Interview mit Otmar Michaeler
"Hotellerie ist keine Romantik – aber ohne Herz verliert sie ihre Seele"

Im LEADERSNET-Interview spricht Otmar Michaeler, CEO der Falkensteiner Michaeler Tourism Group (FMTG), über die Verbindung von Finanzdisziplin und Gastfreundschaft, die Erfolgsgeschichte des größten europäischen Crowdinvestings in der Hotellerie, die Rolle von Communities statt anonymen Märkten sowie über Innovation als Schlüssel zu Authentizität und Zukunftsfähigkeit. Außerdem verrät er, warum 30 Prozent Frauen unter den Investor:innen für ihn ein doppeltes Kompliment sind.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Michaeler, Sie waren neben Ihrer Rolle als CEO der FMTG einst auch Verwaltungsratspräsident einer Bank – heute gelten Sie als Innovator der europäischen Hotellerie. Was hat Sie vom Schreibtisch voller Bilanzen und Zahlen in die Welt der Gäste, Zimmer und Resorts geführt? Und wie hilft Ihnen Ihr Banken-Know-how heute noch?

Otmar Michaeler: Mich hat die Kombination aus Menschen und Zahlen immer schon fasziniert. Aus meiner Zeit als Banker kenne ich die Welt der Bilanzen. Im Tourismus geht’s aber nicht nur um harte Zahlen, sondern auch um Visionen, Emotionen, Gastfreundschaft und Lebensqualität – und genau da wollte ich mitgestalten. Gleichzeitig profitiere ich bis heute von meinem Banken-Background: Hotellerie ist kapitalintensiv, und ohne solides Finanzwissen lassen sich viele Projekte gar nicht realisieren. Heute kann ich Mut und Kreativität eines Familienunternehmens mit der Disziplin der Finanzwelt verbinden – und das macht den Unterschied.

LEADERSNET: Diese Verbindung aus Finanzwissen und Hotelexpertise zeigt sich besonders eindrucksvoll in Ihrem Crowdinvest-Projekt – dem erfolgreichsten Europas: über 5.000 Investor:innen, rund 100 Millionen Euro Kapital. 30 Prozent davon stammen von Frauen. Was verrät diese Zahl über ein neues Investorenprofil – und wie verändert es die DNA der Hotellerie, wenn viele der Investor:innen zugleich Gäste und Darlehensgeber:innen sind?

Michaeler: Dass rund 30 Prozent unserer Investor:innen Frauen sind – bei einem Durchschnitt von etwa 15 Prozent – ist ein starkes Signal. Frauen investieren in der Regel kritischer und sorgfältiger. Dieser hohe Anteil ist daher ein doppeltes Kompliment: Er zeigt Vertrauen in die Marke Falkensteiner und in unser Geschäftsmodell. Ein wesentlicher Treiber dafür ist unser Zins-Modell: Investor:innen können sich ihre Zinsen auch in Form von Hotelgutscheinen auszahlen lassen. Mehr als die Hälfte entscheidet sich dafür. Damit entsteht eine besondere Nähe zu unseren Häusern. Aus einer anonymen Finanzbeziehung wird eine lebendige Community. Gäste fühlen sich mit „ihrem“ Hotel verbunden, werden zu Feedbackgeber:innen, Botschafter:innen, Multiplikator:innen. Dieses neue Investorenprofil verändert die Hotellerie: Es schafft Bindung, die weit über eine klassische Geschäftsbeziehung hinausgeht.

LEADERSNET: Das klingt fast romantisch – doch Sie sprechen auch offen über die harten Zahlen dahinter: Ein 100-Zimmer-Hotel im 4- oder 5-Sterne-Bereich kostet heute bis zu 50 Millionen Euro, was einen Eigenkapitalbedarf von rund 20 Millionen bedeutet. Da wird aus der emotionalen Community-Geschichte schnell knallharte Betriebswirtschaft. Wie schaffen Sie es, diese beiden scheinbar gegensätzlichen Welten – Romantik und Realität – erfolgreich miteinander zu versöhnen?

Michaeler: Genau dieses Spannungsfeld macht den Reiz unseres Geschäfts aus: Auf der einen Seite die Emotion – Menschen glücklich zu machen. Auf der anderen Seite harte ökonomische Fakten. Nur, wenn beides stimmt, kann ein Projekt nachhaltig erfolgreich sein. Unsere Aufgabe ist es, Urlaubsträume in wirtschaftlich realisierbare Konzepte zu übersetzen. Wer glaubt, Hotellerie sei nur Romantik, täuscht sich – aber wer nur Zahlen sieht, verpasst das Herzstück. Der Schlüssel liegt im Zusammenspiel.

