Psychiater:innen gebe. Skala hob weiter die fehlende Orientierung der Schüler:innen hervor, bei denen Eltern mitunter wenig klare Regeln anwenden. "Von 2010 bis 2020 ist diese regelmäßige Verwendung stark gestiegen, Corona hat das noch weiter verstärkt, d. h. heute sind die Jugendlichen ca. 35 Stunden in der Schule und 40 Stunden im Netz in der Woche. Diese Kennzahlen sagen viel aus über das Verhalten der Schüler:innen und ihre Auswirkungen."
Docekal fragte zu guter Letzt nach Lösungen. Im Mittelpunkt stand dabei, was derzeit schon getan wird bzw. wo die Reise hingeht, um den Schüler:innen besser begegnen zu können. Die Expert:innen zeigten sich einig, dass es zwar schon vieles gäbe, wie im PSD fünf Ambulatorien, die psychische Therapien anbieten, allerdings wird der Bedarf immer größer. So wurde etwa schon die frühe Einbindung der Elementarpädagog:innen in Kindertagesstätten moniert, um dort bereits begleitend auf die Kinder einzuwirken. Obendrein wurde aufgezeigt, wie man ein besseres Eingehen auf die Eltern steuern könnte. Als bedeutend angesehen wurden dabei Awareness, Bewusstsein schaffen, mit Humor begegnen, Gemeinschaft stärken und die Haltung "Reden wir darüber". Letzteres ist auch seit 14 Jahren das Motto von ganznormal.at.
Unter den Teilnehmer:innen
Nach der Podiumsdiskussion hatten die Teilnehmer:innen die Möglichkeit, sich im Ringturm bei Getränken und einem Imbiss auszutauschen. Diese Gelegenheit nutzten unter anderem Caroline Krammer (AUVA Direktorin), Silvia Hruska-Frank (Direktorin AK-Wien), Rudolf P. Wagner (GF promente Wien), Christian Moritz (Consultatio, Steuerberater), Rudi Semrad (Unternehmensberater), Martin Heimhilcher (Spartenobmann WKW), Robert Moser (Unternehmer), Omar Besim (Teppichhändler), Anna Conbvalexius (Ärztin) und Ernst Weinmann (Arzt), Sylvia Unterdorfer (ORF), Jutta Löffler (GF UIV), Jörg Fessler (GF Unique-Fessler) und die ganznormal.at Vorstandsmitglieder Susanne Schicker, Stefan Schermaier, Peter Wehle, Ralph Vallon sowie die Organisatorin des Abends Raphaela Vallon-Sattler (GF Vallon Relations & Coaching).
LEADERSNET war bei der Veranstaltung. Einen Eindruck können Sie sich hier machen.
www.ganznormal.at
www.wienerstaedtische.at
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