LEADERSNET: Apropos Herzstück: Der Tourismus in Europa steht gleichzeitig vor enormen Umbrüchen – Fachkräftemangel, explodierende Energiekosten, sich wandelnde Reisetrends. Wie muss sich ein traditionsreicher Hotelkonzern wie Ihrer auf diese Veränderungen einstellen, ohne dabei an Charme und Identität zu verlieren?

Michaeler: Die Antwort liegt in Innovation und Authentizität. Wir investieren in digitale Tools, um Prozesse zu erleichtern – aber nie auf Kosten der persönlichen Begegnung. Wir schaffen flexible Arbeitsmodelle und Weiterbildungsmöglichkeiten, um Mitarbeiter:innen langfristig zu binden. Und wir entwickeln neue Formate – wie unser Engagement im Camping-Segment –, um auf sich wandelnde Gästewünsche einzugehen. Wichtig ist: Egal, wie stark sich die Branche verändert, die Essenz der Gastfreundschaft und unser Anspruch an Qualität bleiben. Authentische Erlebnisse, regionale Verankerung und das Gefühl von Verlässlichkeit sind unsere DNA – daran halten wir fest.

LEADERSNET: Sie sprechen oft von "Communities" statt anonymen Märkten. Ist das die Zukunft der Hotellerie – Gäste, die nicht nur buchen, sondern emotional und finanziell Teil des Unternehmens sind? Und wie unterscheidet sich das von Plattformen wie Airbnb?

Michaeler: Community heißt für uns: echte Nähe, echte Verantwortung. Unsere Gäste sind nicht nur Nutzer:innen, sondern sie identifizieren sich mit uns und der Marke Falkensteiner. Genauso wie unsere Investor:innen, die zum großen Teil auch Falkensteiner Gäste werden. Das unterscheidet uns fundamental von Plattformen wie Airbnb, wo es primär um Transaktionen geht. Wir schaffen langfristige Bindungen und ein Gemeinschaftsgefühl – und dieses emotionale Kapital ist unser größter Wettbewerbsvorteil.

LEADERSNET: 2023 haben viele Österreicher:innen trotz hoher Inflation Urlaub im Ausland gemacht. Was verrät dieser Trend über die Loyalität der Gäste? Und wie lässt sich Begeisterung zurückholen in einem Markt, in dem Preissensibilität zunimmt?

Michaeler: Loyalität im Tourismus ist heute anspruchsvoller. Gäste vergleichen mehr, sind preisbewusster und weniger ortsgebunden. Umso wichtiger ist es, sich zu unterscheiden: Wir müssen Angebote schaffen, die mehr sind als eine Übernachtung. Authentizität, Erlebnis und persönliche Bindung sind entscheidend, um Begeisterung zurückzuholen. Wenn ein Gast spürt, dass er nicht irgendeine Nummer, sondern Teil einer Geschichte ist, dann ist er auch bereit, für Qualität zu bezahlen.

LEADERSNET: Statista prognostiziert für den europäischen Crowdinvesting-Markt ein Wachstum von 4,21 Prozent bis 2028 auf 920 Millionen Euro. Welchen Anteil wollen Sie sich davon sichern – und wie erklären Sie, dass ausgerechnet ein Südtiroler Familienbetrieb zum europäischen Marktführer wurde?

Michaeler: Wir haben nie Trends kopiert – wir haben sie gesetzt: vom ersten Clubdorf und Hallenbad Südtirols bis hin zum Schritt ins Crowdinvesting. Mut war immer Teil unserer DNA. Dass wir als Südtiroler Familienunternehmen heute Marktführer sind, liegt an dieser Mischung aus Pioniergeist und Bodenständigkeit. Wir bauen unser Investitionsmodell weiter aus: Im Herbst starten wir unsere erste Crowdinvesting-Kampagne in Italien, und parallel arbeiten wir an einem Anleihemodell. Wir sind groß genug, um komplexe Projekte umzusetzen, und als Familienunternehmen gleichzeitig nah genug dran, um Vertrauen aufzubauen. Unser Anspruch ist klar: Wir wollen die Benchmark für alternative Investments in der Hospitality setzen.

LEADERSNET: Gibt es ein Motto oder eine Anekdote aus Ihrer Karriere, die Ihre Führungsphilosophie zusammenfasst?

Michaeler: Mein Motto lautet: Zusammen sind wir stark. Diese Haltung hat uns durch viele Höhen und Tiefen getragen – von den Anfängen in Südtirol bis heute. Ob mit meinen Partnern Erich und Andreas Falkensteiner, mit unserem Team oder mit den Investor:innen: Erfolg entsteht im Miteinander. Tourismus ist keine Einzelleistung, sondern immer eine Gemeinschaftsaufgabe. Darum glaube ich so fest an starke Partnerschaften – mit Gästen, Partner:innen, Regionen und Investor:innen. Genau darin liegt die Stärke unserer Branche.

www.fmtg.com

www.fmtg-invest.com

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